Lena Klassen: Wild

  • Gestaltung:


    Das Cover hat mich sofort auf den ersten Blick fasziniert. Ich liebe die Grüntöne und es passt wirklich sehr gut zum Inhalt. Wenn man es sieht, muss man es einfach in die Hand nehmen und lesen, worum es geht.


    Die Kapitelanfänge sind jeweils mit einem kleinen Blätterwald dekoriert, was mir persönlich immer sehr gut gefällt.


    Inhalt:


    „Einmal wöchentlich bekommt jeder in “Neustadt” seine Glücksinjektion. Trotzdem ist die siebzehnjährige Pi nicht so glücklich wie alle anderen. Stimmt etwas nicht mit ihr? Oder warum darf sie nicht mit Lucky zusammen sein, ihrem besten Freund? Anders zu sein ist gefährlich, denn hinter dem Zaun, der “Neustadt” umgibt, liegt die Wildnis. Dort herrschen noch Krankheit und Gewalt – und dorthin werden alle verbannt, die aus der Reihe tanzen.
    Dann geschieht etwas Unfassbares: Die Glücksdroge versagt. Und plötzlich steht Pi vor der Entscheidung ihres Lebens: Liebe oder Freiheit?“
    (Quelle: http://www.drachenmond.de/titel/wild/)


    Peas, Pi genannt, lebt mit ihren Freunden in „Neustadt“. Einmal wöchentlich bekommt sie eine Glücksinjektion, die sie glücklich machen und dazu bringen soll, nichts zu hinterfragen. So treiben die Jugendlichen täglich auf ihrer Glückswolke durch ihr Leben. Doch dann versagt die Glücksdroge bei fünf Jugendlichen und diese sind plötzlich sehr bestürzt, als einer ihrer Mitschüler von einem Gerüst stürzt und anschließend im Koma liegt. Eigentlich sollte sie das Schicksal von Phil kalt lassen, doch das ist nicht der Fall und so fällt ihnen auf, dass der Glücksstrom bei ihnen abgerissen ist.


    Doch was jetzt?! Wenn die Regierung davon erfährt, werden sie in die Wildnis hinausgeschickt und das will Pi auf jeden Fall verhindern. Oder bedeutet ihre Flucht etwa ihre Freiheit? Was erwartet sie in der Wildnis? Und lohnt es sich für die Liebe und all diese neuen Gefühle ihre gewohnte, sichere Umgebung zu verlassen?


    Charaktere:

    Pi gefiel mir von Anfang an total gut. Obwohl sie eigentlich wie alle anderen auch, total happy sein sollte, ist sie doch eher pessimistisch und missmutig. In Neustadt werden allen Partner zugeteilt und Pi hätte gern ihren besten Freund Lucky als Partner gehabt, doch der wurde ihrer besten Freundin Moon zugeteilt. Doch das scheint dem Mädchen dank der Glücksdroge nichts auszumachen. Es ist einfach normal für sie, trotzdem möglichst viel Zeit mit den beiden zu verbringen. Als die Glücksdroge nicht mehr wirkt, ist Pi die einzige, die einen klaren Kopf bewahrt. Sie will auf jeden Fall verhindern, dass sie in die Wildnis geschickt werden, denn sie hat viel zu viel Angst davor, was sie da draußen erwartet. Trotzdem will sie diese „wilden Gefühle“, die sie Lucky näher bringen, nicht wieder hergeben müssen. Als sie schließlich ohne Lucky in der Wildnis landet, ist sie anfangs sehr deprimiert und fühlt sich ständig fehl am Platz. Ohne ihren Freund scheint sie einfach nirgends zuhause zu sein. Deshalb trifft sie eine folgenschwere Entscheidung, die ich sehr mutig, aber auch sehr gewagt finde.


    Lucky fand ich anfangs echt schrecklich. Obwohl ihm Moon als Partnerin zugeteilt wurde, knutscht er hemmungslos mit allen möglichen anderen Mädchen herum. Pi gegenüber ist er jedoch immer freundlich. Als die Glücksdroge nicht mehr wirkt, ist Lucky der erste, dem das Schicksal von Phil so richtig nahe geht. Das hat mich schließlich doch noch für ihn vereinnahmt. Er ist auch einer der Ersten, die sich für die Wildnis entscheiden, anstatt die richtigen Gefühle wieder hergeben zu müssen. Und endlich zeigt sich auch, was er wirklich für Pi empfindet.


    Orion war jedoch mein absoluter Lieblingscharakter. Dachte man zuerst, er sei ein hirnloser Sportler, dessen Sinn einfach nur im Gewinnen eines Joyspiels lag, zeigt er in der Wildnis sein wahres Ich und das ist wirklich mehr als heldenhaft.


    Das Buch ist auch voll von tollen Nebendarstellern, da ist z.B. der Arzt Alfred, der die Regierung dazu bringen will, umzudenken. Auch in Moon, Pis bester Freundin, steckt mehr, als man anfangs vielleicht denkt. Oder Gabriel, der in der Wildnis seine ganz eigene Rebellion plant und und und. Es macht Spaß, all die Charaktere mit ihren Stärken und Schwächen kennenzulernen und zu entdecken, welche Rolle sie in dieser Geschichte spielen.


    Schreibstil:


    Anfangs hatte ich so meine Schwierigkeiten in die Geschichte hineinzufinden, da man einfach in das Geschehen hineingeworfen wird und weder etwas Genaueres über das Leben in Neustadt, noch die Regierung oder die Glücksdroge erfährt. Man findet sich einfach im Leben von Pi und ihren Freunden wieder. Sehr seltsam fand ich, dass sich niemand dafür interessierte, als ein Bauarbeiter vom Dach stürzte und starb. Auch, dass Lucky mit allen möglichen Mädchen rummacht, obwohl seine ihm zugeteilte Partnerin neben ihm steht, konnte ich nicht nachvollziehen. Doch das gehört wohl alles zum Glücksprogramm. Den Jugendlichen ist alles egal, sie sind einfach nur glücklich, egal, was passiert.


    Erst als die Glücksdroge bei mehreren Jugendlichen, unter anderem Pi und Lucky nicht mehr wirkt, gewann das Buch für mich auch an Spannung. Jetzt gilt es, diesen Umstand geheim zu halten. Doch wie verbirgt man, dass man wahre Gefühle hat? Und wie kann man damit leben, wieder in diese Lethargie abzudriften, wenn man doch in den Genuss des Fühlens gekommen ist? Solche Fragen beschäftigen jetzt auch Pi, aus dessen Sicht, die Geschichte geschrieben ist, was ich sehr gut fand, da das Mädchen ein sehr interessanter Charakter ist.


    Nach und nach stellt man sich immer mehr Fragen, über die Regierung, die Glücksdroge und über Neustadt und erhält auch immer mehr Informationen. Doch viele Fragen bleiben unbeantwortet oder neue Fragen tauchen auf, so dass immer eine gewisse Grundspannung erhalten bleibt. Ein paar überraschende Wendungen sorgen zusätzlich für Spannung.


    Besonders gut, gefiel mir die Liebesgeschichte in diesem Buch. Was dem Klappentext nach, wie die übliche Geschichte klingt, ist doch ganz anders. Endlich einmal eine Lovestory, die nicht kitschig und rosarot ist, sondern wirklich tragisch und deshalb herzzerreißend schön.


    Die Geschichte an sich fand ich sehr interessant und originell und toll ist sicher auch, dass eigentlich noch viel mehr dahintersteckt, als man anfangs vielleicht denkt.


    Da einige Fragen unbeantwortet bleiben und das Ende doch sehr offen ist, läuft alles darauf hinaus, dass es eine Fortsetzung geben wird, die ich ganz sicher lesen werde, da ich sehr gespannt bin, wie es mit Neustadt, mit Pi und all den anderen enden wird. Ein Buch, das auf jeden Fall Lust auf mehr macht.


    Fazit:


    Anfangs war es für mich sehr schwierig, mich in die Geschichte hineinzudenken und das Handeln der Protagonisten nachzuvollziehen. Doch als ich mich in Neustadt eingelebt hatte, war ich schnell neugierig und wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht. So flog ich förmlich durch die Seiten, um mich gemeinsam mit Pi auf die Suche nach Antworten zu machen.


    Eine faszinierende Dystopie, die Lust auf mehr macht.


    Von mir bekommt das Buch 4 Punkte von 5.

  • Pi lebt in einer fernen Zukunft, in der die Welt nicht mehr so ist wie wir sie kennen und alle Menschen streng kontrolliert werden. Große Gefühle gibt es nicht mehr, dafür sorgt die Glücksdroge, die jedem Menschen einmal in der Woche gespritzt wird und jeden einfach nur glücklich sein lässt. Leider nicht nur glücklich, sondern auch gleichgültig und starr. Als eines Tages die Dosis Glück nicht funktioniert, erwachen Pi, Lucky und noch zwei weitere Mitschüler aus ihrer Starre, fühlen und denken plötzlich. Aus Angst, man könnte sie in die Wildnis verbannen, wohin all die Verrückten, Kranken und Straftäter befördert werden, versuchen sie sich nichts anmerken zu lassen. Nach und nach begreifen sie allerdings, dass sie ihre neu entdeckten Gefühle nicht mehr missen wollen und suchen verzweifelt einen Weg in die Freiheit, in die Wildnis …


    Ich bin auf dieses Buch durch sein wirklich schönes Cover aufmerksam geworden. Der Titel hat mich zwar nicht so sehr angesprochen, aber zusammen mit der Inhaltsangabe und dem Cover wurde ich dann doch neugierig. Zugegeben, bis ca. zur Mitte des Buches fand ich das Cover noch unpassend, ging es doch um eine neu erschaffene Welt in der Zukunft, in der es kaum Gefühle gibt, schon gar keine wilden und unzähmbaren, und auch nichts was auf eine Wildnis hindeuten könnte. Selbst Pflanzen gibt es kaum. Ich war also gespannt, wo mich dieses Buch noch hinführen würde. Nach Beendigung des Buches ist aber klar, dass das Cover doch passend ist und viel Bezug zum Buch hat, ebenso der Titel.


    Lena Klassen hat hier auf über 380 Seiten, verteilt auf 38. Kapitel, eine schöne Dystopie geschrieben, die mich in Grundzügen ein wenig an die Armor-Trilogie von Lauren Oliver erinnert hat. Auch in “Wild” geht es ja um das Thema Liebe, ein Gefühl, das unterdrückt wird. Wirklich vergleichen kann man diese Bücher trotzdem nicht, auch wenn mir beide sehr gut gefallen haben.


    Pi war mir als Figur zunächst ein wenig unsympathisch und fand sie ziemlich dumm und mich gefragt, warum man eine Hauptfigur so doof charakterisiert. Das wurde dann klar, als Pi nicht mehr unter dem Einfluss der Droge stand und ihr Verhalten sich änderte. Von da an mochte ich Peas, wie Pi eigentlich heißt, sehr gerne leiden, sie war mir zum Ende des Buches hin richtig ans Herz gewachsen. Ihre beste Freundin Moon hingegen war mir von Anfang an etwas suspekt. Generell fand ich alle Figuren aber sehr interessant, vor allem auch Pis Vater, zu dem ich mir eigentlich noch mehr Information gewünscht hätte. Vielleicht kommt dies ja noch in einem zweiten Teil. Womit wir beim Ende wären …


    Das Ende des Buches hat mich dann doch etwas überrascht. Die gesamte Handlung war zwar nicht absolut vorhersehbar, sondern ziemlich spannend und abwechslungsreich, aber trotzdem bewegte sich irgendwie alles noch im Rahmen des zu erwartenden. Das Ende hingegen habe ich so nicht kommen sehen und war doch ziemlich überrascht, ohne jetzt zu viel zu verraten. Ich würde mir sehr wünschen, dass es hierzu schon bald einen zweiten Teil gibt, das muss einfach sein.


    Insgesamt hat mir “Wild” also sehr gut gefallen! Die Autorin hat hier eine neue, recht spannende und abwechslungsreiche dystopische Geschichte geschrieben, die mich vom Anfang bis zum Ende gefesselt hat. 8 Sterne für diesen nicht nur optisch schönen Roman!

  • Kennt ihr das, wenn man den ersten Satz eines Buches liest und dieser einen dann nicht mehr loslässt? Und die Freude, wenn man nach stundenlangen Suchaktionen endlich wieder das zugehörige Buch ergoogelt hat ;-)
    So ging es mir bei diesem Buch. Der erste Satz hat mich einfach verzaubert. Auch so ist das Buch auf gute Art sehr ungewöhnlich. Erst wird eine scheinbar perfekte Welt aufgezeigt, aber die drogeninduzierte Fröhlichkeit hier wirkt so perfekt, dass sie dem Leser nur aufgesetzt erscheinen kann und so etwas wie Abscheu hervorruft. Gerade als ein Tod im Nebensatz abgetan und belächelt wird, steigt das Entsetzen über diese Gesellschaft gewaltig.
    Erst kann man sich noch damit abfinden, dass uns das ja nicht passiert. Den perfekten Menschen zu züchten und dumme, glückliche Organspender zu halten. Nun, Geschichtsbücher auf – unter Nazideutschland nachschlagen.
    Was an diesem Buch so anders war – Dystopien gibt es ja viele – war, dass auch die Rebellen nicht das Gelbe vom Ei waren. Auf andere Weise waren sie ebenso. Mit dem einzigen Unterschied, dass es dem Individuum erlaubt war, auch ohne Drogen (un)glücklich zu sein. Da ist es verwirrend für den Leser (auf positive Art), Partei zu ergreifen.
    Auch die Sprachverwendung war anders, als ich es aus Büchern kenne. Viele Kurze Sätze, die Wahrnehmungsfetzen schildern. Schon zusammenhängend, jetzt nicht irgendwie wirr zusammengewürfelt. Zur Thematik passt das super, auch wenn man sich daran gewöhnen muss. Mein Lieblingsschreibstil ist das zwar nicht, aber ohne Zweifel besonders und auf keinen Fall störend.
    Zur Vorhersagbarkeit der Story: Dazu kann man nur sagen, dass sie nicht vorhanden ist. Wie eine längere Kurzgeschichte schildert der Roman (?) eine wichtige Episode aus Pis Leben. Und nicht die Geschichte einer Rebellion oder so. Das Ende ist somit zwar abgeschlossen, aber es gab keinen Gesellschaftsumsturz und so weiter. Da die Gesellschaft und ihr System so real ausgeführt wurden, wäre da das Ein-Held-rettet-die-Welt-Schema auch denkbar unrealistisch gewesen. So funktioniert das hier einfach nicht, anders als in vielen weiteren Dystopien.
    Diese ist einfach ein Plädoyer für den Individualismus, durch und durch. Und dafür, seine Gefühle zu schätzen, die guten, die schlechten, die, über die man sich nicht ganz einig ist. Und ein wunderbares Beispiel dafür, dass es ein Schwarz und Weiß nicht gibt. Das Buch ist sicherlich nicht für jeden etwas, aber mir hat es sehr gut gefallen. Ich kann es jedem empfehlen, der sich gerne die Augen öffnen lässt, und von Büchern nicht nur eingelullt werden will.