Ein Hologramm für den König - Dave Eggers

  • Verlag: Kiepenheuer&Witsch
    Gebundene Ausgabe: 352 Seiten


    Originaltitel: A Hologram for the King
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann


    Kurzbeschreibung:
    Alan Clay ist ein Mann der Old Economy, der nicht ganz ohne eigenes Zutun so gut wie ausrangiert ist und nun darum kämpft, die Studiengebühren seiner Tochter bezahlen und einen Rest seiner Würde bewahren zu können. Er hat noch eine Chance, um seiner Finanzlage und damit seinem Leben die entscheidende Wendung zu geben: Für eine amerikanische IT-Firma fliegt er mit einem Team von jungen Leuten nach Saudi-Arabien. Dort, wo mitten in der Wüste eine funkelnde Wirtschaftsmetropole entstehen soll, wollen sie dem saudischen König ihre hochentwickelte IT-Technik vorführen, mit der sie die Stadt versorgen möchten. In einem Zelt am Rande der riesigen Baustelle, aus der eines Tages die Stadt erwachsen soll, kämpfen sie nicht nur mit drückender Hitze und wackligem WiFi, sondern warten auf einen König, der einfach nicht kommt.»Ein Hologramm für den König« ist ein Roman über das, was die globalisierte Wirtschaft mit dem Menschen macht. Mit großer Empathie und herrlich absurder Komik erzählt, zielt er mitten ins Herz der heutigen Zeit. Vielschichtig, traurig, rührend. Ein literarischer Meilenstein.


    Über den Autor:
    Dave Eggers hat bislang sechs Bücher veröffentlicht, die zahlreiche literarische Auszeichnungen erhalten haben. Für »Zeitoun« wurde ihm u.a. der American Book Award und der Albatros-Preis der Günter-Grass-Stiftung verliehen. »Weit Gegangen« schildert das Schicksal von Valentino Achak Deng, einem Überlebenden des Bürgerkriegs im Sudan, und führte zur Gründung der Valentino Achak Deng Foundation, die eine von Mr Deng geleitete Mittelschule im Südsudan betreibt. Eggers ist Gründer und Herausgeber von McSweeney’s, einem unabhängigen Verlag mit Sitz in San Francisco. 2002 rief er ein gemeinnütziges Schreib- und Förderzentrum für Jugendliche ins Leben, 826 Valencia, das heute Ableger in mehreren amerikanischen Städten hat. Eggers stammt aus Chicago und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Nordkalifornien.


    Über den Übersetzer:
    Seit über 20 Jahren arbeiten Ulrike Wasel und Klaus Timmermann zusammen. Über 200 Romane und Sachbücher haben sie übersetzt. Darunter jetzt auch schon 5 von Dave Eggers.


    Mein Eindruck:
    Dave Eggers Erstlingswerk “Ein herzzerreissendes Werk von umwerfender Genialität: eine wahre Geschichte“ hatte mich seinerseits wegen der lebendigen Sprache sehr überzeugt. Seitdem sind einige Jahre vergangen und Dave Eggers Stil ist inzwischen ruhiger, weniger Ironie, dafür mehr von Melancholie durchzogen, obwohl ein skurriler Humor vorhanden ist.


    Die Stimmung des Protagonisten, der als Geschäftsmann vor dem Bankrott steht, überträgt sich in starken Maß auf den Leser. Alan Clay reist nach Saudi Arabien, um den König moderne IT zu präsentieren und hofft auf den großen Deal, der ihn rettet.
    Doch das Treffen mit dem König wird ein Warten auf Godot (eine naheliegende Analogie).
    Die angespannte Stimmung und Ungewissheit setzt Alan zu. Gleichzeitig sorgt ihn noch, wie er das Studiengeld für seine Tochter auftreiben kann und er hat eine Zyste im Nacken, die ihn Krebs befürchten lässt.
    Eggers lässt den Leser unmittelbar an Alans innere Gedanken teilnehmen. Es ist also nicht unbedingt immer der reinste Lese-“Genuß“, mit Clay zu warten. Ich hatte deswegen anfangs Probleme, da ich das Öde fand. Abgemildert wird das durch einige wirklich gelungene Dialoge, die sowohl originell wie auch humorvoll sind. Es gibt dann auch Rückblicke.
    Von Saudi Arabien erfährt man nicht so viel, da Alan so im Mittelpunkt steht und seine Gedanken sich meist um seine eigene Situation drehen, die sehr amerikanisch geprägt sind.


    Abschließend ist noch die Übersetzung erwähnenswert, von der ich den Eindruck habe, dass sie sehr gelungen und stimmig ist Die Übersetzer Ulrike Wasel und Klaus Timmermann haben zuvor auch schon den Albatross-Literaturpreis für die Übersetzung eines Romans von Dave Eggers gewonnen.

  • Ich habe "A Hologram for a King" im englischen Original gelesen. Es war mein dritter Eggers nach "Ein herzzereissendes Werk..." (sehr guter, wenn auch manchmal etwas geschwätzig und unstrukturiert) und "You Shall Know our Velocity" (schwächer, noch unstrukturierter). Zunächst einmal war ich überrascht wie gut durchkomponiert der Roman ist und ich war auch überrascht, dass mich die "Ödniss" der Situation, die immer wieder von Lesern und Kritikern herausgestellt wird, sich nicht auf mich persönlich übertragen hat. Ich habe den Roman eher mit etwas Distanz als ein typisches amerikanisches Schicksal gelesen, auch wenn ich die IT-Projektmanagement-Welt durchaus kenne und eigene Erfahrungen wiedergefunden habe. Die Distanz wird aber durch den skurrilen Humor des Autors abgemildert, Alans Fahrer Yousef ist großartig (literarischer Oscar für die beste Nebenrolle) und die Dialoge mit ihm sind an Humor kaum zu überbieten. Insgesamt ist der Roman eine Art Warten auf Godot für das Internet-Zeitalter. Und das Ende fand ich sehr originell. Von mir eine Empfehlung.

  • Sand im Getriebe


    Alan Clay, vierundfünfzigjährig, ist geschieden und auch ansonsten rundum gescheitert. Von der Karriere als Verkaufsleiter beim traditionellen amerikanischen Fahrradhersteller "Schwinn" ist nichts übriggeblieben, Clay hat Schulden, kann das kommende Highschool-Semester seiner Tochter wahrscheinlich nicht bezahlen, und am Nacken pocht eine golfballgroße Geschwulst. Das bisschen Geld, das er noch verdient, bezieht er aus seiner Tätigkeit als Consultant, aber im Amerika der nach Fernost ausgelagerten Industrieproduktion ist dieses Berufsbild kaum noch gefragt. Doch er kennt einen Neffen des saudiarabischen Königs Abdullah flüchtig, was ihn als Berater für eine IT-Präsentation qualifiziert: Der US-Konzern Reliant bewirbt sich als Kommunikationsausstatter der "King Abdullah Economic City", einer Kunststadt an der Küste, von der es - fünf Jahre nach der Grundsteinlegung - zwar nur eine homöopathische Vorabversion gibt, die aber dennoch traumhafte Umsätze verspricht - und eine gewaltige Provision für Clay, so es gelingt, den König mit Hilfe einer neuen holographischen Technologie zu überzeugen. In einem Zelt in der Wüste warten also Clay und ein paar Reliant-Techniker darauf, dass der König kommt, um sich ihr Zeug anzuschauen. Denn feste Termine gibt es mit dem Monarchen nicht.


    Wochenlang pendelt Clay zwischen seinem Hotel in Dschidda und der gleichsam holographischen Stadtkulisse im Nirwana. In der Zwischenzeit entwirft er Briefe an die Tochter, betrinkt sich mit selbst gebranntem Schnaps, hat fast zwei Affären, aber mit der wirtschaftlichen ist auch Clays physische Potenz geschwunden; er freundet sich mit Youssef an, seinem Fahrer. Clay ist gefangen in dieser obskuren, feindlichen und auf Sand gebauten Welt, deren einziges Versprechen lautet, mit jenem erhofften Auftrag wenigstens vorläufig viele Probleme beseitigen zu können, aber es ist von der ersten Seite an klar, dass der Globalisierungsverlierer Alan Clay in diesem Wettbewerb nicht bestehen wird.


    Das Buch ist absichtsvoll deprimierend, denn sein Protagonist steht als Metapher für den Zustand der westlichen Wirtschaft, die Tradition und Werte dem reinen Profit geopfert hat, mit kurzsichtigem Blick auf schnelle Gewinne Selbstzerfleischung betreibt, Know-How und Produktion nach China transferiert, um am Ende ganz gewiss mit leeren Händen dazustehen. Dass die letzte Hoffnung darin besteht, sich vor die Füße der Tyrannen in den Wüstensand zu werfen, markiert die Idiotie des Prozesses. Dieser - sehr plakative - Aspekt des Romans ist transparent und überdeutlich. Ihr Opfer ist die Hauptfigur, deren quälende Apathie mit der Zeit anstrengend wirkt, woran auch das hastige und vorhersehbare Ende nichts mehr ändert.


    "Ein Hologramm für den König" ist eine makabre, kompromisslose Parabel, deren Dramaturgie jedoch versandet. Dem Romanhelden fehlt jede Entwicklungsmöglichkeit, und Eggers' Versuche, ihr eine gewisse Mehrdimensionalität zu verleihen, scheitert leider. Das Lesevergnügen hält sich insofern in Grenzen, aber recht interessant ist der Roman dennoch, weil wenigstens die plastische Globalisierungskritik gut funktioniert.