Elisabeth Herrmann: Das Dorf der Mörder
Goldmann Verlag 21.2.2013. 480 Seiten
ISBN-13: 978-3442313259. 19,99€
Verlagstext
Ein grandioser psychologischer Spannungsroman.
Ein grausamer Mord ereignet sich im Berliner Tierpark. Eine der Ersten, die am Tatort eintrifft, ist die junge Streifenpolizistin Sanela Beara: ehrgeizig, voller Tatendrang und entschlossen, dem Fall auch gegen den Willen ihres Vorgesetzten auf den Grund zu gehen. Denn die Schuldige ist schnell gefasst – zu schnell, wie Sanela glaubt. Während der Öffentlichkeit die geständige Mörderin Charlie Rubin präsentiert wird, hat Beara Zweifel. Zweifel, die auch den Psychologen Jeremy Saaler plagen, der ein Gutachten über Charlies Zurechnungsfähigkeit erstellen soll. Unabhängig voneinander haben beide den gleichen Verdacht: Der Mord im Tierpark hängt mit Charlies Kindheit in einem kleinen Dorf in Brandenburg zusammen. Ein dunkles, mörderisches Rätsel lockt sie nach Wendisch Bruch – direkt ins Visier eines Gegners, der die Totenruhe im Dorf um jeden Preis bewahren will ...
Die Autorin
Elisabeth Herrmann wurde 1959 in Marburg/Lahn geboren. Sie machte Abitur auf dem Frankfurter Abendgymnasium und arbeitete nach ihrem Studium als Fernsehjournalistin beim RBB, bevor sie mit ihrem Roman "Das Kindermädchen" ihren Durchbruch erlebte. Fast alle ihre Bücher wurden oder werden derzeit verfilmt. ... Elisabeth Herrmann lebt mit ihrer Tochter in Berlin.
--> Interview mit Elisabeth Herrmann
Inhalt
Die Erzieherin, die an diesem Maitag mit ihrer Kindergruppe einen Ausflug in den Ostberliner Tierpark unternimmt, handelt verantwortungsvoll. Sie hindert Polizeimeisterin Sanela Beara daran, Kinder ohne Einwilligung der Eltern als Zeugen zu befragen. Tierparkbesucher hatten die Pekaris beim Herumkauen auf Leichenteilen beobachtet. Sanela Beara als Streifenpolizistin ist zuerst am Fundort und erhält von zwei kleinen Mädchen einen wichtigen Hinweis. Die junge Polizistin will sich für den höheren Polizeidienst bewerben und braucht dazu den Eignungsvermerk ihres Vorgesetzten. Doch der Fall des Toten aus dem Tierpark hat Sanela so fest im Griff, dass sie gegen jede Vernunft und Dienstvorschrift auf eigene Faust ermittelt. Fest im Griff hält Elisabeth Herrmann ihre Leser mit einem düsteren Prolog aus der Perspektive eines Hundes. Vor zwanzig Jahren muss der Hund gemeinsam mit einem kleinen Mädchen Zeuge eines blutigen Vorfalls geworden sein. Wer ist das Mädchen und welcher Zusammenhang besteht zwischen den Ereignissen von damals und dem Leichenfund im Tierpark? Charlotte Rubin, eine Mitarbeiterin des Tierparks, die sich durch ihr sonderbares Verhalten zur Hauptverdächtigen macht, soll von einem psychiatrischen Gutachter auf ihre Schuldfähigkeit begutachtet werden. Charlotte gibt an, keinen Kontakt zu ihren Angehörigen mehr zu haben, und schweigt zu den Verdächtigungen. Jeremy, Assistent und Doktorand des beauftragten forensischen Psychiaters, sucht außerhalb des Dienstes Kontakt zur Schwester der Verdächtigen. Mit seinen Alleingängen überschreitet Jeremy ähnlich wie Sanela seine Kompetenzen und gefährdet die Glaubwüridgkeit des Gutachtens. Ihre außerdienstliche Spurensuche führt zunächst Sanela, später auch Jeremy, nach Wendisch Bruch in Brandenburg, das Heimatdorf Dorf der Schwestern Cara und Charlotte. Im ehemals blühenden Ort leben heute nur noch acht alte Frauen; ihre Männer sind angeblich verschwunden. Verfallende landwirtschaftliche Gebäude, ein verwilderter Garten, Misstrauen gegenüber Fremden - hier ohne Wissen und Unterstützung der Kripo-Kollegen zu ermitteln war keine kluge Idee von Sanela. Wird sie in dem trostlos wirkenden Ort zur Aufklärung des Falls beitragen können?
Fazit
Obwohl ich Prologen gegenüber meist skeptisch bin, hat mich der ungewöhnliche Blick in die Vergangenheit hier sofort gefesselt. Vom Tierpark als Fundort versprach ich mir viele unterschiedliche Menschen und eine Herausforderung für die Spurensicherung. Die Streifenpolizistin Sanela, die zunächst in einer Nebenrolle auftaucht, übernimmt im Laufe der Handlung eine der Hauptrollen. Sanelas ermittlungstechnische Alleingänge zeigen sie als schwierige Kollegin. Doch anders als bei Jeremy kann ich mir - nachdem ihr mal kräftig der Kopf gewaschen wurde - für sie eine berufliche Weiterentwicklung vorstellen. Als zweite Figur mit Hang zu Alleingängen und sonderbarer Einstellung gegenüber den beruflichen Pflichten konnte der unentschlossen wirkende Psychologe Jeremy meine Sympathie nicht gewinnen. Als Assistent des Gutachters wird Jeremy abwechselnd als Psychologe in der Facharztausbildung, Psychiater und Arzt bezeichnet. Sein Irrlichtern zwischen den beruflichen Identitäten ist aufgrund einer strengen Regelung der Berufsbezeichnungen so in Deutschland unmöglich.
Höhepunkt des Buches war für mich die Atmosphäre bröckelnder Idylle und Trostlosigkeit im ländlichen Brandenburg - auch wenn das Buchcover eher eine Einöde in Nordamerika verspricht. Allein die unheimliche Vorstellung, Kinder könnten Opfer oder Zeugen einer Gewalttat gewesen sein, hat mich in diesem Krimi in den Bann gezogen. Elisabeth Herrmann hält bis zur Auflösung des Falls die Spannung mit Andeutungen aufrecht, denen ich lieber nicht konkreter gefolgt wäre. Die Nähe meiner Vermutungen zu realen Fällen, in denen ein Dorf gemeinsam Gewalttaten verheimlichte, liess Wendisch Bruch sich beunruhigend in meiner Vorstellung einnisten. Mit "Das Dorf der Mörder" zeigt sich Elisabeth Herrmann von einer neuen Seite - und führt eine Ermittlerin mit Entwicklungsmöglichkeiten ein.
8 von 10 Punkten
Gelesen in einer Leserunde