Bernhard Kegel: Tiere in der Stadt. Eine Naturgeschichte
Dumont Buchverlag 2013. 477 Seiten
ISBN-13: 978-3832197186. 22€
Verlagstext
Graureiher jagen neben einer Berliner U-Bahn-Station, Füchse dösen im Kölner Klingelpützpark in der Sonne, und vom Aussterben bedrohte Graukopf-Flughunde hängen in den Bäumen nahe der Oper von Sydney. Unübersehbar drängt die Wildnis in die Städte, ehemals scheue Tierarten werden Teil der Stadtnatur. Dabei findet sich zwischen Stein, Beton und Asphalt eine erstaunliche Vielfalt der Arten. Nirgendwo lassen sich so viele heimische Vogelarten (mehr als 150) auf so kleiner Fläche beobachten wie in Berlin schon gar nicht in der viel gerühmten, aber intensiv genutzten freien Natur. Wie ist das zu erklären? Sind unsere Städte zu Oasen aufgeblüht, während das Land ringsherum zur Agrarwüste verkommt? Was sagt diese Vielfalt über die Qualität der Lebensräume in Stadt und Land aus? Was müssen Tiere mitbringen und wie müssen sie sich verändern, um in unserer Nachbarschaft überleben zu können? Und wie beeinflussen diese Begegnungen unseren Umgang mit der Natur? Mit eindrucksvollen, höchst anschaulich erzählten Geschichten nimmt uns Bernhard Kegel mit auf Forschungsreise in die Stadtnatur und öffnet unsere Augen für die Wildnis vor unserer Haustür.
Der Autor
Bernhard Kegel, geboren 1953 in Berlin, studierte Chemie und Biologie an der Freien Universität Berlin, danach Forschungstätigkeit, Arbeit als ökologischer Gutachter und Lehrbeauftragter. Er ist Gitarrist in diversen Berliner Jazzbands. Seit 1993 veröffentlichte Bernhard Kegel mehrere Romane und Sachbücher, bei DuMont erschien zuletzt das Sachbuch ›Epigenetik‹ (2009). Bernhard Kegels Bücher wurden mit mehreren Publizistikpreisen ausgezeichnet.
Inhalt
Als mir zum ersten Mal in einer deutschen Großstadt ein frei lebender Halsbandsittich entgegen flatterte, konnte ich mir noch nicht vorstellen, dass aus anderen Klimazonen eingewanderte Tiere in Deutschland überleben würden. Mit aus dem Ausland zugewanderten Pflanzen und Tieren, sowie Umsiedlern aus dem Umland der Städte befasst sich Bernhard Kegel in seiner Naturgeschichte der Stadt. Als gebürtigen Berliner, der als Kind auf Trümmergrundstücken und verwilderten Brachflächen spielte, hat die noch junge Wissenschaft der Stadtökologie den gelernten Biologen besonders interessiert. Kegel, der sich sehr belesen darin zeigt, wie die Belletristik Fuchs und Hase darstellt, referiert zum Thema Wildtiere in der Stadt Forschungsergebnisse aus diversen Ländern. Als Leser wird man zukünftig die Stadt Warschau mit anderen Augen betrachten, als außergewöhnlich umfassend erforschten Lebensraum für Tiere. Vom Kindchen-Schema (vierbeinig, Fell, runde Augen) muss sich der Leser bereits in Kegels ersten Kapiteln verabschieden. Zunächst geht es um wenig kuschelige Tiere mit sechs oder acht Beinen, Parasiten, die Mensch und Tier auf der Pelle hocken. Doch wer die wenig putzige Kegelsche Floh- und Milbeninvasion im Buch überstanden hat, kann anschließend in seine fesselnde Betrachtung der Stadt als urbane Wärmeinsel abtauchen. Man erfährt von den Wegen, die Pionierorganismen gern für die Zuwanderung nutzen, welche Lebewesen besonders vom menschlichen Wunsch nach langweiligen Zierrasenflächen profitieren und welche Flächen schnell von Neophyten besiedelt werden. Vögel haben eine Lobby unter Menschen und ihre Verbreitung ist darum sorgfältig kartiert und erforscht. Am Beispiel der Vögel unternimmt der Autor eine interessante Exkursion bis in die Zeit zurück als der Anblick von Greifvögeln Stadtbewohnern sehr viel vertrauter war als in der Gegenwart und als Menschen Schlangen in ihrer unmittelbaren Umgebung duldeten, da sie Haus und Garten mäusefrei hielten. Faszinierend fand ich Kegels Blick auf Kriege, Großfeuer und andere Katastrophen, die durch die Verwüstung Platz für eine Neubesiedlung durch Pflanzen und Tiere schaffen. Zur Belohnung für die, die bis hierhin durchgehalten haben, folgen nun Einblicke in das Leben des ordinären Großstadtfuchses. Von einigen liebgewonnen Schlüssen muss man sich als Kegel-Leser verabschieden. Ökosysteme funktionieren längst nicht so simpel wie die verbreitete Erklärung: Katzen jagen Singvögel, also sind Katzen die Ursache für den Rückgang städtischer Vogelpopulationen.
Fazit
Bernhard Kegel hat mit seinen Krimis gezeigt, dass er ein breites Publikum unterhalten kann. Seine Naturgeschichte der Stadt ist mit Humor verfasst und geprägt vom Aufwachsen des Autors im Berlin der Nachkriegszeit. Kegel macht die eingeschränkte Sicht deutlich, mit der wir unsere tierischen Mitbewohner oft bewerten und bietet seinen Lesern einen ungewohnt breiten Blickwinkel auf ökologische Zusammenhänge.
9 von 10 Punkten