Nachtauge - Titus Müller

  • Nach der Lesung in Soest habe ich das Buch innerhalb kürzester Zeit verschlungen und das ist für mich als Langsamleser schon bemerkenswert.


    Den Ausgang der Geschichte kennt hier am Möhnesee jedes Kind seit der Grundschule und da lernt man auch, wie viele Rollbomben es brauchte, um den entscheidenden Treffer zu erzielen. Trotzdem ist das Buch unglaublich spannend geschrieben und das liegt an der lebhaften und sehr schönen Erzählweise von Titus Müller. Man taucht unversehens ein in die Geschichte und wird in die 40er Jahre des letzten Jahrhunderts katapultiert. Da nützt es auch nichts, wenn man das Buch im Sonnenschein auf der Terrasse mit Blick auf den See liest. Die Geschichte wird unglaublich lebendig durch die sehr gelungen gezeichneten Figuren und die Schilderung der unterschiedlichen Charaktere.


    Rundherum erfährt man sehr viele Details aus der Spionagegeschichte, dem Alltagsleben und der kleinen Dinge rund um den Roman, wie die Erfindung der Fanta als Antwort auf die beliebte Cola des Kriegsgegners.


    Eine Frage hat mich beim Lesen nicht losgelassen: Gab es die Witze aus den Streichholzschachteln wirklich?


    Mir hat das Buch unglaublich gut gefallen und ich kann es nur wärmstens weiterempfehlen. 10 von 10 Eulenpunkten!

  • "Nachtauge" ist eine deutsche Spionin in London während des Zweiten Weltkriegs. Bisher hat sich der britische Geheimdienst an ihr die Zähne ausgebissen, doch dem jungen Agenten Eric Knowlden gelingt es schließlich, sich auf ihre Fährte zu setzen. Denn offensichtlich ist Nachtauge einer großen Sache auf der Spur, deren Weitergabe an die Deutschen eventuell kriegsentscheidend sein könnte. Eric arbeitet nicht nur gegen eine skrupellose Feindin, sondern auch gegen die Zeit!


    Parallel zu der spannenden Hetzjagd in Großbritannien wird eine ungewöhnliche Liebesgeschichte in Deutschland erzählt. Georg ist ein nazikritischer ehemaliger Lehrer, der sich von seinem Schwager auf einen kriegswichtigen Posten hat setzen lassen, um der Einberufung zu entgehen und nun ein Lager voller osteuropäischer Zwangsarbeiterinnen leitet. Als die hübsche und intelligente Ukrainerin Nadjeschka ins Lager kommt, fühlt er sich zu ihr hingezogen und auch sie entwickelt nach anfänglicher Skepsis Gefühle für den feinfühligen Mann. Doch eine Liebe wie ihre ist in diesen Zeiten ein Unding, Rassenschande, auf die als Strafe das Konzentrationslager oder gleich der Tod steht. Dennoch gehen die beiden, insbesondere Georg, mit einer erstaunlichen Naivität vor, bei der man als Leser schnell fürchtet, dass das kein gutes Ende nehmen kann.


    Die Verbindung der beiden Handlungsstränge liegt in der Möhnetalsperre, in deren unmittelbarer Nähe sich Georgs Heimatort Neheim und das Lager befinden, und der Operation Chastise, in der die Briten im Mai 1943 die Talsperren angegriffen haben, um die deutsche Rüstungsindustrie zu schwächen.


    Beide Handlungsstränge beruhen auf historischen Tatsachen und der Autor verknüpft diese Gegebenheiten äußerst geschickt mit seinen fiktiven Geschichten. Die unglaubliche Liebesgeschichte hat ein reales Vorbild, wie der Autor im Nachwort schildert, die Spionin Nachtauge entspringt hingegen seiner Phantasie.


    Sehr gut beschrieben fand ich die Umstände der damaligen Zeit. Durch diverse Nebenfiguren bekommt man als Leser einen tiefen Einblick die die Gedanken der Menschen damals, sowohl der überzeugen Nationalsozialisten als auch deren Gegner. Obwohl vieles sicherlich als bekannt vorausgesetzt werden kann, waren es für mich gerade diese kleinen Einblicke, die die Geschichte so persönlich und fesselnd machen!

  • Titus Müller erzählt zwei Geschichten, die während des 2. Weltkriegs spielen und am Ende zusammenlaufen. Ausgezeichnet gefallen hat mir, wie spürbar unterschiedlich die Stimmung in den einzelnen Handlungssträngen ist. Wobei mir der Erzählstrang, der in England spielt, etwas zu kurz kam, was aber an meiner Vorliebe für Krimis und Thriller und weniger für historische Romane liegen mag.
    In dieser Mischung aus Spionageroman, historischem Roman und Liebesroman, der auf wahren Tatsachen beruht und an deren Ende die packend beschriebene Bombardierung einer deutschen Talsperre durch britische Kampfflieger steht, sind die Figuren hervorragend ausgearbeitet, ihre Handlungen immer nachvollziehbar.


    Titus Müller hat mich berührt durch seine eindringlichen Schilderungen der menschlichen Schicksale. Für mich ein interessantes Leseerlebnis, eine Geschichte, die ich so nicht erwartet hatte, mit sehr lebendigen Protagonisten.