"In God's House" - Ray Mouton

  • Leider keine deutsche Übersetzung



    1984 wurde Renon Chattelrault, ein junger Anwalt aus Louisiana, von einer kleinen Diözese in seinem Heimatort gebeten, die Verteidigung von Pater Francis Dubois zu übernehmen, des ersten Priesters, der in den USA wegen Kindesmissbrauchs angeklagt wurde. Dubois soll elf Kinder missbraucht zu haben, vor einem Jahr hatte man sich im Fall von sechs weiteren Kindern außergerichtlich geeinigt. Doch nun ist eine der Familien nicht bereit, zu schweigen. Die Staatsanwaltschaft hat sich des Falls angenommen, gleichzeitig gibt es eine Zivilklage und die Diözese möchte, dass Dubois durch einen eigenen Anwalt vertreten wird.


    Da Chattelrault die Haltung vertritt, dass in einem Rechtsstaat jeder ein Recht auf eine gute Verteidigung hat, erklärt er sich zur Verteidigung Dubois bereit und denkt auch zunächst, dass es sich bei dem pädophilen Priester um einen Einzelfall handelt. Er merkt jedoch schnell, dass es der Kirche nicht um die bestmögliche Verteidigung ihres Priesters geht, sondern Dubois zum Bauernopfer gemacht werden soll, um den Ruf der Diözese und der Katholischen Kirche im allgemeinen zu retten. Chattelrault findet heraus, dass die Diözese schon lange von den pädophilen Handlungen des Priesters gewusst hatte, selbst vor seiner Ordination soll seine Neigung schon bekannt gewesen sein. Dubois wurde nach Beschwerden von Eltern mehrfach in andere Gemeinden versetzt und immer wieder Kontakt zu Kindern ermöglicht. Und er findet heraus, dass Dubois kein Einzelfall ist. Durch seine Weigerung, dem Druck der Kirche nachzugeben und Dubois dazu zu überreden, auf schuldig zu plädieren, wird er zur Persona non grata gegenüber den Kirchenvertretern, gleichzeitig aber auch zum Hassobjekt der betroffenen Eltern, die nicht verstehen können, wie er so ein Ungeheuer wie Dubois verteidigen kann.


    Das Buch umfasst den Zeitraum von 1983 bis 2002, wobei die Jahre 1983 bis 1987 mehr Raum einnehmen. Die Kapitel sind relativ kurz, dafür gibt es 93, die meisten Abschnitte innerhalb der Kapitel werden in der Ich-Form von Chattelrault erzählt. Bei Ereignissen, bei denen Chattelrault nicht dabei sein konnte, greift der Autor auf einen personalen Erzähler zurück.


    Der Autor betont auf seiner Homepage, dass es sich bei seinem Buch um einen Roman handelt. Es gibt jedoch so viele Übereinstimmungen mit realen Ereignissen und der Biographie des Autors mit der Hauptfigur, dass ich oft Schwierigkeiten hatte, zu entscheiden, ob ich gerade einen Roman lese oder ein Sachbuch. Im Buch ist der Papst Pole und der Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre ist ein intellektueller Deutscher (Spitzname im Vatikan: Der Führer), der als nächster Papst gehandelt wird. Der Autor sagt auf seiner Homepage, er wollte einen Roman schreiben, der so überzeugend ist, dass er sich anfühlt und liest wie ein Sachbuch oder die Wahrheit. Dies ist ihm auch gelungen. Persönlich finde es schwierig, wenn sich Wahrheit und Fiktion in meinem Kopf vermischen.


    Das Buch ist sehr detailliert und kam mir lang vor, war aber niemals langweilig. Meiner Meinung nach, hat der Autor jedoch zu viele Nebenkriegsschauplätze eingeführt. Er wollte wohl "die ganze Geschichte" erzählen, vielleicht wäre es aber besser gewesen, wenn er sich auf einen Aspekt konzentriert hätte. Ich habe selten ein deprimierenders Buch gelesen. Zusammen mit Chattelrault entdeckt man immer mehr das ganze Ausmaß des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester und der systematischen Vertuschung durch die Kirche und der Autor wirft viele ethische Fragen auf. Man spürt die innere Zerrissenheit des Anwalts, das Richtige tun zu wollen, aber keine Antwort darauf zu finden, was das Richtige ist.


    Über den Autor


    Ray Mouton (geb. 1947) ist ein amerikanischer Anwalt, der 1984 Gilbert Gauthe, den ersten Priester, der wegen Kindesmissbrauchs in den USA angeklagt war, verteidigt hat. 1985 schrieb er zusammen mit dem Kirchenrechtler Pater Tom Doyle und Pater Michael Peterson, Gründer einer psychischen Klinik, die sich vor allem um Priester und Ordensleute kümmerte, ein Manual zum Umgang mit dem Problem des sexuellen Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche. Das Manual behandelte zivilrechtliche, kanonische und psychologische Aspekte, oberstes Ziel war, die Glaubwürdigkeit der Kirche als christliche Gemeinschaft zurückzuerlangen. Ray Mouton war von 1973 bis 1988 als Anwalt in Louisiana tätig, arbeitet aber seitdem ausschließlich als Autor.
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  • Danke für Deine Rezi. Ich hab's jetzt auch mal für den Kindle gekauft. Befürchte aber, dass ich aus rein emotionalen Gründen sehr damit zu kämpfen haben werden, wenn ich damit mal anfange. Bei dem Thema könnt' ich :fetch :schlaeger :bonk :pille :hau (den Kotzsmiley lass ich jetzt mal weg).

  • Wie ich schon vermutet hatte, ist der Hauptgedanke, den ich während des Lesens hatte „ich kann gar nicht so viel essen wie ich kotzen möchte“.


    Wenn man liest, wie mehrfach, hundertfach von Priestern vergewaltigten Kindern von anderen Priestern empfohlen wird, die Sünde des Vergewaltigtwerden wegzubeten und wegzubeichten, dann will man seinen Kindle nur noch an die Wand schmeißen.


    Wenn man liest, wie die alten weißen fetten Herren Bischöfe und Vikare und Kardinäle sich den Bauch mit Austern vollhauen und nach dem Motto „what happens at church, stays at church“ handeln (ähnlich wie das Militär und die Mafia), da hofft man inständig alt genug zu werden, um den kompletten Verfall der katholischen Kirche noch erleben zu dürfen.


    Mouton’s Buch funktioniert, weil es die Ereignisse persönlich macht. Natürlich hat man über den Fall Gauthe gelesen und vermutlich mehrfach den Kopf geschüttelt. Wie kann ein Massenvergewaltiger immer und immer wieder a) von Kirchenoberen gedeckt werden und b) immer und immer wieder frei kommen? Das kann man googeln, da kann man Zeitungsartikel lesen und da ist man zu Recht erschüttert.


    Mouton macht es noch einen Ticken persönlicher, weil er seine eigene Motivation und sein eigenes Scheitern erklärt und weil er Tätern und Opfern eine persönliche Geschichte gibt und eben auch „Die Kirche“ zu Recht zum Täter macht.


    Alles in allem harter Tobak zu lesen. Und heute, 30 Jahre später? Ein kurzer Blick auf Ray Mouton’s Twitter zeigt, dass man eigentlich noch nicht sehr viel weiter gekommen ist. Immer noch wird auf Teufel komm raus vertuscht, immer noch wird das Schweigen mit Unsummen erkauft.


    Delpin’s Kritikpunkte sind berechtigt. Die Vermischung zwischen Fakten und Fiktion ist verwirrend und ja, das Buch hatte Längen und zu viele Nebenkriegsschauplätze. Auch der im Klappentext gemachte Vergleich mit John Grisham hinkt. Trotzdem aber eine Kauf- und Leseempfehlung von mir.