'Elsa ungeheuer' - Seiten 163 - 241

  • Zitat

    Original von Lumos
    Karl ist unglaublich loyal. Das stellte ihn bereits in seiner Kindheit vor das Problem, wem gegenüber er sich in einer Konfliktsituation loyaler verhalten soll, Elsa oder Lorenz, seiner großen Liebe oder seinem über alles geliebten Bruder.


    Das sehe ich auch so. Diese Eigenschaft wegen funktioniert er als Hauptfigur so gut und er blieb deswegen auch in diesem Abschnitt für mich eine positive Figur!

  • Ich bin mit dem Buch durch.


    Irgendwie steigert sich die Handlung von Abschnitt zu Abschnitt. Karl nimmt Drogen, sein Bruder auch, der wird zudem ein aufstrebender Künstler. Was Irina & Co bzw Holland mit der Handlung zu tun haben, hat sich hier auch geklärt.
    Die Geschichte der Graugänse fand ich toll. :-)



    Was ich nur nicht so ganz verstanden habe, warum hat Irina Sebastian so gehasst? War es wegen seines Buches, indem er auf "ihr" Bild, ihre Verkörperung ejakulierte? Was wollte sie mit den 18 Jahren XY Monaten XY Wochen sagen? ?(


    EDIT: Bin mit einem Teil verrutscht.

  • Der dritte Abschnitt hat mir noch weniger gefallen, als die vorhergehenden Abschnitte. Ich finde einfach keinen Zugang zu den Personen. :-(
    Die Geschichte mit den Graugänsen empfand ich am schönsten. Ich wusste nicht, dass sich diese Tiere so sozial verhalten.
    Ich hoffe sehr das Elsa nochmal in Erscheinung tritt, den es interessiert mich schon was aus ihr geworden ist.
    Ein Happy end für Elsa und Karl wird es wohl eher nicht geben...

  • Zitat

    Original von hasewue
    Was ich nur nicht so ganz verstanden habe, warum hat Irina Sebastian so gehasst? War es wegen seines Buches, indem er auf "ihr" Bild, ihre Verkörperung ejakulierte? Was wollte sie mit den 18 Jahren XY Monaten XY Wochen sagen? ?(


    Genau das. Sebastian hat damit die Würde des Bildes in den Augen Irinas verletzt. Hat Andromeda damit herabgesetzt, befleckt, beschmutzt. Das hat Irinas Zorn heraufbeschworen.

  • Ich werde nicht glücklich mit dem Roman. Mir scheint die Konstruktion fragwürdig. Selten habe ich einen solch schlaffen „Ich“-Erzähler gelesen und auch der Bruder kommt nicht sonderlich aus den Puschen. Nach wie vor ist der Schreibstil brillant, die Ideenvielfalt macht fast besoffen, der Künstlerkreis bleibt glaubhaft dargestellt, philosophische Einschübe vermitteln durchaus eine gewisse Tiefe, aber auf eine eigentümliche Weise entsteht bei mir einfach wenig Bindung zu dem Buch.


    Verwundert hat mich die Passage, als sich Karl seiner Elsa erinnert. Da wird seine Drogensucht, sein Unglück plötzlich mit seiner starken Liebe zu ihr vermengt. Aus dem bis dahin gelesene konnte ich das nicht herausfiltern. Für mich bleibt Karl ein Schwächling, ein Schmarotzer, der kein eigenes Leben entwickelt und Irina umkreist, weil er sich auf die Weise am leichtesten das Näschen pudern kann. Ich bin hin und hergerissen. Bin auch nur mäßig gespannt auf den Schluss.

  • Zitat

    Original von Luc
    Ich werde nicht glücklich mit dem Roman. Mir scheint die Konstruktion fragwürdig.


    Da möchte ich nochmal genauer nachfragen, Luc. Was meinst du mit Konstruktion? Den Plot des Romans, die Aufteilung in zwei Blöcke Kindheit und frühes Erwachsenenalter?


    Ich finde es übrigens interessant, wie unterschiedlich Karl auf die Leser wirkt. Ich habe ihn nämlich überhaupt nicht als Schwächling empfunden, ganz im Gegenteil. Meiner Meinung nach ist er mehr bei sich als alle anderen. Er nimmt sich und seine Bedürfnisse zurück, um sich um seinen Bruder zu kümmern. Dass ihm das weder gedankt wird, noch ihm gut tut, steht auf einem anderen Blatt.


    Auch dass er bei Irina aushält, sehe ich als Mitleid zu dieser gepeinigten und einsamen Frau und nicht als Bequemlichkeit. Ganz im Gegenteil. Diese Frau auszuhalten, dazu gehört ein gerüttelt Maß an Stoizismus.

  • Schade, dass es in diesem Abschnitt überhaupt nicht mehr um Elsa geht. Ich hatte gehofft, sie würde noch einmal auftauchen.


    Karl tut mir Leid. Im vorherigen Abschnitt habe ich mich noch gewundert, wie gut die Kinder sich alleine erzogen haben. Aber manche Werte fehlen ihnen doch irgendwie. Karl vergeudet sein Leben einfach nur. Sehr schade, aber auch realistisch. Die Langweile allein hätte ihn schon zur "Medezin" treiben können, aber Karl ist auch noch sensibel, unsicher und will zu sehr ein guter Bruder sein.


    Ich bin gespannt auf den letzten Abschnitt, dieser durch Drogen verwirrende Abschnitt hat mir zwar weniger gefallen, war aber spannender als der Anfang und hat Fragen aufgeworfen die mich neugierig gemacht haben. :-)

  • Lorenz versucht sich einen Namen in der Kunstszene zu verschaffen. Er trifft auf viele sehr skurrile Typen. Der Grad zwischen einem unbedeutenden Künstler und einem angesehenen Künstler ist sehr schmal. Durch Zufall schafft Lorenz diesen Sprung. Allerdings ist er jetzt von zwei Frauen abhängig. Karl, der an das Gute im Menschen glaubt, steht hinter seinem Bruder und versucht ihn zu beschützen. Dabei gibt er sich selbst auf. Er verfällt den Drogen, hat keine Zukunftspläne mehr und lebt so in den Tag hinein. Sein körperlicher Zustand wird immer schlimmer. Ich hoffe er bekommt sein Leben doch noch in den Griff. Obwohl die Chancen im Moment wohl sehr schlecht stehen. Schade, dass man von Elsa nichts mehr gehört und gesehen hat.


    Kann mir jemand sagen, was Irina mit den 18 Jahren XY Monaten XY Wochen sagen möchte? Irgendwie stehe ich gerade auf dem Schlauch. :gruebel

  • Zitat

    Original von Vivian
    Kann mir jemand sagen, was Irina mit den 18 Jahren XY Monaten XY Wochen sagen möchte? Irgendwie stehe ich gerade auf dem Schlauch. :gruebel


    Das zählt zu den Dingen, die auch mir leider bis zum Ende unklar blieben... :-(

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Mit dem "Umschwung" in den neuen Erwachsenenabschnitt hatte ich auch so meine Probleme. In der Kunstszene scheint es ja heiß herzugehen. Gut, dass ich damit nicht viel am Hut habe...


    Das Projekt, die Ewigkeit zu malen, fand ich sehr interessant. Auch die Umsetzung von Irina und Vera hat mich fasziniert.


    Doch die Entwicklung der beiden Brüder gefällt mir auch nicht wirklich.

  • Ich habe das Buch heute während meiner Nachtschicht ausgelesen, bin jetzt aber zu müde, um ausführlich zu posten. Für mich bleiben viele Fragen, die in der LR zum Teil angerissen, zum Teil aber auch gar nicht thematisiert wurden. Besteht noch Interesse, weiter darüber zu diskutieren? Da ich einige Ideen, Ansätze im Kopf habe, aber ganz sicher keine fertigen Antworten liefern kann, wäre mir daran gelegen. Bei Bedarf bitte melden, ansonsten werde ich ab Montag, wenn ich wieder Zeit habe, meine Eindrücke in eher groben Zügen beschreiben. Ich fand den Roman übrigens bis zum Ende toll. :-)


    LG harimau :wave

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • @ harimau
    Ich habe deine Beiträge gelesen und ich habe gedanklich mit dem Buch noch nicht abgeschlossen. An einer Diskussion würde ich mit Freude teilnehmen. Lass doch mal deine Ideen hören, ich bin gespannt!


    Lg, Rosha :wave

  • Prima, das freut mich. :-) Wie schon angekündigt, melde ich mich, wenn ich die Nachtdienste hinter mir habe.

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Zitat

    Original von butterflyy
    Also ich persönlich finde, dass der Übergang zwischen Kindheit und Erwachsensein viel zu übertrieben ist. Aus dem netten kleinen (pummeligen) Karl wird ein drogenabhängiger, unsympathischer Kerl.


    Stimmt, man stolpert als Leser aus einer Kindheitsgeschichte unvermittelt ins Erwachsenenleben, aber als Bruch empfinde ich diesen Sprung nicht. Auch Karls Entwicklung scheint mir absolut plausibel - mangelndes Selbstbewusstsein, Orientierungslosigkeit und Aufwachsen in einem schwierigen Umfeld sind gute Voraussetzungen für eine Drogenkarriere.


    Die Darstellung des Kunstbetriebes hat mir nur bedingt gefallen, weil sie wenig originell und übliche Erwartungen erfüllend ausfällt. Mirberg entspricht so perfekt dem gängigen Klischee, dass ich mich gefragt habe, ob die Autorin diese Figur durch Überzeichnung persiflieren wollte. Egal, letztlich dient die ganze Szenerie mMn nur dazu, den Brüdern ungeahnte Möglichkeiten zu bieten, sie in Versuchung zu führen und aufzuzeigen, wie sie darauf reagieren.


    Sehr realistisch dargestellt fand ich die Kokserei. Mir fehlt zwar eigene Erfahrung, aber ich habe vieles wiedergefunden, was ich an anderen Koksern beobachten durfte / musste: Größenwahn, absolute Ichbezogenheit, Realitätsverlust, mangelnde Empathie, das ganze schwer zu ertragende Programm.


    Ist Kokain Karls Ersatzdroge, mit der er den Verlust von Elsa kompensiert oder es zumindest versucht? Macht es ihm die Droge leichter, ohne anzubetende Ikone und das durch sie vermittelte Leitbild auszukommen? Ganz offensichtlich ist Karl noch immer zu schwach, um eigene Ziele zu entwickeln und sich auf sich selbst zu besinnen, zu sich selbst zu finden. Er definiert sich weiterhin vor allem in seinem Verhältnis zu anderen, und dabei kaum jemals gleichberechtigt.


    Nach dem Murmeltier verliert nun auch Mirberg seine Zähne durch die Faust eines Gehörnten. Klingt allerdings wesentlich weniger lustig als die amourösen Eskapaden des großen Geschichtenerzählers.


    Was ist das dritte Ende, von dem Irina zum Schluss dieses Abschnitts spricht? Gnade? Für Lorenz und Mirberg, von ihr gewährt? Aber in welcher Form? So wie sie einer verletzten Graugans widerfährt, Loyalität bis zur Rettung oder zum Tod?


    Apropos Graugans: Irina verändert ihre Einstellung zu Kapitel 6 mit der Zeit. Zuerst ärgert sie das Verhalten der Tiere, vermutlich weil sie (oder ganz eventuell ihre Mutter? Eher nicht) einst in einer "Andromeda-Situation" alleingelassen wurde. Sie ordert Foie gras, um sie für ihre Loyalität / Gnade zu bestrafen. Später bewundert sie deren Verhalten, isst keine Stopfleber mehr, wie sie insgesamt weniger zerstörerisch auftritt.


    Hat jemand verstanden, welchen Sinn das Gleichnis (?) mit den heimlich gepflanzten Kartoffeln haben soll? :gruebel

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • Zitat

    Original von harimau
    Hat jemand verstanden, welchen Sinn das Gleichnis (?) mit den heimlich gepflanzten Kartoffeln haben soll? :gruebel


    Ein Akt der Auflehnung? Godot'sches Weltbild: etwas Sinnlosem mit anderem Sinnlosen begegnen, um den Sinn darin zu generieren, dass man sich solidarisch zusammenschließt, die Gemeinschaft zelebriert?

  • Endlich bin ich dazu gekommen weiterzulesen. Es tut mir leid, aber private Probleme haben mich davon abgehalten und ich möchte einfach nun weitermachen.


    Für mich ist der Wechsel von der Kindheit zur Welt der Erwachsenen ziemlich heftig. Zunächst habe ich noch gedacht Karl wird es im Leben richtig gut machen. Das Abi in der Tasche und die Aussicht auf einen guten Studienplatz, doch dann stürzt er so ab. Eigentlich ist ja nur der Bruder, den er unterstützen möchte der Auslöser, aber musste es soweit kommen? Er lebt nur für seine Medizin und ist nicht mehr er selbst. Allerdings durchschaut er schneller als Lorenz das Spiel, dass die beiden Damen mit dem Bruder spielen. Mal sehen zu welchem Ende das führen wird.


    Irgendwie reißt mich die Handlung nicht wirklich mit. Ich finde das alles zu verworren, die Künstlerszene ist mir ohnehin fremd.


    Und wird Elsa noch einmal auftauchen oder bleibt sie nur das Ungeheuer in Karls Kopf, welches ungeheuerliches erfahren und erleiden musste?


  • :write :write :write
    Das empfinde ich alles ganz genauso.


    Ich habe nach diesem Abschnitt das Lesen nicht unterbrochen, sondern das Buch zu Ende gelesen. Ich musste wissen, ob Karl, Lorenz und auch Elsa wenigstens ein kleines bisschen Seelenfrieden finden.


    Den Moment als Karl zum ersten Mal kokst, fand ich unglaublich traurig.
    Er ist innerlich so zerrissen. Einerseits gibt es sich dem Rausch hin, andererseits steckt ihn ihm immer noch der gute Kerl, der versucht den Menschen Trost zu spenden.
    Dieses ganze Kapitel ist voll innerer Kämpfe der Figuren. Das Lesen kostet mich hier viel Kraft.


    Am Anfang des Abschnittes hatte ich das erst Mal eine Ahnung, was Astrid Rosenfeld uns vielleicht mit Hund und Wolf sagen möchte. Mirberg wirkt hier auf mich wie das böse Spiegelbild vom Murmeltier. Während Letzterer die Frauen verehrt hat, nutzt Mirberg sie aus. Das Murmeltier war ein selbstloser Mensch, der immer für andere da war (der Hund), Mirberg ist das genaue Gegenteil (der Wolf). Und Karl hängt irgendwo dazwischen.
    Diese Metapher zu Hund und Wolf wird im weiteren Verlauf dieses und vor allem des nächsten Abschnitts immer deutlicher, finde ich.


    Das grausamme Spiel, das Vera und Irina nun mit allen Spielen, fand ich sehr bedrückend. Ich habe Karls "Gefühls-Achterbahn" auch in diesem Kapitel geteilt, allerdings habe ich das noch intensiver empfunden als die Zeit seiner Kindheit.

  • Das Buch rüttelt und schüttelt mich durch. Es berührt mich wie schon lange kein Buch mehr.
    Das Hauptmotiv in diesem Abschnitt ist für mich immer noch das "Hund-Wolf-Motiv". Mich erinnert Karls Leben an dieses Spiel im Bereich optische Täuschungen, bei dem auf einer Karte auf jeder Seite ein anderes Motiv ist, und man es dann ganz schnell durch ein Gummiband routieren lässt. Die Motive verschwimmen miteinander. So kommt mir Karls Innenleben vor. Duch das Koks weiß man manchmal gar nicht, wer er eigentlich ist. Hund oder Wolf? Wolf oder Hund? Und geht das eine Dasein ohne das andere? Gibt es einen Ausweg, eine grüne Mütze für Karl?


    Lorenz ist den Verlockungen der Frauen ganz verfallen. Ich bin mir sicher, dass er das sein Lebenswerk noch teuer bezahlen muss.


    Rosenfeld schafft es wirklich, die Sätze dieses Buches in einem Meer von Traurigkeit schwimmen zu lassen und trotzdem bleibt man beim Lesen immer an der Oberfläche.


    Ich bin sehr gespannt, ob die Brüder weiter füreinander da sind. Karl ist für mich der stärkere von beiden, der es immerhin im kleinen schafft, auch einmal zu rebellieren (siehe Kartoffelaktion), Lorenz hat mehr Zorn in sich, der nicht unbedingt produktiv ist.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin