Julia Timoschenko: Die autorisierte Biografie- Dmitri Popov, Ilia Milstein

  • 316 Seiten
    ISBN- 13: 978-3-868-81362-3


    Kurzbeschreibung:


    Erscheinungstermin: 14. Juni 2012


    Bundeskanzlerin Merkel kritisiert die rechtsstaatliche Lage in der Ukraine. Bundespräsident Gauck sagt seine diplomatische Reise ab. Außenminister Westerwelle bietet medizinische Hilfe an: Es ist eine zarte, abgemagerte Frau, um die sich ganz Europa sorgt. Julia Timoschenko verkörpert den unerschütterlichen Willen, gegen die postsozialistische Staatsmacht anzukämpfen. Wer ist diese Frau, die als Ministerpräsidentin die Geschicke der Ukraine gelenkt hat und nun als politische Gefangene weggesperrt wird? Diese autorisierte Biografie zeigt das Leben und den Weg von Timoschenko als Galionsfigur der Orangenen Revolution, als Regierungschefin der Ukraine, ihr Sturz und ihre Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe. Zugleich ist ihre Geschichte aber auch die ihres Heimatlandes, die auf dem Weg zur eigenen Identität und Souveränität nur mühsam vorankommt. Willensstark, unbeugsam, stolz, das ist ‚die eiserne Julia’. Selbst das jüngste Kapitel, der Hungerstreik hinter Gittern, legt Zeugnis ab von einer charismatischen Frau, deren Charakter Hoffnungsträger einer ganzen Region ist. Die Autoren Dmitri Popov und Ilia Milstein haben ihre Geschichte in vielen persönlichen Gesprächen mit Julia Timoschenko aufgezeichnet. Ihr Buch ist ein ergreifendes Dokument von Timoschenkos Unschuld und ein Ruf nach mehr Freiheit für die Ukraine.


    Meine Meinung:


    Die Bewertung eines Buches hängt immer von der Erwartungshaltung ab, mit der der Leser es beginnt. Nach dem Lesen des Buchrückentextes war meine Erwartungshaltung denkbar gering- ich ging von einer Propagandageschichte pro Julia Timoschenko aus- bei einem Text "Die wahre Geschichte einer politischen Gefangenen". Diese geringe Erwartung wurde aber weit übertroffen. Das Buch enthält durchaus eine interessante Darstellung der Gesellschaft in der Ukraine als Beispiel eines Staates des ehemaligen Sowjetreiches und der Entwicklung kurz vor, während und nach dem Zusammenbruch des Kommunissmus. Die Geschichte der Person Julia Timoschenko wird im Zusammenhang mit dem Zerfall des Systems und dem Aufstieg der Oligarchen gebracht und gezeigt, dass die erste Million etwas ist, nach dem man besser niemand fragt. Auch der Kampf der ehemaligen Weggefährten gegeneinander, der Erfahrungssatz "Die Revolution frisst ihre Kinder" finden im Leben der Julia Timoschenko ihren Spiegelreflex. Das Buch endet kurz vor der Fußballeuropameisterschaft in der Ukraine 2012, ein Ereignis, das Julia Timoschenko und ihr Schicksal in das Licht der europäischen Öffentlichkeit brachte. Wie es ihr heute geht, interessiert nicht mehr, es werden längst andere Säue durchs Dorf getrieben. Nicht nur in dieser Beziehung zeigt das Buch auch viel über unsere Wahrnehmung der aktuellen Geschichte aus Ländern Osteuropas wie der Ukraine. Wenn da nicht ein Klitschko kandidiert hätte, wäre von der letzten Wahl gar nicht berichtet worden. Das Buch hat mich sehr nachdenklich zurückgelassen, da ich mir selbt vorwerfen muss, viel zu wenig über diese Nachbarn im Osten zu wissen. Ein klein wenig mehr kenne ich nun, weshalb ich das Buch durchaus empfehle.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend Das Dritte Licht Claire Keegan :lesend Kirk A. Denton The Columbia Companion to modern Chinese Literature

  • Das klingt sehr interessant. Aber "autorisiert" bedeutet für mich eigentlich in diesem Falle erstmal "beschönigt". Wenn du sinngemäß schreibst, die Biographie würde auch mit der Anfangszeit kritisch umgehen, ist das beachtenswert. Wird denn auch etwas zu den Mordvorwürfen gesagt? Wie bewertet man dort die Ereignisse um den Auftragsmord auf dem Donezker Flughafen 1996?

  • Das Buch endet kurz vor der Europameisterschaft 2012. Die Vorwürfe und die Geschichte spielen daher keine Rolle. Das wird ihr erst seit 2013 unterstellt.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend Das Dritte Licht Claire Keegan :lesend Kirk A. Denton The Columbia Companion to modern Chinese Literature

  • Okay, vielleicht offiziell. Ich habe eine Kollegin, die aus der Ukraine stammt. Das Land ist ja innerlich zerrissen in die russische Seite hinter Janukowitsch und die westliche, den Unterstützern der orangefarben Revolution, die einst von Juschtschenko und Timoschenko geführt wurde. Meine Kollegin ist zwar eine eifrige Unsterstützerin der pro-westlichen Seite, Frau Timoschenko ist allerdings selbst ihr suspekt. Deren schneller Aufstieg von einer Videotheks-Betreiberin zur Multimillionärin wirft Fragen auf und ich zweifle, dass das Buch die wahren Antworten darauf hat. In der Ukraine wird diese Morgeschichte übrigens schon länger diskutiert. Aber auf jeden Fall eine sehr interessante Persönlichkeit, über die es sich sicher lohnt, ein Buch zu schreiben. Und ich schau da bestimmt mal rein. :wave

  • Natürlich ist diese Biographie nicht gänzlich objektiv. Das ist bei Biographien in den seltensten Fällen so. Gut diese hier ist etwas sehr schwarz weiß gemalt, dennoch fand ich sie zu Erlangung von einem gewissen Hintergrundwissen und Informationen durchaus gut. Überrascht hat mich vor allem die gute Lesbarkeit und das Interesse, das der Autor bei mir zu wecken vermochte. Sicherlich muß man ein solches Werk mit der nötigen Skepsis angehen, aber ich denke, ich traue mir zu filtern zu können und selbst zu entscheiden, was ich glauben möchte und was nicht.


    Selten bin ich übrigens morgens in der Bahn so oft auf ein Buch angesprochen worden und gefragt worden, ob es sich gut liest und ob es interessant ist oder nicht. Die Ukraine scheint hier zumindest in der Deutschen Bahn morgens um 07:00 interessanter und mehr ein Thema zu sein, als ich bisher dachte.


    Leider ist es so, daß das Buch mittlerweile nicht mehr gänzlich aktuell ist, die Ereignisse haben die Biographie überholt und wichtige Ereignisse im Leben von Julia Timoschenko finden keine Erwähnung, weil sie einfach nach Erscheinen des Buches geschahen.


    Für mich war es dennoch eine sehr spannende und interessante Lektüre, wenn mir auch durchaus klar ist, daß die Texte durchaus ein wenig weichgespült und schöngefärbt sind.
    Ich fand es lesenswert.