Über die Länge eines Buches

  • Hallo,


    zunächst mal: ich lese sehr gerne historische Romane.
    weil: ich mich für Geschichte in poetisch erzählter Form interessiere, und
    ich die Dramatik der Vergangenheit (Inquisition, Gesellschaftliche Schranken, Religion usw.) hautnah erleben möchte.


    Schließlich gibt es sehr viele sehr gute Geschichten und Autoren, wie z.b. Peter Prange und seine Gottessucherin, welcher mir die jüdischen Bräuche näher bringt, nur so als Beispiel.


    Leider: sind die meisten historischen Romane für meinen Geschmack viel zu lange. Beziehungen werden gezogen, gedehnt, in andere Richtungen gelenkt, verknüpft, getrennt, bis man (ich zumindest) den Faden verliert.
    , oder so mancher Charakter nervt.


    Ich frage mal so in die Runde, denn wenn man sich die Länge der meisten Historischen ansieht, wird dies von den Lesern gewünscht, geht es wirklich nicht kürzer? Ok, Beschreibungen gehören zum historischen Roman, mehr als in ein anderes Genre, trotzdem müssen es wirklich zwischen 700 und 800 Seiten sein?


    lG, Christine

  • Ich finde bei vielen historischen Büchern kommt es häufig gerade auf die Beschreibung längerer Zeiträume und wechselvoller Ereignisse an. In diesen Fällen ist die Länge des Buches nicht nur berechtigt, meist auch erforderlich. Bei den Büchern von Rebecca Gablé habe ich zum Beispiel nicht das Gefühl, dass man das ohne Verlust straffen könnte.


    Prinzipiell habe ich kein Problem mit langen Büchern, auch 1000 Seiten und mehr sind da kein Hindernis. Im Grunde hat man ja als Leser dann auch mehr Buch fürs gleiche Geld, in anderen Genres würden die Autoren vielleicht Serien draus machen und mehrfach abkassieren. Da sind mir die dicken Schinken dann doch irgendwie lieber.

  • Es gibt doch etliche historische Romane, die nicht so viele Seiten haben. Ich persönlich mag es, wenn eine Geschichte gut erzählt ist, dass sie auch ausführlich erzählt wird.


    Sicherlich gibt es Bücher die zu "dick" sind. Dann ist aber meiner Meinung nach die Geschichte nicht gut erzählt. Ansonsten kann es nicht lang genug sein....


    Wie gesagt schau Dich um, es gibt viele historische Romane die nicht 700/800 Seiten oder mehr haben.

  • Historischer Roman ist natürlich nicht gleich historischer Roman. Aber z.B. Krieg und Frieden ist unter anderen ein historischer Roman weil er Bezüge zu seiner Zeit aufweist und dort kommen über 250 Charaktere vor; da muss man sich im Prinzip ein kleines Dorf merken. Das lässt sich aber auch nur auf ausreichend vielen Seiten entwickeln.


    Viel entscheidender finde ich: Es gibt Bücher mit 100 Seiten, wo ich es als viel dringlicher empfunden habe, das der Autor zum Ende kommt, als bei Dostojewski, Tolstoi etc. Es geht halt nur um die "gefühlte" Länge, oder? :)

  • Wenn dann ist das doch ein 'Problem' das alle Genres haben. Grundsätzlich kann ein Buch nicht dick genug sein, vor allem historische Romane. Sicherlich gibt es auch mal Passagen die sich ziehen und wo man denkt, die sind unnötig, aber die gibt es meiner Meinung nach auch bei Büchern die nur 300 Seiten lang sind.


    Grundsätzlich gibt es aber auch historische Bücher, die nur 400 Seiten oder so haben. Sehe das so wie arter....ich glaube für uns Eulen, kann ein Buch nicht dick genug sein.


    Deshalb meine Gegenfrage, warum kauft man sich ein recht dickes Buch, wenn es zu viele Seiten hat, die man lesen 'muss'?

  • Zitat

    Original von arter
    Prinzipiell habe ich kein Problem mit langen Büchern, auch 1000 Seiten und mehr sind da kein Hindernis. Im Grunde hat man ja als Leser dann auch mehr Buch fürs gleiche Geld, in anderen Genres würden die Autoren vielleicht Serien draus machen und mehrfach abkassieren. Da sind mir die dicken Schinken dann doch irgendwie lieber.


    Dieses Argument finde ich immer irgendwie "bedenklich". Ich kenne sehr viele sehr kurze Bücher (unter 200 Seiten), die ich als sehr gut, literarisch hochwertig, sauber geschrieben, super recherchiert, ausführlich genug, etc. empfinde und die zu meinen absoluten Lesehighlights (grundsätzlich gesehen) gehören.
    Jetzt die Annahme das 200-Seiten-Hardcover-Buch mit Lesebändchen kostet dann genau so viel wie das 700-Seiten-Hardcover-Buch (historisch o. Ä.) mit Lesebändchen dann stört mich das nicht, sondern ich finde es sogar gerechtfertigt. Für mich misst sich der Preis nicht an der Menge an Papier, sondern an Ausstattung (gebunden, Lesebändchen, Leineneinband, so zeugs) und dem Inhalt. Die Seitenanzahl jedoch ist für mich weder Ausstattung noch Inhalt, weil manche Geschichten einfach mehr Raum brauchen als andere ohne, dass damit irgendein Qualitätsverlust einhergeht.
    Deswegen sind Sätze wie: "20,- € für 200 Seiten finde ich aber echt happig!" oder "Naja immerhin hast du für die 22,-€ dann auch 800 Seiten!" für mich immer mit einem Widerspruchsbedürfnis verbunden.


    (Zum Thema Trilogien, Tetralogien, etc.: Solche Dinge wie das englische Buch Band X in der dt. Übersetzung dann in Band X1 und Band X2 aufzuteilen haben damit jetzt nichts zutun - das regt mich auch auf.)

  • Bei einem Buch, gleich welchem Genre, sollte doch die Qualität mehr zählen, als die Quantität. Alleine die Seitenanzahl sagt erst mal gar nichts über den Inhalt aus. Jedenfalls für mich.


    Es gibt Schriftsteller, die schaffen es ihre Handlung in rund 300-400 Seiten so gut zu verpacken und zu übermitteln, dass ich als Leser zu keiner Zeit das Gefühl habe, es würde etwas fehlen. Und dann gibt es eben auch Bücher mit deutlich mehr Seiten, die jedoch mit wenig Handlung und aufgeblähten Buchstaben daher kommen. Und dazwischen, zwischen diesen beiden "Extremen", gibt es auch noch eine ganze Menge.


    Wenn ich es mir aussuchen kann bevorzuge ich die Variante: Gute Story, packend erzählt, auf mindestens 800 Seiten :-)

  • Für mich ist das stark Genreabhängig. Ein Krimi mit 800 Seiten ist für mich schwer vorstellbar, ein historischer Roman von 200 Seiten ist eher im Wortsinn Kurzgeschichte. Hingegen sind Wort wie Preis- Leistungsverhältnis schon für die Bewertung eines Buches relevant und dazu gehört halt, dass ich Bücher wie Tannöd, schlecht gebunden, große Schrift, wenig Seiten für überteuert halte.

  • Der Umfang ist wahrscheinlich in jedem Genre unerheblich. Ich habe auch schon spannende Thriller mit 800 Seiten gelesen. Ist eine Geschichte gut, merke ich es gar nicht, wenn ein Buch 1000 Seiten oder mehr hat.
    Leider haben tatsächlich viele Bücher zu viele Seiten und verzetteln sich in zig Wendungen bis sie endlich zu irgendeinem Ende kommen, das ein paar hundert Seiten früher wünschenswert gewesen wäre. Aber das sind die schwachen Bücher. Die könnten durch Kürzungen zwar einiges gewinnen, richtig gut werden sie dadurch aber auch nicht.


    Der Eindruck, dass historische Romane immer von epischer Länge sein müssen, rührt wahrscheinlich von einigen Paradebeispielen wie "Sinuhe, der Ägypter", "Vom Winde verweht" oder "Krieg und Frieden" her, die sicher jede einzelne Seite wert sind. Das prägt die allgemeine Lesererwartung, und entsprechend schmeißen die Verlage 800- und plus-Seiter auf den Markt, von denen die meisten locker mit 300 Seiten weniger auskommen würden.

    Dabei gibt es durchaus etliche kurze historische Romane. Daphne du Maurier hat einige Juwelen von historischen Romanen wie etwa "Meine Cousine Rachel" (348 Seiten) oder "Der Kelch aus Kristall" (314 Seiten) geschrieben.
    Clare Clarkes "Die französische Braut" ist mit 466 ein vergleichsweise dünner, aber dennoch großartiger historischer Roman. Und Jacques Tourniers hat mit "Jeanne - die Hure des Königs" einen ebenso pointierten wie knappen Roman mit nur 101 Seiten verfasst.


    Leider gehen viele herausragenden Titel - insbesondere ältere - in der Masse und dem aktuellen Einheitsbrei von so genannten historischen Romanen made in Germany à la Iny Lorenz, Ebert und den Trittbrettfahrern der "Love & Landscape"-Sektion vollkommen unter. Da wäre weniger in jeder Hinsicht mehr.

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • Ich habe bereits etliche historische Romane gelesen, und muss sagen, die kürzeren unter ihnen haben mich meist nachhaltiger beeindruckt, wie z.B. "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" von Tracy Chevalier. Hier geht es um die Beziehungsgeschichte eines jungen Mädchens zu einem großen Maler. Aber vielleicht liegt es daran, dass ich mich gerne in einer Hauptfigur und ihren Leiden und Freuden verliere. Zu viele Perspektivwechsel und Abschweifungen reißen mich aus dem Lesefluss. Da muss es schon wirklich extrem fesselnd geschrieben sein, wie z.B. bei Ken Follet.


    lG, Christine

  • Ich verstehe genau was du meinst.
    Ich bin kein Fan besonders dicker Bücher, ganz oft verlieren die mich irgendwo, ich breche sie dann vorläufig ab, lese erst etwas anderes und plane, dem Dicken später nochmal ne Chance zu geben. Die meisten davon lese ich nie zu Ende.


    Es gibt eine Handvoll Autoren, von denen ich auch 800-Seiten Bücher lese, aber von einem Autor, den ich noch nicht kenne, würde ich nie so ein dickes Buch kaufen.
    Jeder hat so seine Spinnereien - das ist meine :-]

  • "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" von Tracy Chevalier hab ich ebenfalls gelesen - sogar 2 oder 3 mal, weil es mich wirklich beeindruckt hat. In diesem Buch wird eine ganz spezielle Atmosphäre geschaffen, die mir so bisher in keinem anderen Buch begegnet ist.
    "Das Schokoladenmädchen" von Katryn Berlinger ist auch ein gutes Beispiel für einen historischen Roman von geringem Umfang (ähnlich wie "Das Mädchen mit dem Perlenohrring"), das mir wirklich sehr gut gefallen hat.
    An Ken Follett's "Die Säulen der Erde", was ja bekanntlich ca. 1000 Seiten hat, lese ich allerdings schon seit einer gefühlten Ewigkeit. Nun steht es schon seit Monaten unberührt im Regal rum, weil ich dann doch ständig ein anderes (kürzeres) Buch einschiebe - naja und weil das Buch bisher auch ehrlich gesagt nicht besonders spannend ist. Hab allerdings auch erst 140 Seiten geschafft.
    Allerdings ist "Die Wanderhure" mit ihren ca. 600 Seiten ja auch schon ein etwas dickeres Buch - und ich hab es wirklich gern gelesen und auch nicht allzu lange dafür gebraucht. :-] "Die letzte Nonne" von Nancy Bilyeau war auch ein einigermaßen dickes Buch und ich fand es wirklich super (gibt zu diesem Buch auch eine Rezi von mir).


    Fazit... Für mich hat die Frage, ob ich einen historischen Roman gut finde und auch gern zu Ende lese, nicht unbedingt mit dem Umfang zu tun...
    Wenn die Beschreibungen auch über eine höhere Seitenzahl hinweg nicht zu öde oder überflüssig werden, ist es ja gut. Außerdem gibt es auch durchaus dünnere Bücher, in denen auf gefühlten 200 von 300 Seiten nur sinnlose Details heruntergeleiert werden (leider fällt mir hier gerade spontan kein gutes Beispiel ein). ;-) Man sollte generell als Autor das richtige Maß an Beschreibungen finden, das für die Geschichte angemessen ist - der schmale Grat zwischen "anschaulich" und "einfach zu viel und langweilig" ist eben teilweise SEHR schmal.
    Da fällt mir gerade Cornelia Funke ein, die in "Tintenherz" so dermaßen ins Detail geht, dass ich damals oft das Buch zuklappen wollte - aber immer, wenn ich an genau diesen Punkt kam, ging endlich die Geschichte weiter. :lache

  • Zitat

    Original von blackrose


    Da fällt mir gerade Cornelia Funke ein, die in "Tintenherz" so dermaßen ins Detail geht, dass ich damals oft das Buch zuklappen wollte - aber immer, wenn ich an genau diesen Punkt kam, ging endlich die Geschichte weiter. :lache


    Na, da hat Cornelia Funke wohl genau den richtigen Punkt erwischt, um den Leser bei der Stange zu halten! Ist auch eine Kunst! :-)


    lG, Sayyida

  • Zitat

    Original von Sayyida


    Na, da hat Cornelia Funke wohl genau den richtigen Punkt erwischt, um den Leser bei der Stange zu halten! Ist auch eine Kunst! :-)


    lG, Sayyida


    Jap, zumindest bei mir persönlich war es genau dieser Punkt. Andere Leser hätten vielleicht schon viel früher das Buch entnervt weggelegt. :grin

  • Tintenherz habe ich damals noch relaiv freiwillig gelesen. Irgendwann war da eine unlust, aber ich wollte es auch nicht abbrechen. Ich dachte mir: Jeder mag dieses Buch und jeder ist von dem Buch begeistert, sodass ich es weiter gelesen habe.
    Doch die Begeisterung die andere hatten, konnte ich nicht nachvollziehen.


    Genrell schrecken mich dicke Bücher ab 500 Seiten aufwärts mehr ab, als dass sie mich ansprechen. Natürlich kaufe ich mir auch Bücher, die über 500 Seiten haben, nur lese ich an den Büchern so extrem lange im Vergleich 400 Seiten Bücher, dass das nicht feierlich ist.
    An "Battle Royale" oder "Die Anstalt" lese ich jetzt schon fast ein halbes Jahr. Okay, da ist noch meine Leseunlust, weswegen ich die jetzt auch nicht weiter gelesen habe.
    Nur kommt es mir so vor, dass wenn ich bei einem dickeren Buch 100 Seiten gelesen habe, trotzdem nicht vorwärts komme. Es kommt mir dann wie ein Endlos Roman vor.

  • Kann ein richtig gutes Buch eigentlich überhaupt zu lang sein? :gruebel


    Ich habe kürzlich den "Armageddon-Zyklus" von Peter F. Hamilton am Stück gelesen - 6 Bände, insgesamt 5.000 Seiten. Im Original waren es nur 3 Bücher (also jeweils > 1.500 Seiten). Es hätten auch zwei-, dreimal so viele Seiten sein können. Oder halb so viele. Die "Auflösung" am Ende war zwar stimmig, aber während der Lektüre verlor sich der Wunsch danach, zu erfahren, wie es ausgehen wird, nach und nach. Es war einfach unglaublich spannend und interessant, sich in dieser Welt zu bewegen, ihr für eine Weile anzugehören.


    "Historische" Romane (eigentlich gibt es nur wenige, die dieses Adjektiv wirklich verdienen) sind zu einem Gutteil damit befasst, die Hintergründe zu schildern, die sozialen, familiären, politischen Strukturen, schließlich taucht man in eine Zeit ein, die mit der unsrigen wenig gemein hat (oder haben sollte - bei guten historischen Romanen). Das kostet einfach Seiten. Zudem wird das Gefühl, sich in jener Zeit gedanklich zu bewegen, intensiver, wenn es länger anhält.


    Was natürlich nicht mehr funktioniert, wenn der Kernkonflikt das nicht hergibt. Je flacher der Spannungsbogen, umso ermüdender das Leseerlebnis, wenn er bis zum Gehtnichtmehr gedehnt wird.


    Eine Zeitlang haben Verlage historische Romane lieber eingekauft, wenn sie länger waren. Inzwischen ist das gesamte Genre auf dem absteigenden Ast.

  • Ja, der historische Roman verliert in der Tat an Fans. Vielleicht liegt es gerade an der Überlänge mancher Bücher, die m.M.n. wirklich gewinnen würden, wären sie kürzer. Jeder, der HR liest, mag über die Hintergründe, die Geschichte der damaligen Zeit, etwas erfahren. Das macht ja den Reiz jenes Genres aus.
    Gerade bei der Gottessucherin habe ich - obwohl es gut geschrieben ist - das Gefühl, der Autor wollte unbedingt auf diese hohe Seitenzahl von über 700 kommen. die Charaktere und die Geschichte um die, zugegeben, sehr interessante Judenfrage, bringen m.M. nach jedoch ab Seite 600 nichts Neues mehr. Ist halt so ein Gefühl, das hier mit der Länge übertrieben wurde. Eigentlich schade um die gute Geschichte.


    lG, Christine

  • Ich kann mir gut vorstellen, dass sich einige Leser von der hohen Seitenzahl abschrecken lassen. Es gibt eben wirklich zu viele dicke Bücher, die die Spannung nicht so lange durchhalten und wo das Interesse dann irgendwann nachlässt. (Beispiel: "Labor des Teufels" von Robin Cook.. Ist zwar kein historischer Roman, aber trotzdem fand ich dieses Buch furchtbar zäh!)
    Aber es gibt eben auch einige Ausnahmen, die sich trotz 700+ Seiten wunderbar lesen lassen.. :-]