Die Islandglocke - Halldór Laxness

  • Da dies hier meine erste Rezension ist, bitte ich um Nachsicht!


    Autor
    Halldór Laxness, geboren am 23. April 1902 in Reykjavík, gestorben am 8. Februar 1998 in Reykjalundur bei Mosfellsbær, war ein isländischer Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger. Der Roman "Die Islandglocke" entstand in den Jahren 1943-46. Auf deutsch erschienen sind unter anderen noch "Atomstation", in dem seine Neigung zum Kommunismus Ausdruck fand, sowie "Das Fischkonzert", "Das wiedergefundene Paradies", "Salka Valka", " Am Gletscher" und "Sein eigener Herr".


    Inhalt
    "Die Islandglocke" spielt in Island um 1700. Es ist die Zeit, in der Dänemark über Island herrscht und dieses Land rücksichtslos unterdrückt und ausbeutet. Die Menschen kämpfen täglich ums Überleben. Selbst die lebensnotwendigen Angelschnüre sind Mangelware.


    Der Roman erzählt zwei Lebensläufe. Einmal ist da Jon Hreggvidsson, der es wagt, den dänischen König mit einer ironischen Bemerkung über seine Mätressen zu beleidigen. Dafür wird er öffentlich ausgepeitscht. Schließlich gerät er noch in der Verdacht, den königlichen Henker ermordet zu haben, und wird trotz dürftiger Beweislage zum Tod verurteilt. Ihm gelingt die Flucht über Holland nach Dänemark und erreicht es, dass sein Prozess neu aufgerollt werden soll. Das zieht sich aber viele Jahre hin, denn es gibt höhere Interessen als Gerechtigkeit für einen armen Bauern. Trotz Demütigungen schafft Jon es, wenigstens einen Rest Würde zu bewahren.


    Dann ist da Snaefridur aus angesehener Familie, die an ihrer unglücklichen Liebe zu Arnaeus leidet, der jedoch die Rettung alter isländischer Schriften und die Durchsetzung der Gerechtigkeit über ihre Liebe stellt. Sein königlicher Auftrag, die alten Gerichtsverfahren zu untersuchen bringt die althergebrachte gottgewollte Ordnung durcheinander.


    Meine Gedanken zum Buch
    Ich wurde auf das Buch aufmerksam, weil es eine gute Sicht auf Island in dieser Zeit geben soll. Das hat sich auch ganz und gar bestätigt. Die einzelnen Schilderungen der Ereignisse zeichnen ein gut vorstellbares Bild dieser Zeit, die Armut, Ausweglosigkeit, Ungerechtigkeit, Menschenverachtung, Bigotterie und Standesdünkel. Durch Gespräche erfährt der Leser etwas über den Aberglauben und Vorurteile gegenüber Unbekanntem.


    Wie wichtig in Island die alten Überlieferungen ihrer Geschichte und Helden sind, sieht man an den vielen Zitaten aus der alten isländischen Dichtung. Laxness lässt auch mysteriöse Figuren, wie Geister oder Sagengestalten auftreten, bei denen der Leser im Unklaren gelassen wird, ob sie wirklich existieren oder nur als Traumgestalten der Protagonisten vorkommen.


    Am meisten fiel mir Laxness' sachliche Sprache auf, die nur die Sicht eines Außenstehenden wiedergibt, keine ausschweifende Beschreibung der isländischen Landschaft oder der Gefühle. Es werden zwar viele sichtbare Einzelheiten (wie weinen, schlagen, bluten) beschrieben, die dem Leser die Ereignisse nahe bringen, jedoch ohne dass er sich tief in die Personen hineinversetzen kann. Gerade die knappen Formulierungen bringen es oft knallhart auf den Punkt.
    Dieser nüchterne Erzählstil ist wohl an den Stil der alten Islandsagas angelehnt ist. Dennoch schafft Laxness es immer wieder, mit trockenen bis schwarzen Humor oder leiser Ironie diese Sachlickeit aufzuheben. Auch Jons Naivität und Unerfahrenheit in der "großen weiten Welt" lassen ihn unfreiwillig komisch erscheinen.
    Die brutale Wirklichkeit wirkt auf diese Weise auf den Leser nicht mehr ganz so hart.
    Durch den Blick von außen bleiben viele Absichten, Tatsachen und Charakterzüge im Dunkeln. So erzeugt der Autor Spannung, während andererseits, als Snaefridur und Arnaeus sich nach vielen Jahren wiederbegegnen, ihre Gespräche sogar Poesie ausstrahlen.


    Fazit:
    Ein Stück Island, für mich absolut lesenswert, ein kleiner, vielschichtiger Schatz, der durchaus lohnt, zweimal gelesen zu werden. Zu keiner Zeit war mir das Buch langatmig.
    Liebhaber spannend geschriebener Erzählungen, die den Leser tief in die Personen eintauchen lassen, werden vielleicht enttäuscht sein.

  • ich habe ja die Islandglocke vor geraumer Zeit gelesen, weiß also keine Einzelheiten mehr, aber ich finde es toll, wie du diesen ganz besonderen Tonfall Laxness' getroffen hast.


    Diese Mischung aus eigentlich ungeheuerliche Ereignissen, die doch mit feinem Humor und einer umwerfenden sprachlichen Stringenz geschildert werden! Ich freu mich sehr, dass sich hier im Forum Leserinnen finden, die das auf den Kopf treffen, was ich an Laxness so liebe, danke dafür!

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von DraperDoyle ()