Verlag:Matthes & Seitz Berlin, 2010
Gebundene Ausgabe: 268 Seiten
Originaltitel: Roland Barthes par Roland Barthes
Aus dem Französischen von Jürgen Hoch
Kurzbeschreibung:
Die legendäre intellektuelle Autobiographie des Denkers und Schriftstellers in Text und Bild.Roland Barthes war 60 Jahre alt, als er beim Betrachten alter Fotos seine Gedanken notierte und Über mich selbst [Roland Barthes par Roland Barthes] veröffentlichte: ebenso originelle wie anregende Reflexionen über sein Leben. »All dies muss als etwas betrachtet werden, was von einer Romanfigur gesagt wird«, beginnt Barthes und stellt klar, dass es sich bei Über mich selbst um eine fiktive Autobiographie handelt um ein »neu-schreiben« mit dem Barthes »den Büchern, Themen, Erinnerungen, Texten eine andere Art des Aussagens hinzufügen« will. Die bewusst fragmentarischen literarisch-fiktiven Metamorphosen der eigenen Person werden dabei an die lustvolle körperliche Erfahrung des Schreibaktes zurückgebunden. Erst im Schreiben entwirft sich Roland Barthes als Subjekt und setzt sich aus den autobiographischen Splittern und Fragmenten zusammen.
Christian Linder in seinem Nachwort:
»Wie diese Sprache funkelt. Sätze einfach wie hingeworfen, ohne in einen Zusammenhang gestellt zu werden. Als habe ein Maler einen Tintenklecks aufs Papier gespritzt und beobachte nun, wie er sich ausbreitet.«
Über den Autor:
Roland Barthes (1915-80), einer der bedeutendsten Kritiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ist als einer der Initiatoren und Vorkämpfer der semiologischen Revolution bekannt geworden und für ein Werk, in dem sich biographisches Material und wissenschaftlicher Ansatz miteinander verflechten. Einen heute relativ unbekannten Teil seines Werkes verfasste er in den fünfziger Jahren. Zu dieser Zeit war Roland Barthes aktiv beteiligt an der Gründung und dem Erscheinen der Zeitschrift 'Teatre populaire', eines ebenso ästhetischen wie politischen Phänomens. Anfang der sechziger Jahre gibt Barthes das Theater auf, er besucht es nicht mehr, er schreibt so gut wie keinen Artikel mehr über Aufführungen. Aber er ist langfristig von seiner Erfahrung geprägt 'Im Herzen meines Werks, das Theater'. Er starb am 26. März 1980 an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Zuletzt hatte er am Collège de France einen Lehrstuhl für Semiologie.
Über Christian Linder, der das Nachwort geschrieben hat:
Christian Linder, 1949 in Lüdenscheid geboren, studierte in Bonn Philosophie und Literaturwissenschaft. Seit 1974 arbeitete er für Deutschlandfunk, ›Süddeutsche Zeitung‹, ›Frankfurter Allgemeine Zeitung‹ und WDR. Zuletzt veröffentlichte er bei Matthes & Seitz Berlin Das Schwirren des heranfliegenden Pfeils. Heinrich Böll. Er lebt in der Eife
Mein Eindruck:
Roland Barthes, der „James Dean“ unter den Philosophen, ging beim Schreiben seiner Autobiographie von 1974 unkonventionell vor, das macht aber auch den Reiz des Buches aus.
Barthes beginnt mit der Präsentation einiger Fotos: von Bayonne, der Stadt seiner Kindheit, von sich als Kind oder mit seiner geliebten Mutter und seinem Bruder (der Vater starb früh),
alte Familienfotos die seine Großväter und Großmütter zeigen, dann von sich als junger Mann und schließlich als Schriftsteller in seinem Arbeitszimmer.
Diese Fotos kommentiert er klug. So entsteht auf geringen Raum schon eine komplettes Abbildung der Kindheit. Ziemlich beeindruckend.
Es bleibt Barthes ab Seite 47 dann ausreichend Platz anhand von Kurztexten, Fragmenten und Aphorismen ins Detail seines Denkens zu gehen. Diese Texte sind betitelt und gehen mal nur über ein paar Sätze, mal nehmen sie eine ganze Seite oder mehr ein. Manches davon ist sehr einfallsreich, fast alles ist sprachlich faszinierend gestaltet.
Hier will ich allerdings nicht verschweigen, dass es von nun ab viele fordernde, schwierige Passagen gibt, die sich dem flüchtigen Leser (also auch mir) nicht immer gleich erschließen.
Immerhin lässt Barthes den Leser nicht alleine, erläutert sogar stellenweise einleuchtend, anderes bleibt jedoch zunächst rätselhaft und fremd, da dem ungeschulten Leser philosophischer Texte die Bezüge fehlen. Vieles muss man vielleicht mehrfach lesen, daher habe ich keinesfalls den Eindruck, schon fertig mit dem Buch zu sein.
Wichtigstes Thema seines Lebens ist das Schreiben, darum kreisen die meisten der Abschnitte, selbst über Tippfehler weiß er etwas zu sagen.
Oft erzählt er von sich in der dritten Form, nur manchmal gibt es ein Ich.
Ein wichtiger Einfluß auf seine literarischen Einflüsse war anscheinend Andre Gide.(Siehe den Abschnitt Abgrund)
Ein paar Passagen möchte herausstellen, die mir gut gefallen haben: Die Arroganz, Der Anhängewagen, Die Koinzidenz, Das Kotelett, Fourier oder Flaubert?, Der Erdbeersaft, Der Kreis der Fragmente, Tippfehler, Linkshänder, Ich liebe ich liebe nicht, Eine Kindheitserinnerung, Die Wade der Tänzerin, Gerüche, Patch-work.
Am Schluß sei neben der guten Buchgestaltung auch noch das interessante, lange Nachwort von Christina Linder erwähnt.