Elsa ungeheuer - Astrid Rosenfeld

  • Mit "Elsa ungeheuer" ist Astrid Rosenfeld ein ebenso kluger wie ergreifender Roman gelungen. Angesiedelt in einem Dorf in der Oberpfalz, bevölkert von einer Vielzahl verschrobener, tragischer, dabei origineller und oftmals amüsanter Figuren, entwickelt sich im ersten Teil die Geschichte des kleinen Jungen Karl, fokussiert auf die komplizierte Beziehung zu seinem Bruder Lorenz und der Namensgeberin des Romans, dem eigenwilligen Mädchen Elsa.


    Anfangs von eher alterstypischen Sorgen eines Neunjährigen in einem zugegebenermaßen schwierigen Umfeld geprägt, erhält die Erzählung etwa ab der Mitte des Buches eine neue, dramatische Dimension, die nicht nur das bisher Geschehene in ein beängstigendes Licht rückt, sondern auch den weiteren Lebenslauf des Protagonisten entscheidend beeinflusst.


    Der im ersten Teil angelegte Konflikt entwickelt sich im zweiten zu voller Blüte, als Karl, nun ein junger Mann, gequält von Fragen nach Schuld und eigener Unzulänglichkeit, den Boden unter den Füßen und immer stärker auch sich selbst verliert. Ohne eigene Initiative, mehr zufällig in die von Eitelkeit, Drogen und menschlicher Grausamkeit gekennzeichnete Welt der Künstler, Galeristen und Mäzene geschleudert, schlägt es Karl als Spielball stärkerer Mächte hin und her, bis er sich zum Ende auf den Kern seiner Probleme besinnt und versucht, in der Konfrontation mit der Vergangenheit endlich - und erstmals - seine Selbstbestimmung zu gewinnen.


    Von mir gibt es zehn Punkte für dieses bei allem Tiefgang leicht und pointiert geschriebene kleine Meisterwerk.


    LG harimau :wave

    "Lieber losrennen und sich verirren. Lieber verglühen, lieber tausend Mal Angst haben, als sterben müssen nach einem aufgeräumten, lauwarmen Leben"

    Andreas Altmann

  • „Elsa ungeheuer“ wird aus der Perspektive von Karl erzählt, der zu Beginn der Handlung ein Junge von acht Jahren ist. Er lebt gemeinsam mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Lorenz, dem Vater Randolph Brauer, der Haushälterin Frau Kratzler und einem langjährigen Gast, Herrn Murmelstein, auf einem Bauernhof mit Pension in einem kleinen Dorf. Die Mutter hat sich das Leben durch einen Sprung vom Balkon genommen und seit dieser Zeit spricht der Vater der Jungen regelmäßig dem Alkohol zu. Karl und Lorenz haben es also nicht ganz leicht im Leben und sind um jede Abwechslung froh. Zu ihrem Alltag gehören die abendlichen, etwas gewöhnungsbedürftigen Erzählungen des Herrn Murmelstein, der von den Kindern liebevoll Murmeltier genannt wird. Aufregend wird es, als Elsa im Dorf auftaucht. Elsa wird von ihrer Mutter einfach bei einem Onkel abgeliefert, damit die Mutter eine geplante Weltreise unternehmen kann. Elsa ist elf, wortgewandt, frech und trägt ausgefallene Kleidung. Karl ist von ihr fasziniert und diese Faszination wird ihn sein Leben lang begleiten.


    Elsa ist auch nicht vergessen als Karl und Lorenz längst erwachsen sind und Karl seinem Bruder nach Düsseldorf folgt, wo Lorenz sein Glück an der Kunstakademie sucht. Ein prägendes Kindheitserlebnis hat Lorenz dorthin geführt, aber die Kunstszene ist etwas ganz Besonderes und dieses außergewöhnliche Ambiente fängt die Autorin Astrid Rosenfeld in der zweiten Hälfte ihres Romans auch wirklich perfekt ein.


    Die zwei unterschiedlichen Buchhälften, einmal Kindheit und einmal Erwachsenenwelt von Karl und Lorenz, sind beide auf ihre Art irgendwie schräg und total verrückt und passen doch perfekt zueinander. Hier sind zwei junge Menschen, deren weiterer Weg in der Kindheit geprägt wird. Eigentlich sind es sogar drei junge Menschen, denn Elsa beeinflusst zwar das Leben von Karl und Lorenz, aber ihre Jugend im Dorf ist auch sehr deutlich mit ihrem eigenen Lebensweg verknüpft.


    Astrid Rosenfelds Sprache ist manchmal sehr direkt, manchmal aber auch versteckt die Autorin Andeutungen auf bestimmte Dinge einfach irgendwo und der Leser entdeckt den Zusammenhang erst später. Die Geschichte hat in mir sehr unterschiedliche Empfindungen geweckt. Stellenweise oder besser gesagt relativ oft habe ich die Szenerie als abstoßend betrachtet und dennoch hat sie eine gewisse Faszination auf mich ausgeübt. Die Künstlerwelt ist mir dabei allerdings genauso fremd geblieben wie das Dorf und seine Bewohner.


    Dieses Buch und auch Elsa selbst sind einfach ungeheuerlich. Aber in diesem Roman gibt es ganz sicher noch mehr Ungeheuer und auch noch viel mehr ungeheuerliche Dinge zu entdecken.

  • Ich blättere gerade in der Diogenes-Ausgabe Herbst/Winter 2014/2015 -


    Zum 29. Oktober 2014 kommt ein neues Buch heraus:


    Sing mir ein Lied: 9872 Meilen und eine Geschichte
    Hardcover Leinen, 192 Seiten


    ›On the road‹ quer durch die USA: Die Autorin Astrid Rosenfeld und der Fotograf Johannes Paul Spengler fahren mit dem Auto von der Ost- bis zur Westküste, Notizbuch und Fotokamera im Anschlag. Bilder, Landschaften, Menschen, Erlebtes und Erfundenes verbinden sich zu einem vielstimmigen Lied – ein Liebeslied aufs Unterwegssein, auf das Glück der Begegnung und das Leben vor dem Tod.


    Mehr zum Inhalt


    Ein lauter Knall – und der Mercedes 300 Turbo Diesel, mit dem die Autorin Astrid Rosenfeld und der Fotograf Johannes Paul Spengler von New York nach San Francisco fahren wollten, wird noch in Manhattan von einem anderen Fahrzeug gerammt. Totalschaden. ›Unkaputtbar‹ sei der Mercedes, hatte der Gebrauchtwagenhändler zu ihnen gesagt, und perfekt in Schuss, nur einen Vorbesitzer habe er gehabt. Im Handschuhfach lag noch dessen Eau de Toilette, und Astrid Rosenfeld tauft den Unbekannten in Gedanken Frankie. Und dann beginnt die Reise. Nicht mit Frankies Wagen, aber mit seinem Geist und seiner Geschichte im Gepäck. Ein abenteuerlicher Trip über Georgia, Florida, Louisiana, Missis sippi, Tennessee und Texas bis nach Kalifornien, voller verrückter, absurder und herzzerreißender Begegnungen.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)