Langenscheidt
ISBN-13: 9783468738692
ISBN-10: 3468738692
Geschenkbücher
Ausgabe 02/2013
Hardcover, 128Seiten
Vor einigen Monaten saß ich im Zug von Hamburg nach Köln und das Sprach- bzw. Dialektgewirr in unserem Abteil nahm fast babylonische Ausmaße an. Mir gegenüber saßen zwei junge Nigerianer, die englisch-deutsch radebrechten. Neben ihnen saß eine junge Frau, die ihre rheinländische Mundart ganz offensichtlich ebenso pflegt wie ich meine schwäbische und neben mir wiederum bediente sich eine junge Holländerin ihrer Muttersprache. Der Zugführer sprach in bestem Hannoveraner Schriftdeutsch, während seine eine Kollegin hessisch babbelte und eine weitere im breitesten fränkischen Dialekt ihre Ansichten zu dem Disput beisteuerte.
Letzteres gestaltete sich leider nicht ganz so humorvoll wie in Bernd Regenauers Fränkisch für Anfänger. Denn fatalerweise wies die Schaffnerin nicht nur eine frappierende Ähnlichkeit mit dem früher berühmten HB-Männchen auf, sondern hörte sich gar nicht so nett an, wie der Mitarbeiter einer fränkischen Firma, mit dem ich vor etlichen Jahren regelmäßigen Kontakt pflegte. Letzteres lag vermutlich nicht nur daran, dass es - wie bei allen Dialekten - regionale Varianten gibt.
Doch zurück zu dem 128 Seiten starken Büchlein aus dem Hause Langenscheidt, das gerade vor mir liegt. Der unterhaltsam und keineswegs ernst zu nehmende Sprachführer wartet neben Übersetzungen und Erklärungen auch mit Anekdoten, Witzen und Cartoons auf, um neben der Sprache auch fränkische Verhaltensmuster an Regenauers LeserInnen zu bringen. Bevor man sich an einen Test wagen kann, sollte man sich das 1 x 1 des Fränkischen zu Gemüte führen und das gerade Erlernte in Kapiteln wie Speis und Trank, Liebesgeflüster, Donnerwetter oder Geflügelte Worte vertiefen. Auch Fränkisch für Fortgeschrittene findet man im Buch. Eingangs der Kapitel gibt es immer einen Crashkurs, bevor es dann an Wörter und Sätze von A - Z, ihre Übersetzungen und Erklärungen geht und der Autor Redewendungen offenbart, die zeigen, dass Gesagtes und Gemeintes nicht zwingend übereinstimmen muss. Hier habe ich mir zugegebenermaßen bei dem 1956 in München geborenen und heute in Nürnberg lebenden Liedermacher und Kabarettisten Bernd Regenauer, der u. a. Texte für Dieter Hildebrandts Scheibenwischer und die Münchner Lach- und Schießgesellschaft verfasste, etwas mehr erwartet. Wirklich enttäuscht wurde ich jedoch auch nicht.
Der Autor rät dazu, alles laut nachzusprechen, um den Weg zur fränkischen Seele zu finden. Keine Ahnung, ob das klappen kann. Allerdings sorgte lautes Nachsprechen für Lachtränen, als ich kürzlich mit meinen Brüdern Seite für Seite durchnahm. Genau wie bei einem Schwäbisch-f‘r-Dammies-Kurs oder bei Plattdütsch för Quieddjes kommen da nämlich die tollsten Worte heraus, weil man ausgerechnet in dem Fall hochdeutsch zu lesen scheint, auch wenn man sonst nicht hochdeutsch spricht. Obwohl ich je nach Ortschaft fränkisch an und für sich sehr gut verstehen kann, begriff ich auf diese Art erst einmal gar nichts, solange ich nicht den Begleittext dazu vor Augen hatte. Unabhängig vom Sinn oder Unsinn des Satzes wäre ich beispielsweise trotz sechs von sieben verstandenen Worten bei Iich mecherd aamol a aanzichs Mamalaadnaamerla homm nie im Leben darauf gekommen, dass mein Bruder gerne einmal ein Marmeladenglas hätte. Und wie etwa im Schwäbischen gibt es natürlich auch im Fränkischen mehrere Bedeutungen für ein und dasselbe Wort. So kann Vodder sowohl für Vater als auch für Vorder oder auch für fährt er stehen. Schlimm wird es, wenn das Wort dann in allen drei Variationen in einem Satz auftaucht. Erschwerend kommt die Vorliebe der Franken hinzu, verschiedene Wörter zusammen auszusprechen. Buchstaben übermäßig zu dehnen, hart oder überraschend weich auszusprechen erschwert mir persönlich das Nachahmen ebenfalls. Die Buchstaben p, t oder k sucht man in diesem Dialekt vergebens und das rollende r, nun ja …
Wie gesagt, wir lachten Tränen und gelangten schnell zu der Ansicht, dass wir nicht das richtige Talent für das laute Lesen des fränkischen Dialekts besitzen. Gleichzeitig war mir dennoch spätestens nach Seite 94 klar, dass die vorher erwähnte Zugbegleiterin bees rumbelferd oder naibelferd hat, obwohl sie zu dem Zeitpunkt gar nicht wusste, worum es genau ging und ihre Kommentare einfach pauschal ins Abteil geworfen hat.
Wer übrigens Sächsisch, Bairisch (kein Tippfehler, das schreibt sich bei Langenscheidt tatsächlich so), Kölsch oder Schwäbisch für Anfänger sucht und diese sprachliche Erweiterung genauso wenig ernst zu nehmen gedenkt wie den Sprachführer Fränkisch für Anfänger, wird auch diesbezüglich bei Langenscheidt fündig.
Fazit:
Sprache verbindet ja bekanntlich. Ob das mit dem Sprachführer so wirklich gelingt, mag dahingestellt sein. Allerdings: Lachen verbindet auch irgendwie und das kann man mit Fränkisch für Anfänger durchaus. Zum Verschenken an alle Neigschmeggde in die mittelfränkische Metropolregion und ihre angrenzenden Gebiete. Alle anderen Sub-Dialekte des Fränkischen in Regenauers Büchlein unterzubringen, wäre unmöglich gewesen.
Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)