Haruki Murakami - Nach dem Beben

  • Über den Autor:


    Haruki Murakamis Karriere begann 1974 an einem warmen Frühlingstag: Während eines Baseballspiels kam ihm die Inspiration zu seinem ersten Roman. Es war der Start einer beeindruckenden literarischen Laufbahn des 1949 in Kyoto geborenen Autors. Nach seinem Abschluss an der Waseda-Universität in Tokio betrieb er zunächst eine kleine Jazzbar. Später verbrachte er mehrere Jahre als freier Schriftsteller und Dozent in Princeton, USA. Murakamis Leidenschaft für die Literatur kennt, im wahrsten Sinne des Wortes, keine Grenzen - übersetzt er doch auch berühmte Kollegen wie John Irving ins Japanische. (Quelle: amazon.de)


    Über das Buch:


    In diesem Buch befinden sich 6 Kurzgeschichten, die alle etwas mehr als 20 Seiten lang sind. Sämtliche Geschichten sind um das Erdbeben von Kobe anzusiedeln; zwar wird diese Katastrophe nicht direkt thematisiert und steht nie im Mittelpunkt der Stories, dient aber als zusammenfügendes Element, das die Kurzgeschichtensammlung wie ein roter Faden durchläuft.


    Meine Meinung:


    Nach dem Beben war vor mittlerweile ein paar Jährchen meine erste Begegnung mit dem Autor, der seitdem mein absoluter Liebling ist.
    Für mich sind die Geschichten in diesem Buch auch heute noch der Inbegriff gelungener Kurzgeschichten, wenngleich natürlich nicht alle Geschichten perfekt sind. Meist sind sie nicht direkt unheimlich, eher kafkaesk und bizarr, immer aber enden sie mehr oder weniger "offen" und lassen viel Ungeklärtes zurück.


    Zum Inhalt:
    - Ufo in Kushiro
    - Stilleben mit Bügeleisen
    - Alle Kinder Gottes tanzen
    - Thailand
    - Frosch rettet Tokyo
    - Honigkuchen


    Meine Lieblingsgeschichte ist Ufo in Kushiro. Ein Mann, dessen Frau spurlos verschwunden ist, wird von einem Arbeitskollegen gebeten, eine kleine Box mit unbekanntem Inhalt bei jemandem abzuliefern. Diese Geschichte ist bis aufs Letzte gespickt mit kleinen Stolpersteinen und Anspielungen, die nie als real dahingestellt werden, aber so weit gehen, dass man die Geschichte am Ende als zwei ganz verschiedene ansehen kann, je nachdem, ob man den Hinweisen folgt oder sie als einfache "Metaphern" ansieht.
    Auch sehr interessant ist Frosch rettet Tokyo, die gleich zu Beginn starke Parallelen zu Kafkas Verwandlung aufweist. Skurril, fesselnd und teils ein wenig eklig.
    Honigkuchen ist eine sehr schöne Dreiecks-Liebesgeschichte, die absolut und vollkommen liebenswürdig ist, dazu gänzlich unverkitscht.
    Stilleben mit Bügeleisen thematisiert (wie ja so oft bei Murakami) die Einsamkeit und Desorientiertheit der Protagonisten. Ein älterer Mann und ein junges Mädchen treffen sich am Strand, um Feuer aus Treibholz zu machen ... und entdecken dabei ihre Ängste und eben Einsamkeit.
    Auch die anderen zwei Geschichten sind gelungen, die vier geschilderten sind meines Erachtens jedoch die stärksten und besten.


    Fazit: Wunderbare, teilweise rätselhafte und sehr offene Kurzgeschichten in einer recht geradlinigen Sprache.

  • Auch mir haben diese Erzählungen sehr gut gefallen, am besten wohl "Frosch rettet Tokyo" sowie "Honigkuchen".
    In einer geradlinigen, präzisen Sprache erzählt Murakami aus dem Leben seiner Protagonisten und deutet vieles an, läßt zwischen den Zeilen hervorklingen und am Ende offen stehen.
    Die Geschichten sind teils entrückt und skurril, teils melancholisch und wehmütig und einfach nur schön.

  • Ich finde die sechs Kurzgeschichten sowohl vom Inhalt als auch von der Sprache her sehr eindrucksvoll. Besonders die Geschichten "Thailand" und "Honigkuchen" gehören zu den besten und schönsten, die ich jemals gelesen habe.
    Ein leider viel zu dünnes Buch. Jede Geschichte wäre es wert, dass der Autor daraus einen Roman gemacht hätte.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde