Mini-LR: Hallór Laxness - Atomstation

  • Salonlöwin und meine Wenigkeit haben lose vereinbart, uns mal wieder mit Laxness zu beschäftigen. Die Leserunde startet, wenn Salonlöwin das Buch gefunden hat ;-)
    Da das nicht unbedingt ein trautes Gespräch unter vier Augen werden soll, freuen wir uns natürlich über Mitleser.


    Atomstation:


    Das Mädchen Ugla, vom isländischen Norden nach Reykjavik gekommen, sieht mit Staunen das Luxusleben, die Kälte hinter den schönen Fassaden und die politischen Umtriebe. Nach den heimlichen Besuchen der netten Männer aus Amerika herrscht Unruhe in der Stadt: Soll die Republik etwa zu einer amerikanischen Atomstation gemacht werden?

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Danke für das Einrichten der Leserunde.
    Der Standort des Buches ist ungefähr ausgemacht, nur möchte ich mit meiner Grippe und meinen Gliederschmerzen nicht auf einen Stuhl stellen, um den Roman herauszusuchen. Herr SL hat bereits versprochen, mir heute Abend zu helfen und dann kann es mit der Leserunde sofort losgehen.

  • Zu Kapitel 1 und 2:


    Die ersten Seiten sind gelesen und haben bereits Schluckbeschwerden verursacht.
    Die einundzwanzigjährige Ugla kommt in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts aus Nordland als Dienstmädchen in die Stadt zu einer wohlsituierten Familie.
    Uglas Ansinnen, das Spiel auf dem Harmonium erlernen zu wollen, wird durch ihre Arbeitgeber nur belächelt, beherrscht dort doch offensichtlich jeder das Klavierspiel.
    Halldor Laxness lässt auf den ersten Seiten seines Romans bereits einige gewichtige Sätze fallen, wie z.B., wenn Ugla der Köchin auf deren Bemerkung "einfach so mit Menschen zu sprechen" (gemeint ist die Familie) antwortet, dass sie ebenfalls ein Mensch sei.
    Ebenso eindrucksvoll ist eine kleine Begebenheit zwischen der Dame des Hauses und Ugla, in der sich nach Uglas Ansichten erkundigt wird. Das Dienstmädchen erwidert, keine Ansichten zu haben, worauf sie zu hören bekommt:


    "Soso, meine Liebe. Das ist gut. Hoffentlich sind sie keine von denen, die über Büchern liegen."


    Als Ugla die Bibliothek ihres Arbeitgebers entdeckt, lässt Halldor Laxness seine ungebildete Protagonistin sagen:


    "Wenn es ein Verbrechen gibt, dann ist es das, ungebildet zu sein."


    Mag Ugla auch ungebildet sein, eine gewisse Intelligenz ist dem Mädchen vom Land nicht abzusprechen und auf ihre Entwicklung darf man gespannt sein.


    Halldor Laxness kommt auf Seite 16 (Verlag Steidl) auch auf den Schriftsteller und Pastoren Hallgrimur Petursson zu sprechen, auf dessen Geschichte ich später noch einmal eingehen möchte.


    Nach den ersten zwei Kapiteln bin ich von der Geschichte bereits angetan; Zweifel tun sich bei der Übersetzung auf. Der ein oder andere Satz erscheint wenig rund und die Übertragung nicht optimal. Ich werde im weiteren Verlauf darauf achten und ggf. Beispiele anführen.

  • Auf die historische Figur Hallgrímur Pétursson und seine Geschichte wollte ich wie versprochen eingehen.
    Laxness versäumt es nicht, in seinem Roman, in dem der Glaube bereits auf den ersten Seiten eine Rolle spielt, die für Island wichtige Figur Pétursson einzubringen.
    Pétursson, der von 1614-1670 lebte, eine für damalige Verhältnisse gute Ausbildung absolvierte, schaffte es u.a. ins damalige dänische Glücksstadt.
    Nach einer Lehre zum Schmid ergab sich die Gelegenheit, Pfarrer im damaligen Kopenhagen zu werden. Bereits während dieser Ausbildung erhielt Pétursson die Chance, einige von den Türken entführte Isländer wieder zum christlichen Glauben zu bekehren. In dieser Zeit lernte er die sechzehn Jahre ältere und verheiratete Gu rí ur Símonardóttir kennen. Zum Zeitpunkt ihrer Rückkehr nach Island erwartete Gu rí ur Símonardóttir ein Kind, doch einer Heirat mit dem pietistischen Pétursson stand nichts mehr im Wege, da der Ehemann zu diesem Zeitpunkt verstorben war.
    Von Pétursson sind vor allem seine Passionspsalmen und die nach ihm benannte Hallgrímskirche in Reykjavik bekannt.


    Kapitel 3
    Ugla möchte das Spiel auf dem Harmonium nunmehr erlernen und wendet sich an einen Organisten. In dem Kapitel taucht neben dem Organisten noch eine Figur Gott auf und es entspinnt sich eine wirre Diskussion, die sowohl Ugla als auch den Leser ratlos zurücklassen dürfte.
    Erwähnte ich schon bezüglich der Kapitel 1 und 2, dass mich stilistisch etwas stört, so ist mir diese Tatsache in Kapitel 3 bewusst geworden. Die Geschichte wird in der Vergangenheitsform erzählt, während die wörtliche Rede in der Gegenwart erfolgt, doch nicht immer konsequent, so dass sich Brüche ergeben, die das Lesevergnügen trüben.

  • Hallo DraperDoyle,


    wir müssen nicht durch die Leserunde eilen. Steig gemütlich und ohne Druck ein :wave.


    Kapitel 4:
    Im Hause der Familie Bui Arland. Ugla lernt die gutsituierte Familie näher kennen.
    Die Dame des Hauses, zugleich Schwester des Premierministers und extrem amerikafreundlich, gibt keine Ruhe, ihr neues Dienstmädchen vor den Gefahren des Kommunismus zu warnen. Gleichzeitig rät sie dem Mädchen von Männerbekanntschaften ab, und wenn doch, dann wären Amerikaner das kleinste Übel.
    Für Ugla gibt es in der Stadt noch viel zu entdecken und so macht sie "Bekanntschaft" mit den Kommunisten im Bäckerladen. Am Ende erwirbt sie Lose, aus deren Erlös ein Kulturzentrum erbaut werden soll.
    Angesprochen auf ihre Erlebnisse und die Lose ist ihre Arbeitgeberin mehr als erbost und zerreißt die Lose.
    Am Ende des Kapitels rettet Hausherr Bui Arland die Situation.


    Einige Aspekte im vierten Kapitel sind besonders bemerkenswert:
    Laxness stellt die politischen Seiten unverhohlen und bewusst plump dar.
    Während Frau Arland sich am späten Vormittag den heißen Kakao und die Zeitung ans Bett servieren lässt, hetzen die Jugendlichen gegen die Unternehmungen und das Vermögen der Familie Arland, das nach ihrer Ansicht unanständig erworben wurde.
    Der Konflikt dekadente Lebensweise - Traum von einem kommunistischen Kulturzentrum für alle könnte nicht stärker ausgeprägt sein.
    In diesen Konflikt setzt Laxness das unbedarfte Bauernmädchen, das sich weder für die eine noch andere Seite entscheiden mag, nur Harmonium spielen möchte und sich Gedanken darüber macht, wie ihr Vater in Nordland den Aufbau einer Kirche finanzieren kann.


    Darüberhinaus spannend zeichnet Laxness die Randfigur des Sohnes, für den ich im weiteren Verlauf der Geschichte Potenzial sehe. Immer etwas gelangweilt, beobachtend und zynisch gibt er sich. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich bei ihm um eine Spielernatur handelt. Inwieweit er sich von den Ansichten seiner Mutter zu distanzieren vermag, bleibt abzuwarten.

  • Kapitel 5:
    Ausgehend von ihrem Musikunterricht macht Ugla sich Gedanken über das Schicksal großer Musiker, die die Früchte ihrer Arbeit nicht ernten konnten und früh verstorben sind.
    Wie es anders nicht sein kann, spielt im zweiten Teil des Kapitels die Landschaft Islands eine große Rolle. Das Mädchen betrachtet die Bilder im Haus der Familie Arland und macht sich ihre ganz eigenen Gedanken, was auf Leinwand gebracht werden darf.
    Insgesamt ein eher unspektakuläres Kapitel.


    Kapitel 6:
    Wie ich bereits oben andeutete, sollte die Entwicklung des Sohnes spannend bleibend.
    Ugla erfährt nun im Haus des Organisten, das der gelangweilte Schützling mit einem Freund die Tiere einer Nerzfarm herausgelassen/befreit hat. Einige der Nerze konnten flüchten, andere wurden erschlagen. Ugla, die eine Strafe für den Sohn fürchtet, erfährt, wie man mit derlei Problemen im Island der 40-er Jahre verfährt.

  • Kapitel 7:
    Ugla wird mutig.
    Nach einem erneuten Aufeinandertreffen mit den beiden "Jungkommunisten" im Bäckerladen äußert sie Interesse an einem Zellentreffen. Geraume Zeit später nimmt sie daran teil. Das Mädchen aus dem Nordland versteht nur wenig von den Zielen der Bewegung, ist jedoch stark beeindruckt von den Menschen, die hinter diesen Aktivitäten stehen. Laxness lässt während dieses Zellentreffens in einem Keller seien Protagonsitin bewusst auf Menschen treffen, die denen ihrer Heimat und ihrer Herkunft ähnlich sind. Stark beeindruckt davon, dass die Arbeiter, die kaum etwas besitzen, für eine Zeitung spenden, lässt Ugla sich ebenfalls zu einer Spende überzeugen. Dass das Mädchen nicht weiß, für was sie tatsächlich spendet, ist ihm in dem Moment egal.
    Vielmehr überzeugt Ugla die Atmosphäre und wie man auf sie eingeht; eben jene menschliche Wärme, die sie bislang in der Stadt vermisst hat.


    Kapitel 8:
    Im Hause Bui Arland kehren Gäste spät abends ein. Amerikaner und Isländer.
    Erst nacheinander, dann gemeinsam. Die Dame des Hauses arrangiert alles, ganz im Sinne ihres Bruders. Ihr Ehemann beobachtet die Szenerie aus seinem Arbeitszimmer mit gewisser Skepsis. Laxness hält die Figur des Bui Arland bewusst offen und verleiht der Geschichte damit eine gewisse Spannung. Auch seine zurückhaltenden Sympathien für Ugla sind schwer einzuschätzen. Zumindest deutet er an, von Uglas Besuch beim Zellentreffen zu wissen.
    Die Figur des Premierminsiters gewinnt im 8.Kapitel an besonderer Bedeutung; lässt er doch die Katze aus dem Sack und verkündet im betrunkenen Zustand deutlich, Island verkaufen zu wollen.

  • Kapitel 9:
    Ugla im Hause des Organisten.
    Die Rolle des Organisten und von Gott bleibt immer noch unklar.
    Mit den politischen Zuständen scheinen sie nicht zufrieden zu sein, aber außer einem Lamentieren über die Situation sind keine Aktivitäten zu erkennen.
    Gott droht in diesem Kapitel mit der leeren Forderung, sich umbringen zu wollen; aber allein die Ankündigung wirkt bereits aufgesetzt.


    Als Ugla auf dem Nachhauseweg vom Organisten begleitet wird und ihren Schlüssel vergisst, nimmt der Organist sie auf.
    Das Thema Liebe wird abstrakt erörtet und Ugla macht deutlich, dass es sich um eine Sache handelt, die für unfruchtbare Städter gedacht und nicht für einfache Menschen vom Land wieihre Eltern gedacht ist.


    Insgesamt muten die Abschnitten im Haushalt des Organisten undurchschaubar bis merkwürdig an. Der Musiklehrer und Gott sind schwer vorstellbar, bis auf die charakteristische Zeichnung von Gott, der zu gern und zu tief in den Topf mit Brillantine greift.



    Kapitel 10:
    Es kommt zum Eklat. Als die Dame des Hauses sich morgens erkundigt, wo das Dienstmädchen die Nacht verbracht hat, begegnet ihr Ugla mit der Lüge einer Zellensitzung und riskiert ihre Anstellung. Während ihre Arbeitgeberin aufgebracht ist, versucht Bui Arland die Situation zu retten.
    Ugla, bereits beim Packen, wird indessen vom zwölf Jahre alten Sohn des Hauses bestochen, ihn zu einer Sitzung der Kommunisten mitzunehmen. Ugla lehnt ab und es kommt zu einem kurzen Gespräch, in dem der Sohn das Dienstmädchen nicht wie eine Angestellte behandelt.
    Laxness Stärke zeigt sich in diesem Roman besonders darin, feine Töne und Umschwünge zu zeichnen. Die negativen Protagonisten werden bewusst und deutlich mit all ihren Eigenschaften gezeichnet, während die Gegenspieler nicht übertrieben positiv, sondern als einfache Kreaturen eingeführt werden, die bemüht sind, menschlich und nach christlichen Vorbildern zu leben.

  • Kapitel 11 und 12:
    Über Nacht ist Ugla Mutter mehrerer Kinder geworden.
    Bui Arlands Frau hat sich nach Amerika aufgemacht und ihr Ehemann hat sich über den Verbleib des Dienstmädchens in seinem Hause durchgesetzt. Ob dieser Einsatz für Ugla von Vorteil war, darf der Leser/die Leserin just im Moment der Abreise der Mutter bezweifeln.
    Die wohlstandsverwöhnten und in erster Linie gelangweilten Gören versuchen von nun an, ihre Grenzen fern jeglichen Anstands auszuloten.
    Der älteste Sohn meint sich das Recht herausnehmen zu können, Ugla zum Beischlaf zu zwingen, während das Mädchen Apfelblut nur damit droht, das Dienstmädchen umzubringen.
    Laxness lässt keinen Zweifel daran, dass sich derartige Geschichten selbst in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch zugetragen haben.
    Die von ihm geschilderten Ungerechtigkeiten, die Langeweile und Boshaftigkeit der Kinder macht wütend und lässt zwangsläufig Sympathie für Ugla und ihre Duldsamkeit ergreifen.

  • Kapitel 13:
    Halldór Laxness hat in vorhergehenden Kapiteln die Richtung vorgegeben und bleibt ihr treu. Nachdem nun Dr. Bui Arland das Haus verlassen hat, tanzen die Mäuse, gemeint sind die Kinder, auf dem Tisch und belassen es nicht dabei.
    Die Freunde der Kinder und alsbald deren Freunde besuchen das Haus, es wird ausgiebig gefeiert, gesoffen, geraucht und gekotzt. Ugla hat die Lage nicht mehr im Griff und ist überfordert mit der Ankündigung des Apfelmädchens im Konfirmandinnenalter, mit einem der Gäste, der doppelt so alt wie sie und verheiratet ist, Sex haben zu wollen.
    Um der Lage Herr zu werden, wirft Ugla die alkoholisierten Gäste aus dem Haus und darf sich zum Dank Pöbeleien der Minderjährigen anhören.


    Kapitel 14:
    Dr. Bui Arland kehrt nach Hause zurück und ist die Gelassenheit in Person.
    In Kenntnis, dass seine Kinder über die strenge schlagen, versucht er sich bei Ugla zu erkundigen, was man mit dem Ältesten anstellen sollte. Lässt man ihn zur Silvesterfeier gehen und die Polizeiwache mit in Brand stecken oder hält man ihn davon ab?
    Eigentlich egal, so seine Auffassung, schließlich würde jede Jahr aufs Neue eine bessere Polizeiwache gebaut werden. Und Gott würde nicht mehr helfen.
    Ugla, die mit ihrer Situation überfordert ist, wendet sich an den Organisten.
    Er schiebt das Verhalten der Kinder auf die Natur und ihre Bedürfnisse und rät dem Dienstmädchen, die Kinder gewähren zu lassen.
    Zwischen Gotteshilfe und Naturvertrauen wird Ugla in der großen Stadt mit ihren Problemen allein gelassen.


    Laxness macht es dem Leser sehr schwer, sich in die sehr unterschiedlich ausgeprägten Mentalitäten einzufinden. Was bleibt, ist ein großes Mitgefühl für das Dienstmädchen Ugla, die allein auf sich gestellt ist und noch ein Stück erwachsen werden muss.

  • Kapitel 15
    Damit der älteste Sohn nicht völlig auf die schiefe Bahn gerät, nimmt Ugla sich seiner an.
    Er, der glaubt, sein Ziel erreicht zu haben und in der Silvesternacht eine Zellensitzung erleben darf, verlebt die Nacht zu Neujahr doch nur im Hause des Organisten.
    Erstaunlich ist, wie wenig enttäuscht sich der pubertierende Sprössling zeigt und wieviel Großmut Ugla nach all den Demütigungen, Herablassungen und der körperlichen und psychischen Gewalt gegen sie an den Tag legt. Mit ihrer Herzenswärme und Klugheit, andere würden das Mädchen als naiv bezeichnen, deckt sie die Grausamkeiten der Kinder zu.


    Kapitel 16
    Es war damit zu rechnen, dass das Apfelmädchen schwanger werden würde.
    Sie vertraut sich Ugla an und will sich das Leben nehmen. Das lebenspraktische Dienstmädchen verweist ihre "Ziehtochter" auf die finanziellen Möglichkeiten ihrer Eltern und das sich für alles eine Lösung finden lassen wird.
    Als das Apfelmädchen ausreißt und zu Hause anruft, ist Ugla geistesgegenwärtig und unterrichtet Bui Arland. Seine Hilfe kommt nicht zu spät und so kann das Apfelmädchen gerettet werden.
    Laxness schildert die familiäre Situation im Hause von dr. Bui Arland äußerst bedrückend.
    Ihre Welt von Geld und Hochmut regiert, die Kinder wollen erwachsen sein und benehmen sich kindlicher denn je und das kluge und doch ungebildete Dienstmädchen vom Land soll den Kindern jene Richtung im Leben weisen, die sie von ihren Eltern nicht erhalten haben. Die Herausforderungen, die an Ugla gestellt werden, machen in erster Linie sie erwachsen und zuweilen hilflos, wie in diesem Kapitel als das Apfelmädchen nach einer Abtreibung nach Hause kommt und sie von Ugla, die Zuneigung erwartet, die ihr ihre Familie nicht bietet.

  • Kapitel 17 und 18:
    Die Nacht außer Haus ist für Ugla nicht ohne Folgen geblieben.
    Das Dienstmädchen ist schwanger und ihre Stimmung schwankt zwischen einer gewissen Verzweiflung und Freude auf das Kind. Während Ugla sich nachts in Träumen Schwärmereien zum Kindsvater hingibt, in den sie möglicherweise verliebt ist, verbietet sie sich tagsüber ihre Gefühle und philosophiert darüber, wem ein Kind gehört.
    Als sie Dr. Bui Arland darauf anspricht, warum er in seiner politischen Tätigkeit gegen den Bau einer Kinderkrippe gestimmt hat, geht er auf das Dienstmädchen zu und fragt sie direkt, was sie seit längerem bedrückt. Ugla gesteht ihm alles, woraufhin er Zugeständnisse und Versprechungen macht, auf einen erneuten Antrag der Kokmmunisten für eine Kindergrippe stimmen zu werden.
    Es kommt zu einem innigen Moment zwischen Dr. Bui Arland und Ugla.


    Halldór Laxness versteht es hervorragend, die Nöte des Dienstmädchens mit den politischen und sozialen Gegebenheiten der vierziger Jahren in Verbindung zu bringen.
    Ihr Schicksal rührt auch Dr. Bui Arland, der nicht als der einfältige, habgierige Unternehmer und Politiker dargestellt wird. Andererseits wirft der Kuss zwischen ihm und Ugla ein besonderes Licht auf ihn, ist sie doch seine Angestellte und von ihm abhängig und lässt die Annäherung wie eine Ausnutzung dieses Verhältnisses aussehen.

  • Kapitel 19 und 20:
    Auch wenn die Anzahl der Kapitel umfangreich erscheinen mag, so sind doch die Abschnitte doch eher kurz gehalten. Die Kürze darf jedoch nicht über ihre Intensität täuschen.
    Ohne große Ankündigung ist Ugla nach Nordland, ihr Zuhause, zurückgekehrt.
    Hier beschäftigt sie das, was sie in der Stadt gesehen hat.
    In Nordland scheint die Zeit stillzustehen; ihre Eltern halten ein paar Schafe und Milchkühe und sind gottesfürchtig.
    Die kommunistischen Ideen haben die Landbevölkerung noch nicht erreicht und man ist immer noch mit dem Bau der Kirche beschäftigt.
    Die Nachricht von Uglas Schwangerschaft wird indes gelassen aufgenommen.
    Ihr Aufenthalt in der Stadt hat allerdings Spuren in ihren Gedanken hinterlassen und so sucht sie mit ihrem Vater immer wieder das Gespräch über Gott.
    Neben Gesprächen über den Glauben gelingt es Laxness erneut die Bedeutung der Natur für die Isländer in den Vordergrund zu rücken, z.B. als der Vater als auch ein Bewohner über die Qualität von nassen und trockenen Gräbern philosophieren und welche Art von Grab geeigneter erscheint, seinen Seelenfrieden zu finden.


    Nach kurzem Nachforschen stellte sich heraus, dass Halldór Laxness im Alter von
    21 Jahren zum Katholizismus konvertiert ist und eine enge Bindung an den Glauben hatte.


    Das zwanzigste Kapitel endet mit einer Nachricht eines Abgeordneten an Ugla und der Bitte mitzuteilen, was sie sich wünsche.

  • Kapitel 21
    Die kleine Gudrun erblickt im August oder der 19.Sommerwoche wie ihre Großmutter meint das Licht der Welt. Das freudige Ereignis soll mit Argwohn von Ugla in der neuen, nicht fertiggestellten Kirche gefeiert werden. Die Einwohner der Umgebung eilen herbei und die Taufe wird ein feucht-fröhliches Fest.
    Unerwartet taucht in dieser Nacht der Polizist und Kindsvater auf. Er möchte seine Tochter sehen und nach einer kurzen steifen Unterhaltung mit Ugla meint er, dass es das Beste sei, im Herbst zu heiraten.
    Laxness lässt seine Protagonistin einen dieser klugen, noch lange nachhallenden Sätze auf das Angebot, die Forderung sagen:


    "Ich glaube, es ist besser, wenn ich zuerst versuche, ein Mensch zu werden, sagte ich."


    Das Mädchen fühlt sich als ein Nichts und der Mann, über dessen Zuneigung sie noch Seiten vorher gegrübelt hat, ist ihr zuwider, weil er mutmaßlich sein Geld unrechtmäßig erworben hat.
    Laxness lässt seine Protagonistin wahre Größe beweisen, indem er Ugla dem Geld und einer angemessenen Stellung als verheirateter Frau widerstehen lässt, obwohl sie keine Wahl hat.


    Kapitel 22
    Benjamin taucht unverhofft auf. Die Gründe seines Erscheinens sind unklar, ebenso zwei Kisten. Die eine ist mit Dansk Ler (dänischer Lehm) beschriftet, in der anderen Kiste befinden sich Konserven mit portugiesischen Sardinen.
    Wie auch in vorgehenden Kapiteln bleibt Laxness an der einen oder anderen Stelle kryptisch, um die Auflösung im nächsten Kapitel zu präsentieren.
    Die Sekundärliteratur bezeichnet seinen Schreibstil als teilweise expressionistisch, teilweise surrealistisch; auf jeden Fall experimentiert Laxness in seiner Art, etwas zu erzählen und den Fortgang seiner Ideen voranzutreiben.

  • Kapitel 23 und 24
    Ugla hat beschlossen, ihr Kind in Nordland zurückzulassen und ihr (Arbeits-)Glück in Reykjavik zu finden. Sie kommt auf das Angebot von Dr. Bui Arland zurück und ruft ihn nach ihrer Ankunft an. Nach erstem Weigern bringt er sie in eine Unterkunft, seinen Unterschlupf. Sie diskutieren über den Kommunismus, die Atombombe und das Menschsein. Der Abgeordnete wirkt stark ermüdet, völlig erschöpft und - weniger um Ugla zu einer Nacht zu überreden, denn um ihre Gefühle zu wecken - meint er, dass sie für ihrer beiden Zukunft entscheiden solle.
    Sie verbringen die Nacht zusammen in einem Raum.


    Am nächsten Morgen flüchtet das Mädchen mit ihren Habseligkeiten und läuft dem Kollegen des Kindsvaters über den Weg. Er beabsichtigt, Ugla zum Organisten zu bringen.

  • Kapitel 25
    Der nicht schüchterne Polizist und Ugla treffen beim Organisten ein, der mit seinen Blumen beschäftigt ist.
    Die drei philosophieren über das Heldentum und was Island aktuell umtreibt.
    Der Organist gibt sich als Globalist und befürwortet eine Neuordnung der Welt, für die selbst Island geopfert werden könne, schließlich sei ihr Volk kaum mehr als 1000 Jahre alt. Sie kommen auf die Atombombe zu sprechen, die alles auslöschen wird und der Organist glaubt fest an eine Zeit nach der Atombombe, beginnend mit einem Rosenstock, einer Pflanze an einem zerstörten Ort. Ugla denkt zugleich an die Pferde Nordlands.


    Wie schon in früheren Kapitel ist es für Laxness' Stil bemerkenswert, wie er Kreise schließt und immer wieder auf die Nautr Islands zurückkommt und dem Ende eines Kapitels Hoffnung verleiht.


    Kapitel 26
    Vorweg, meines Erachtens ist das vorletzte Kapitel das bemerkenswerteste Kapitel dieses Romans.
    Das Dienstmädchen ist auf dem Sofa des Organisten eingeschlafen und die beiden führen ein sehr nahes Gespräch wie man es nur bei eienr gemeinsamen Mahlzeit mit einem liebgewonnen Menschen tun kann.
    Ugla erkundigt sich nach dem Kindsxvater und der Organist weiß wenig erfreuliche Neuigkeiten und berichtet von der schiefen Karriere des Polizisten.
    Als Reaktion daraufhin gesteht Ugla, dass der Polizist der Vater der kleinen Gudrun sei und Ugla eine Anstellung suche, um später eine Ausbildung zu absolvieren.
    Ihre Pläne gehen überraschenderweise so weit, dem Polizisten zu verzeihen und ihn als ihren Mann zu bezeichnen.
    Der Organist kann nicht anders als Ugla nun ein kleines Vermögen zu übergeben und gesteht ihr den Verkauf seines Hauses.


    Halldór Laxness belässt das Schicksal des Organisten bei Andeutungen; mutmaßlich ist er krank und seine verbleibende Lebenszeit kurz. Er wird dorthin gehen, wo die Blumen sind, so heißt es und Ugla weiß, dass Blumen unsterblich sind.


    Kapitel 27
    Aus dem Hause des Organisten kommend gerät Ugla an einer Beerdigungsgesellschaft vorbei, die den Eindruck hinterlässt, dass eine angesehene Persönlichkeit verstorben sein muss, sich jedoch dem Sarg kein Trauergefolge anschloss.
    Nach einigen Spekulationen beeilt sich das Mädchen fortzugehen.


    --
    Ende

  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    Kapitel 22
    Benjamin taucht unverhofft auf. Die Gründe seines Erscheinens sind unklar, ebenso zwei Kisten. Die eine ist mit Dansk Ler (dänischer Lehm) beschriftet, in der anderen Kiste befinden sich Konserven mit portugiesischen Sardinen.
    Wie auch in vorgehenden Kapiteln bleibt Laxness an der einen oder anderen Stelle kryptisch, um die Auflösung im nächsten Kapitel zu präsentieren.
    Die Sekundärliteratur bezeichnet seinen Schreibstil als teilweise expressionistisch, teilweise surrealistisch; auf jeden Fall experimentiert Laxness in seiner Art, etwas zu erzählen und den Fortgang seiner Ideen voranzutreiben.


    Die letzte Seite des 22. Kapitels ist für mich bisher die schönste. Es geht um Heimat.
    "... Die große Welt hat die Oberhand gewonnen, das Leben auf dem Land ist zu Literatur, Dichtung und Kunst geworden; du bist dort nicht mehr zu Hause. ... Ich hatte schon längst angefangen, die Tage zu zählen, bis ich wieder von zu Hause, wo ich fremd bin, wegkomme, um in die Fremde zu gehen, wo ich zu Hause bin...