Matthew Dicks: Der beste Freund, den man sich denken kann
Bloomsbury 2013. 448 Seiten
ISBN-13: 978-3827011404. 19,99€
Originaltitel: Memoirs of a Imaginary Friend
Übersetzerin: Cornelia C. Walter
Verlagstext
Budo ist ein imaginärer Freund – kein leichter Job, ist er doch ausgerechnet der imaginäre Freund von Max. Und der hat massenhaft Probleme. Mit den Eltern, in der Schule und vor allem mit sich selbst. Ein außergewöhnlicher Roman mit einem einzigartigen Erzähler, der uns daran erinnert, was es heißt, ein Freund zu sein. Budo ist der beste Freund, den sich der achtjährige Max vorstellen kann. Eben weil er sich ihn nur vorstellt. Doch eines Tages wird Max nicht länger an ihn glauben und Budo wird aufhören zu existieren. So weit ist es jedoch noch nicht. Denn Max ist anders als die anderen Jungen: Er mag es nicht, wenn man ihn berührt, er liebt es, Dinge zu ordnen, er schaut Menschen ungern in die Augen. Kein Wunder, dass die Schule ein einziger Spießrutenlauf für ihn ist. Als die Lehrerin Mrs Patterson ein verdächtiges Interesse an Max bekundet, spitzt sich die Situation jedoch zu, so dass Budo eine dramatische Entscheidung treffen muss. Klug, schräg, spannend und oft umwerfend komisch erzählt Matthew Dicks davon, dass man beileibe nicht echt sein muss, um ein wahrer Freund zu sein.
Der Autor
Mattew Dicks hat am Trinity College in Hartford, Connecticut, studiert und arbeitet als Grundschullehrer. Auf Deutsch erschienen bisher Der gute Dieb (2009) und 99 Sommersprossen (2010). Er lebt mit seiner Frau, zwei Kindern, einem Hund und einer Katze in Newington, Connecticut.
Inhalt
Max beschäftigt sich lieber mit Dingen als mit Menschen und flippt völlig aus, wenn seine gewohnten Strukturen nicht peinlich eingehalten werden. Der Drittklässler leidet offenbar an einer Form von Autismus. Erzählt wird der Roman aus der Sicht von Budo, Max bestem Freund, den er allein sehen kann. Budo hat als imaginärer Freund nur Merkmale erhalten, die Max sich für ihn ausgedacht hat. Imaginäre Spielkameraden sitzen bei vielen Familien mit Kindern im Kindergartenalter mit am Tisch und verschwinden eines Tages wieder. Eine imaginäre Gestalt mit eigener Gedanken- und Gefühlswelt und eine umfangreiche Nebenkultur, in der diese Fantasiegestalten miteinander kommunizieren, war mir dagegen neu. Da Budo allein Max' Geschöpf ist, kann er theoretisch nur wissen, was er durch seinen Erfinder bisher erfahren hat. Budo kann durch geschlossene Türen gehen (durch Türen passieren, wird das im Buch genannt), strolcht in Max Schule frei herum und sieht mit dem Neunjährigen zusammen fern, so dass Budos soziale Fähigkeiten bereits weiter entwickelt sind als bei einem Grundschüler. Budo sinniert z. B. über den Tod, über Zuneigung, Groll und Lüge. Zu Budos kleinen Fluchten gehören regelmäßige Ausflüge zur Tankstelle, die seiner Menschenkenntnis ständig Nachschub bescheren. Aktuell beobachtet Budo die Auseinandersetzung von Max Eltern darüber, ob und wie Max schnellere Fortschritte bei seiner speziellen Förderung machen könnte. Budo urteilt über die Schwächen Erwachsener offenbar messerscharf. Besonders gelungen finde ich Budos Urteile über die Lehrer an Max Schule. Es gibt aus seiner Sicht Lehrer mit Leib und Seele und andere, die ihren Beruf nur spielen.
Ein Imaginärer bei Max zu sein, stelle ich mir als undankbare Aufgaber vor, denn Max beachtet sein Geschöpf nur, wenn er dessen Zuwendung braucht. Budo ist überzeugt davon, dass sein Leben an das von Max gekoppelt ist und er Max darum im eigenen Interesse stets beschützen sollte. Das imaginäre Wesen vertritt die Meinung, dass ein imaginärer Freund gut für Max ist. Ein Therapeut dagegen würde seinen Klienten evtl. überzeugen wollen, dass er ebenso gut ohne den Unsichtbaren auskommen könnte. Budo existiert zwar in vielen Bereichen unabhängig von Max, allerdings mit einer entscheidenden Einschränkung. Die körperlose Phantasiefigur kann nicht ins reale Leben eingreifen, falls etwas schiefläuft und er kann mit anderen Menschen außer Max nicht kommunizieren. Als Max tatsächlich in eine (selbst für ein nicht behindertes Kind) gefährliche Situation gerät, aus der er sich durch seine Behinderung nicht selbst befreien kann, muss Budo mit seinen Mitteln eine Verknüpfung der realen und der imaginären Welt herbeiführen.
Fazit
Max gefährliches Abenteuer fand ich reichlich verstörend und mir fiel nicht leicht, die Motive der daran beteiligten Gegenpartei zu akzeptieren. Dennoch besteht Hoffnung, dass Max durch seine Erlebnisse mit Budo in Zukunft weniger abhängig von seinen Betreuern sein wird.
Matthew Dicks, der selbst Lehrer ist, hat sich vom imaginären Freund seiner eigenen Kindheit zu diesem Roman anregen lassen. Mit einigem zeitlichen Abstand zu anderen gelesenen Büchern mit autistischen Probanden empfehle ich „Der beste Freund, den man sich denken kann“ wegen der einfühlsamen Darstellung eines Autisten allen mit Interesse an Kindheitsgeschichten.
9 von 10 Punkten