"Die Godin" von Robert Hültner (Erstveröffentlichung 1997)
Klappentext:
Wegen mangelnden Respekts gegenüber der bayerischen Obrigkeit wird Inspektor Kajetan aus dem Polizeidienst entlassen. Er ermittelt fortan auf eigene Faust. Als eine Prostituierte ermordet wird, lässt der Fall ihm keine Ruhe, hatte er sich doch erst vor kurzem in die junge Frau verliebt. Die Spur führt zunächst ins zwielichtige Nachtclubmilieu. Bald wird Kajetan in einen gefährlichen Sumpf von Korruption und Waffenschieberei hineingezogen. Schritt für Schritt nähert er sich einer schrecklichen Wahrheit.
Der Autor:
Robert Hültner wurde 1950 in Inzell geboren. Er lebt als freier Autor in München und in einem Bergdorf in den südfranzösischen Cevennen. Bevor er sich dem Schreiben zuwandte, war er Schriftsetzer, dann Regieassistent und zog mit einem Wanderkino durch die Dörfer. Hültner ist vielfacher Deutscher-Krimipreis-Träger, Glauser-Preisträger, Theater- und Drehbuchautor (u.a. für den Tatort).
Meine Meinung:
Ich habe "Die Godin" als Teil eines Doppelbandes gelesen und die Geschichte knüpft auch ziemlich direkt an "Walching" an. Allerdings ist der Klappentext ziemlich irreführend, denn in dem Buch geht es gar nicht hauptsächlich um die Aufklärung eines Mordes und auch die Godin selber spielt zwar eine wichtige Rolle, kommt aber erst ganz am Schluss ins Spiel. Das hat bei mir auch zu einiger Verwirrung geführt, denn es taucht auch immer wieder eine "Gotti" auf und ich habe mich lange Zeit gefragt, ob das vielleicht die Godin sein soll.
Gut die Hälfte der Geschichte dreht sich zunächst um Ex-Inspektor Kajetan, der infolge seiner eigenmächtigen Aufklärung des Mordfalls in "Walching" unehrenhaft aus dem Polizeidienst entlassen worden ist und nun mehr oder weniger mittellos im München der Zwanziger Jahre ums Überleben kämpft. Das alles ist durchaus spannend geschildert, die politische Unsicherheit, die Not der Menschen infolge der hohen Arbeitslosigkeit, die Wohnverhältnisse etc. Auch Kajetan sucht verzweifelt einen Job und gerät dabei ins Nachtclubmilieu, wo er gegen seinen Willen auch mit Korruption und zwielichtigen Waffengeschäften in Berührung kommt. Er verliebt sich in eine junge Prostituierte, die plötzlich an einer Überdosis Kokain verstirbt. Offiziell wird ihr Tod als Selbstmord deklariert, aber Kajetan wird misstrauisch und beginnt, eigene Nachforschungen anzustellen, die ihn in die Heimat des Mädchens und dort auch zur Aufklärung der Hintergründe des Mordes führen. Die Auflösung kommt dann recht schnell (der Fall ist binnen 24 Stunden geklärt) und der Leser erfährt, wie sich alles zusammenfügt.
Das ist durchaus interessant und gut durchdacht, hat aber eher wenig mit dem zu tun, was man gemeinhin von einem Krimi erwartet - also detaillierte Ermittlungsarbeit, diverse Verdächtige, evtl. einige falsche Spuren u.ä.
Fazit:
Der Titel und auch die Bezeichung "Krimi" passen nur eingeschränkt zu diesem Buch, von daher gibt es einen kleinen Punktabzug, denn ich hatte doch etwas anderes erwartet als das, was ich dann zu lesen bekam. Wenn man das jedoch außer Acht lässt, hat man eine durchaus fesselnde und spannend zu lesende Milieu-Studie aus dem München der Zwanziger Jahre, was nicht zuletzt auch dem tollen Schreibstil des Autors zu verdanken ist. Robert Hültner vermag eine derart dichte Atmosphäre zu schaffen, dass man förmlich ins Geschehen mit hineingezogen wird und das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen mag.
Von daher gebe ich 8 von 10 Punkten, denn das Buch war für mich ein großes Lese-Vergnügen (Krimi hin oder her ). Für Nicht-Bayern gibt es übrigens am Ende es Buches ein Glossar, in dem Wendungen aus dem Bayerischen Dialekt sowie Begriffe aus der damaligen Zeit, die heute vielleicht nicht mehr jedem Leser geläufig sind, erklärt werden.
LG, Bella