OT: Fortællingen om Viga-Ljot og Vigdis 1909
erstmals erschienen 1931, Verlag Bruno Cassirer, übers. u. hrsg. von Julius Sandmeier und Sophie Angermann
Ljot, seiner siegreichen Kämpfe wegen mit dem Beinamen ‚Viga’ - Kampf ausgezeichnet, ist ein junger Landbesitzer im Island des frühen 11. Jahrhunderts. Wie es zu seiner Zeit üblich ist, zieht er mit Verwandten und Freunden auch zu Raubzügen per Schiff, Wikingerfahrten, aus. Auf einer dieser Fahrten kommen sie an die Küste Norwegens. Dort treten sie als Besucher auf und werden im Haus Gunnars gastfreundlich aufgenommen. Ljot verliebt sich in Gunnars Tochter Vigdis. Seine Liebe ist wie er selbst stürmisch, undurchdacht, rücksichtslos. Vigdis, die seine Zuneigung durchaus erwidert, bleibt zurückhaltend, aus Angst ihre Selbständigkeit völlig zu verlieren. Als sie erfährt, daß Ljot überall in der Gegend verkündet, daß sie ihm gehört, meidet sie ihn fast völlig.
Eben zu dieser Zeit kehrt ein Jugendfreund von Vigdis nach Norwegen zurück. Ljot, inzwischen blind vor Liebe, deutet Vigdis’ Verhalten als Zuneigung zu ihrem Jugendfreund und fühlt sich betrogen. Voll Eifersucht sucht er Streit mit dem anderen, verärgert damit seinen Gastgeber, Vigdis’ Vater, aber auch seine Begleiter. Bei einem letzten verzweifelten Versuch, Vigdis von seiner Liebe zu überzeugen, vergewaltigt er sie. Mit dieser Tat beginnt eine unbarmherzige und blutige Geschichte von Haß und Rache zwischen zwei Menschen, die sich unendlich lieben.
Undset erzählt ihre Geschichte im Ton der altnordischen Sagas, knapp, ohne Ausschmückungen, immer ganz nah an ihren leidenden Figuren. Ihre Gefühle liegen offen vor der Leserin, durch nichts gemildert, in all ihrer Stärke. Vigdis und Ljot sind extreme Persönlichkeiten, unbeugsam, starrsinnig. Zugleich sind sie nicht nur persönlich uneinsichtig, sondern an geltende Normen ihrer Zeit gebunden. Für den Konflikt, in den sie geraten sind, gibt es keinen anderen Ausweg als den, den die Autorin unnachsichtig entwickelt. Die Geschichte zieht sich über zwanzig Jahre. Undset liefert ein eindrückliches Porträt einer Frau, der eine uneheliche Schwangerschaft aufgezwungen wird. Vigdis innerer Kampf gegen ihr Kind, ihre Schuldgefühle und später ihr Einsatz für ihren Sohn ist ebenso voller Schrecken, wie ihr Fluch gegen Ljot, dessen Erfüllung detailliert geschildert wird. Das Räderwerk, das in Gang gesetzt wurde, läuft präzise bis zum letzten Zahnrädchen, die Mühlen des Schicksals mahlen ohne Erbarmen. Sie ziehen auch Menschen, die nichts mit dem ursächlichen Vergehen zu tun haben, in das Unglück mithinein.
Das Ganze ist ein überraschendes Stück Literatur, dessen Sprache wenig verbraucht klingt, dessen Handlungsablauf in seiner emotionalen Logik unter heutigen Geschichten seinesgleichen sucht. Viga-Ljot und Vigdis war Undsets erster historischer Roman. Das bäuerliche Leben zu Beginn des 11. Jahrhunderts, Raubfahrten zur See, die Alltagskultur, das allmähliche Eindringen des Christentums bilden den Hintergrund für diese rundum beeindruckende, entsetzliche, tragische Geschichte einer großen Liebe.