Arbeitsbedingungen bei Amazon

  • DraperDoyle Danke für deine Eindrücke. Wenn man persönlich Leute kennt, die dort arbeiten, bekommt man sicher ein besseres Bild als über die Medien...


    Zitat

    Original von DraperDoyle
    Die Arbeit ist mäßig bezahlt, ein Alleinstehender bekommt knapp über 1000 €, für einen eintönigen Knochenjob im Schichtbetrieb.


    Gleiches könnte man über den Großteil der Kellner sagen - sicherlich, das macht es nicht besser. Aber dass die Bezahlung (zu) gering ist und Angestellte per Leiharbeit oder kurzfristig kündbaren Verträgen herangeschafft werden, ist eben heutzutage (leider) kein Einzelfall.


    Ob es da bei anderen (Buch)Versandhandeln soviel besser zugeht - ich weiß es nicht.


    (Und letztendlich: Die Menschen wollen es doch so. Alles möglichst billig. :-()

    "Es gibt einen Fluch, der lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben!" [Echt zauberhaft - Terry Pratchett]

  • Zitat

    Original von Cathrine
    Aber als Mensch der davon leben muss, kann ich letztlich immer noch nach was anderem schauen. Da würde ich nicht für 6,15 € endlos Stunden schieben und eine Befristung nach der anderen hinnehmen. Was sind also die Gründe dafür, dass die Menschen bei Amazon so mit sich umgehen lassen?


    Hast Du in letzter Zeit mal Kontakt zum Arbeitsamt gehabt? Wir haben immer noch ein Arbeitslosenheer von Millionen und wenn auch nur einer von denen sagt: Nö, für die paar Mücken geh ich da gar nicht erst hin, wird man Dir ganz schnell sämtliche Leistungen streichen.


    "Jeder ist für seinen Arbeitsvertrag selbst verantwortlich" mag ja für gut ausgebildete Leute noch funktionieren (aber ich fürchte, nicht mal da - Stichwort "Generation Praktikum"), aber bei den schlecht qualifizierten ist es mit "dann sucht Euch doch was besseres" Essig.


    Den Job bei Amazon oder einem anderen Ausbeuter abzulehnen, kann man sich heute nicht mehr erlauben.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Heutzutage kann jede Firma mit einen sogenannten “sachlichen Grund“ befristet Arbeitnehmer einstellen. Nach Ablauf der Befristung die gleiche Person, mit einen anderen Grund immer wieder, jahrelang. Bei befristeten Arbeitsverträgen gelten andere Kündigungsfristen.
    Ich behaupte jetzt mal, der Kündigunsschutz in Deutschland ist schon lange nicht mehr so toll.

    ************************************************
    Bookworms will rule the world! As soon, as we finish one more chapter...

  • @LeeSebär


    Das wir nun schon wieder zusammen diskutieren freut mich. :-)


    Zum Glück hatte ich mit dem Arbeitsamt bisher sehr wenig zutun und das eine Mal war nur einen Monat wg Krankenversicherung. Gott sei Dank.


    Sicherlich hast du nicht unrecht, nur weil es bei mir funktioniert, muss das bei anderen nicht genauso sein.


    Aber ist dann Boykott der richtige Weg, was zu ändern? Im Grunde müßten wir ja alles meiden und könnten nirgendwo mehr einkaufen..auch nicht bei Versace denke ich. Wenn wir jetzt alle anfangen bestimmte Firmen zu meiden, haben diese Leute nicht mal mehr die Möglichkeit diesen Vertrag abzulehnen, weil die Firmen keinen mehr einstellen können.


    Sicherlich können die Firmen so agieren, weil es eben genügend Menschen gibt, die diese Jobs annehmen (müssen). Im Grunde müssen halt die AN auf die Straße gehen und dagegen protestieren und ihre Firma boykottieren.


    Und diese Firmen sind so groß, die müßten einen Betriebtsrat haben oder Gewerkschaft.


    Passiert ja grade im Sicherheitsbereich auf den Flughäfen...


    Zu dem Theme, die Menschen wollen alles möglichst billig; Ich glaube das resultiert daraus, weil die meisten für sehr wenig Geld arbeiten gehen und einfach nicht mehr bezahlen können, darauf wiederum stellen sich die Firmen ein und müssen dann die Löhne knapp halten. Also letztlich ist das eine Spirale...ohne höhere Löhne, kann es auch keine höheren Preise gebe für mehr Qualität.

    :schaf


    Die Wahrheit ist die grösste aller Tragödien (Anonymus)


    Abwesend vom 20.08.-27.09.

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Cathrine ()

  • Zitat

    Original von Cathrine
    Sicherlich hast du nicht unrecht, nur weil es bei mir funktioniert, muss das bei anderen nicht genauso sein.


    Aber ist dann Boykott der richtige Weg, was zu ändern?


    Nein, vermutlich nicht - siehe Schlecker (das Beispiel tauchte in dem anderen Thread auf): Die haben auch trotz massiver Kritik viel zu lange an ihrem "weiter-so" festgehalten. Erst beim Rausverkauf habe ich mal zwei Verkäuferinnen gleichzeitig im Laden gesehen.


    Letzten Endes kann ich tatsächlich nicht bei jedem Einzelhändler/Dienstleister etc nachfragen, ob die Mitarbeiter denn auch ein vernünftiges Arbeitsumfeld haben und anständig bezahlt werden. Aber ein bißchen informieren und entsprechend reagieren kann ich schon.


    Echte Verbesserungen kann aber meiner Ansicht nach nur die Politik schaffen. Wieso zum Beispiel immer noch Politiker behaupten, der Markt würde schon für leistungsgerechte Bezahlung sorgen, ist mir ein Rätsel.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Zitat

    Original von Kirsten Slottke
    ... diejenigen, die trotz Arbeit weniger im Geldbeutel haben, als ein Hartz IV-Empfänger.
    ....



    Kirsten
    Wenn du Leute kennst bei denen das so ist, dann stimmt was nicht. Die sollten das prüfen lassen.
    Weil... so stimmt deine Annahme nicht.


    Das nur maöl am Rande.

  • Zitat

    Original von xexos


    Ich habe auch für 'ja' geklickt, aber aus anderen Gründen. Die Auswahl an Büchern ist bei Amazon doch genauso groß wie bei allen anderen Anbietern im Netz, oder? Und durch die Buchpreisbindung gibt es auch keine Preisdifferenzierung, also können die Bücher bei Amazon gar nicht günstiger sein.


    Was mir gefällt, ist die einfache Recherche bei Amazon, der gute und gewohnte Aufbau der Seite und die hohe Anzahl an Rezensionen zu jedem Produkt. Bei der Güte der Rezensionen kann man ja vielleicht auch geteilter Meinung sein, aber ich habe zumindest noch keine Seite gefunden, die Kundenmeinung und Warenangebot so geschickt und gut miteinander verbinden.


    Ja, das stimmt. Da habe ich gar nicht daran gedacht. Und natürlich habe ich und bestelle zwischendurch auch bei anderen Portalen Bücher. Was mir bei Amazon jedoch auch gut gefällt, ist die rasche Lieferung. Bei einem anderen Bücher-Shop sind die Bücher auch am übernächsten Tag da, aber bei anderen dauert es länger.


    Der Aufbau der Seite und reichlich Reszensionen finde ich natürlich auch klasse. Die riesen Produktauswahl nicht zu vergessen.


    @ Leselampe: Das bestellen im Buchladen habe ich längst aufgegeben. Ich wohne auf dem Land, bin zwar wegen der Arbeit jeden Tag in der Kreisstadt, aber es dauert mir einfach zu lange. Ausserdem muss ich den Buchladen ein zweites Mal aufsuchen um das Buch abzuholen. Von der Parkplatzsuche mal abgesehen, will ich nach Feierabend nur noch nach Hause. Da wähle ich doch lieber den bequemeren Weg, bestelle im Netz und habe am übernächsten Tag meine Artikel.


    Und wie Cathrine schon sagt. Da muss man auch andere Berufsgruppen mit in den Topf packen. Sie leisten auch harte Arbeit und werden schlecht bezahlt.

    Zündet man eine Kerze an,erhält man Licht.Vertieft man sich in Bücher,wird einem Weisheit zuteil.Die Kerze erhellt die Stube, das Buch erleuchtet das Herz.


    (Sprichwort aus China)

  • Also, ehrlich gesagt, ich weiß nicht was die Buchhändlerin bei uns um die Ecke verdient, zum Teil 1-2 Mann Betriebe, da kann auch nicht viel bei rumkommen.


    In dieser Doku ist von ungelernten Kräften die Rede oder aber auch jene, die in ihrem Bereich keinen Job finden. Mein Freund hat dort auch eine Woche zur Probe gearbeitet, man hat ihn einen Job in Aussicht gestellt und als die Woche vorbei war, gabs natürlich keinen Vertrag.


    Amazon hat aber den Vorteil, dass die das Prinzip des Kundenservice begreifen. Schlecker war so naiv und hat die massiven Einsparungen beim Personal den Kunden spüren lassen. Oft saß garkeiner an der Kasse, man wartete ewig, Sachen wurden nicht zeitnah ausgepackt, Ware war nicht verfügbar etc. All das sind Dinge, die keinen Kunden binden. Amazon liefert absolut zeitnah, reagiert super schnell auf Kundenanfragen (lt. meiner Erfahrung) und dies weckt Vertrauen. In mir zumindest. Ich kann bei Amazon mit gutem Gewissen auch ein teures Gerät bestellen, da ich weiß, dass auch Reklamationen einwandtfrei bearbeitet werden.
    Demnach ist das Vertrauen in einen Online Händler wie Amazon sogar größer als Händlern vor Ort wie z.B. Sat***.


    Wenn ich Läden boykottieren müsste, die ihre Angestellten oder die Produkthersteller (Näherinnen in Indien oder wo auch immer) nicht angemessen vergüten, dürfte wirklich nirgends und nichts mehr kaufen. Es fängt bei Bananen an und endet scheinbar bei Apple Produkten.
    Achso, und zum Friseur darf man dann auch nicht mehr, weil deren Lohn auch kaum zum Leben ausreicht.


    Was ich damit sagen möchte:
    Amazon ist nur einer von 1000en, die ihre Arbeiter nicht angemessen bezahlen und keine angemessenen Arbeitsbedingungen bieten. Bei Amazon wird es nur sehr deutlich, weil der Betrieb begriffen hat, dass man Umsätze macht, indem man dem Kunden gerecht wird. Große Umsatzzahlen fallen auf, wecken Skepsis. Natürlich wird dort sehr genau hingeschaut.


    Für mich als zufriedener Amazon Kunde gibt es keinen Grund, dort nicht mehr zu kaufen. Man hat mich dort bisher immer zufriedengestellt und der Buchhandel bei mir vor Ort arbeitet mehr als langsam. Die Art und Weise, wie Amazon mit ihren Mitarbeitern umgehen darf ist Sache der Politik. Kein Unternehmen sollte die Möglichkeit haben, Arbeiter auszubeuten. Weder Kik, Schlecker (okay, Geschichte), Amazon oder diverse andere Geschäfte.

  • Zitat

    Original von saz
    Gleiches könnte man über den Großteil der Kellner sagen - sicherlich, das macht es nicht besser.


    Jetzt muss ich aber mal die Gastro hier in Schutz nehmen. Natürlich sind viele Jobs in der Gastro unterbezahlt und es gibt Firmen, die nur auf Studenten aus sind, aber es gibt auch durchaus gut bezahlte Jobs in der Gastro. Außerdem werden gerade die Tarife in der Gastro sowohl für Festangestellte als auch für Azubis. Klar, reich werden nur die wenigsten in der Gastro, aber mit dem Lohn kann man durch aus leben.
    Es kommt halt drauf an, wie und wo man angestellt ist.

  • Tariflöhne sind schön und gut, diese müssen aber erstmal bezahlt werden. Und das tun nur die wenigstens, da kannst du mit dem Gesetz winken, wie du willst. Im schlimmsten Fall (in der nächsten Familie erlebt) wirst du gekündigt und kannst sehen, wo du bleibst.


    Bei der ganzen Diskussion um Amazon sollte man auch daran denken, dass wir hier über ungelernte Kräfte sprechen. Wie viel sollte man ihnen zahlen, ohne dass sich Fachkräfte "beleidigt" fühlen?

  • Zitat

    Original von beowulf


    Woher soll Amazon wissen welche Firma die Unterkünfte bewacht?


    Naja, spätestens durch die Anfragen der ARD werden sie davon erfahren haben. Ich glaube aber nicht, dass Amazon das nicht vorher prüft. Ist Amazon nicht Kontrolle pur?


    Mal anders herum gefragt, was fanden denn die Pro-Amazöner an dem Beitrag positiv, sodass sie weiter voller Inbrunst dort einkaufen werden?
    Ich hab mir den Bericht gestern Abend angeschaut und war ziemlich erschüttert.


    Noch was zu den Buchkäufern: Eine örtliche Buchhandlung und Online-Kaufen bzw. sich ein Buch zusenden lassen schließt sich nicht aus. Man kann prima dort anrufen oder online bestellen und sich das Buch liefern lassen. Auch dann braucht man nicht einmal extra in die Stadt zu gehen bzw. einen Umweg beim Lebensmittel-Einkauf zu machen.

  • Der Bericht ist nicht gut.
    Hat nicht Hand, nicht Fuß.


    Nota bene: Ich glaube jedes Wort davon und schlage mindestens die Hälfte an Schlechtigkeit noch mal drauf, das ist nicht das Problem.
    Das Problem ist die Art, wie das Ganze berichtet wird.
    Sprunghaft, unzusammenhängend, schlecht recherchiert. Das ist Betroffenheitsjournalismus.
    Allerliebst. Ganz reizend. Bringt eine mindestens einmal um die Nachtruhe (auf dem nackenstützenden Kopfpolster eingekauft bei amazon).
    Die Welt ist so schlecht! :cry
    Die Taschentücher, um die Tränen zu trocknen, gibt's auch bei amazon.
    :rolleyes


    Der Bericht ist rundum unpolitisch. Greift ans Herz, aber übergeht den Verstand.
    Die 'Diskussion' hier ist der schlagende Beweis dafür.


    Es gibt Möglichkeiten, solche Zustände zu ändern, das muß die Grundlage solcher Berichte sein.
    Genau diese Grundlage fehlt.


    Daß sich der kleine Verlag von amazon getrennt hat, ist wirklich gut. Da hat mal einer mitgedacht und die Betroffenheitsschwelle übersprungen. Wer sich mit solchen Themen viel beschäftigt, kann das auch. Aber dazu braucht sie diesen Bericht nicht.
    Der Kleinverlag hate nich mehr Gründe dafür, der Bericht war nur der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Ich empfehle die Lektüre des Bruefs des Verlegers.


    Acgh, so: Schlecker ist mitnichten wegen Boykott durch die Kundschaft gekippt, sondern weil sich die Firma bei der Expansion finanziell übernommen hat.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Hallo,


    mal vom Bericht abgesehen, finde ich es wirklich erschreckend wie scheißegal einigen Nutzern hier Menschen sind, wen man sich die Beiträge hier mal durchliest hört man oft nur Kritik an der ARD und an den Redakteuren, nur wenige gehen hier wirklich auf die Thematik ein, nach dem Motto "egal ob da was dran ist, wir hacken jetzt mal auf der ARD rum, das eigentliche Thema ist ja nicht unser Problem".


    Sind wir den wirklich schon so tief gesunken das die "Geiz ist Geil Mentalität" Mitgefühl und Gewissen vollkommen abschaltet ?


    Verdammt noch mal, selbst wen nur 30% von dem Bericht stimmen, ist dies unter aller Sau, ich möchte mal die hören die hier alles runterspielen wen es ihnen selbst nur im Ansatz so ginge, ich könnte wetten da wäre das Geschrei groß.

  • Zitat

    Original von ottifanta
    "Die Welt" verbessern wird alleine ein wenig schwierig, aber es ist sicherlich möglich, vor Ort einiges zu verbessern, bzw. etwas zu erhalten.
    In "meinen" Buchhandlungen vor Ort arbeiten Vollzeit- und Teilzeitkräfte mit unbefristeten Verträgen, ...


    Nur weil die Gesetze das Handeln von Amazon, Thalia usw. zulassen, muss ich diese Unternehmen nicht unterstützen, sondern kann - insbesondere bei preisgebundenen Büchern - im örtlichen Einzelhandel einkaufen. (sofern das meine Zeit zulässt)


    Zitat

    Original von beowulf
    Ottifanta, bist du sicher, dass die Buchändlerin in deiner kleinen Buchhandlung 8,52€/Stunde brutto verdient?


    ?(
    Nein, der Lohn dort liegt meines Wissens höher - und genau deshalb bevorzuge ich es, dort einzukaufen, Vorbestellungen am Telefon oder per Email sind kein Problem. Das habe ich allerdings schon lange vor den Berichten über Amazon so gehalten.



    Und zu der Frage, wie das aus Arbeitgebersicht aussieht: Sicher kann man ständig befristetete Arbeitsverträge abschließen, einen auf den anderen folgen lassen. Das wirkt sich oft nicht gerade gut auf die Motivation der Mitarbeiter aus... und man läuft das Risiko, diese Mitarbeiter schnell zu verlieren.

    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.

  • Bisher habe ich die Diskussion still mitgelesen, weil ich den Bericht noch nicht gesehen hatte. Was ich soeben getan habe. Alles habe ich nicht im Detail präsent, aber ein paar Anmerkungen will ich doch loswerden. Es sei vorab bemerkt, daß ich etwa zehn Kilometer von Bad Hersfeld entfernt in einem Dorf wohne.



    Stichwort „kilometerweit zum Einkaufen“


    Tja, was soll ich sagen? Das ist für uns tägliche Realität. Im Dorf gibt es praktisch nix mehr (von einem Getränkeladen abgesehen). Für jeden Einkauf - und sei es nur ein Stück Butter - muß man mindestens 5 km fahren (in den Hauptort oder nach Asbach, einem Stadtteil von Bad Hersfeld) oder gleich 10 km nach Bad Hersfeld. Also nicht nur für ein paar Wochen, sondern immer, grundsätzlich.



    Stichwort Wartezeit zum Bus


    Auch das ist tägliches „Brot“ hier - jedenfalls für unsere Tochter, die mit dem Bus nach Bad Hersfeld zur Schule muß. Nicht gerade zwei Stunden, aber wenn sie direkt nach der Schule Fahrstunde hat (90 Minuten), kommt sie etwa fünf bis zehn Minuten später an, als wenn sie Bus gefahren wäre.
    Und ich entsinne mich, als sie in der 9. Klasse war und das Betriebspraktikum anstand, habe ich mich auf der Elternversammlung gewaltig mit dem Lehrer angelegt. Es ist nämlich zumutbar, so mußte ich lernen, daß die Kinder zwei Stunden auf den Bus warten müssen. Und zwar morgens und mittags. Also wenn der Bus zwei Stunden vor Arbeitsbeginn eintrifft und erst zwei Stunden nach Ende wieder einer zurück fährt, ist das zumutbar. Und es sei uns Eltern nicht erlaubt, die Kinder selbst zu fahren.
    Und von wegen volle Busse oder mal die Kinder stehen lassen, weil zu wenige Busse eingesetzt werden. Wie gesagt, tägliches Brot. Aber was solls - das sind ja nur Kinder.



    Es wurde hier im Thread erwähnt „dann soll man halt woanders arbeiten“. Nun ja, es gibt auch eine Menge Saisonkräfte aus der Gegend (bis hinein ins nahe Thüringen). Oder auch das Stammpersonal, was es auch gibt. Nur wo sollen die sonst arbeiten, wenn es sonst nicht viele Stellen gibt? Das mag auf mancher Insel der Seligen oder in einem Ballungsgebiet problemlos sein, hier ist aber - um es kraß auszudrücken - Provinz. (Das ist jetzt nicht negativ gemeint; mich bringen keine zehn oder auch mehr Pferde mehr in eine größere Stadt, geschweige denn in ein Ballungsgebiet.)


    Und ansonsten die Vorwürfe: meine Güte, was erwartet ihr denn? Tom hat früher geschrieben:

    Zitat

    Original von Tom
    Aber irgendwer muss immer bezahlen. Immer.


    Wer bezahlt wohl für die versandkostenfreie Lieferung!? Amazon bestimmt nicht, die Kunden weigern sich, DHL dürfte groß genug sein, da gegenhalten zu können, bleiben nur noch übrig: die Lieferanten (s. den früher verlinkten Brief eines Verlegers) und die Beschäftigten.


    Bleibt für mich die Frage, ob dieser Bericht für das hier ansässige Busunternehmen Folgen hat. Und wenn ja, wer für diese aufkommt. Aber da werden die Damen und Herren Journalisten vermutlich jede Schuld von sich weisen. Wo kommen wir hin, wenn man das tut, was man von anderen verlangt: Verantwortung übernehmen.


    Ergänzung.
    Das war natürlich heute auch Thema in der hiesigen Tageszeitung, die bei den angesprochenen Firmen um eine Stellungnahme gebeten hatten. CoCo Touristik sah keine Notwendigkeit, sich zu äußern, Trenkwalder hatte bis Redaktionsschluß nicht geantwortet und die Geschäftsleitung der Securityfirma war für Stellungnahmen nicht zu erreichen, hieß es aus der Kasseler Unternehmenszentrale.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Zitat

    Original von ottifanta


    .. und man läuft das Risiko, diese Mitarbeiter schnell zu verlieren.


    Diese Erfahrung habe ich bis jetzt noch nicht gemacht ( und ich arbeite seit zig Jahren im Personalbereich ): Im Gegenteil, die Mehrheit der MA mit einem befristeten Vertrag, hofft oft bis zum letzten Tag der Befristung auf eine Weiterbeschäftigung, welcher Art auch immer.
    Vorab etwas Neues suchen kommt bei den wenigsten vor - vor allem, wäre das ja mit grosser Wahrscheinlichkeit auch wieder nur ein befristeter Vertrag.

  • Also in Leipzig übernimmt Amazon von ein paar tausend Zeitarbeitern, die so September anfangen ein paar hundert- erklärt die Zeitung jedesmal. Das zeigt, dass die tatsächlich unter den Zeitarbeitern auswählen, aber die Chance ist halt jeweils 1:minimal. Doch da reden wir über dieselben Beschäftigungsbedingungen bei Amazon und nicht über diesen unsäglichen Fernsehbeitrag.

  • [/quote]


    Zu den Schwachen zählen oftmals die Arbeitnehmer, die beispielsweise aufgrund ihres Alters dem Druck nicht mehr gewachsen sind. Aussortieren? Sperrmüllabfuhr anfordern? Zu den Schwachen zählen aber auch die, die sich für das Unternehmen den Arsch aufgerissen haben, sich kaputt und krank gearbeitet haben und nun durch das Unternehmen in die Mülltonne entsorgt werden.


    Zu den Schwachen zählen auch die Arbeitnehmer, die aufgrund ihres Arbeitslohnes nicht menschenwürdig leben können, die, obwohl sie den ganzen Tag über hart arbeiten, trotzdem noch aus staatlichen Mittel unterstützt werden müssen. Ein gerechter Mindeslohn würde hier Abhilfe schaffen. Aber nein - die Politik richtet sich hier wider besseres Wissen nach den einseitigen Interessen der Konzerne. Wir begeben uns hier in eine Abhängigkeit die nicht Not tut.


    Was mich ein wenig tröstet ist, das die jungen Arbeitnehmer, die heute so vehement die inhumane Leistungsgeselllschaft bejahen - die Alten von morgen sind und ich kann nur hoffen, dass sie dann ebenso mies behandelt werden, wie sie heute ihren Jugendwahn leben.[/quote]


    :write


    Was mich am meisten stört ist, daß sich die "Burgherren-Mentalität" in D immer weiter durchsetzt, d.h. Arbeitnehmer werden als Leibeigene angesehen, die mit ihren gerechtfertigten Forderungen nach Lohnsteigerung (nach mehr als 10 Jahren Reallohnverlust bis zu 20%) als raffgierig abgetan werden.
    Gehaltssteigerungsforderungen werden als ruinös für den wirtschaftlichen Erfolg einer Firma angesehen, gleichzeitig gönnen sich die Entscheidungsträger im Gegensatz zu Reallohnverlust der mittleren und unteren Einkommensniveaus eine Gehaltssteigerung von 30-40% im gleichen Zeitraum.
    Es werden die Arbeitnehmer als nicht intelligent genug angesehen solche Zusammenhänge zu überblicken. :pille Viele Arbeitnehmer, deren Arbeitskraft und -einsatz nicht mehr im entsprechenden (und ich rede hier nicht nur vom finanziellen Aspekt) wertgeschätzt wird, verabschieden sich von ihrem Unternehmen durch den Zustand der "inneren Kündigung". Arbeit nach Vorschrift, ohne Nachzudenken "ich tue nur noch das was mir gesagt wird"-Mentalität.
    Es wird von den Entscheidungsträgern aber nicht gesehen, daß ihr eigenes Verhalten und das Betriebsklima von ober herunter zu dieser Einstellung geführt hat. Diese Einstellung kostet die deutsche Wirtschaft bestimmt einiges an Millionen an verschwendeter Arbeitszeit durch nicht erfolgte Kommunikation u.ä.


    Die Politik oder Politiker, die dieses Verhalten aus der Wirtschaft durch ihre Vorgaben unterstützen, z. B. indem sie sich weigern bekannte Schlupflöcher in Gesetzen zeitnah zu schliessen, tun mir einfach nur noch leid, da sie sich immer mehr von der Bevölkerung entfernen ohne es zu merken. Dazu gehört auch die irrwitzige Aussage "die Kanzlerin verdient zu wenig". Wer seiner Ansicht nach in der Politik zu wenig verdient kann ja in die Wirtschaft gehen. Es wird niemand gezwungen "unterbezahlt" in der Politik zu arbeiten. Die meisten Politiker arbeiten nicht in der Politik aus reiner Menschenfreundlichkeit sondern nur aus eigenem kommerziellen Interesse. Die Politiker können sich ja auch die Diäten selbst erhöhen und sind aus purer Menschenfreundlichkeit natürlich alle dafür mehr Geld zu bekommen. Diese Selbstbedienungsmentalität unterstellen sie dann Arbeitnehmer oder Hartz-IV Empfängern (Zität Ex-Kanzler Schröder) "Mitnahmementalität", wenn sie ihnen zustehende Leistungen einfordern.
    Bei Politikern vermisse ich seit dem Misstrauensvotum gegen Ex-Kanzler Schmidt jeglichen Anstand und gesunden Menschenverstand (selbst dafür haben sie einen Berater...gut neudeutsch Consultant genannt)


    Um zum Ursprungsthema zurückzukommen:
    Ich bestelle bei Amazon keine Bücher, da das Verhalten von amazon schon seit längerem bekannt ist. Dagegen nutze ich meinen Account bei amazon zur Führung einer wohlgeordneten Bücherwunschliste und kaufe bei einem kleinen Hamburger Fillialunternehmen bei mir um die Ecke. In dieser Filliale bin ich Stammkunde, bestelle persönlich, per Telefon oder nach Geschäftsschluß per Internet und habe meine Bücher entweder genauso schnell oder schneller, als wenn ich sie bei amazon bestellt hätte und habe einen guten Draht zu den Buchhändlern dort.
    (Bei amazon bestelle ich nur hin und wieder 2-3 mal im jahr irgendwelche Nicht-Buch-Artikel, die ich woanders gar nicht oder nur mit Einzelbestellung bei verschiedenen Shops bekäme...Bequemlichkeit)


    So genug für einen Samstag Vormittag...nur MHO

    :lesend Stefanie Stahl - Das Kind in Dir muss Heimat finden

    :lesend Jean Luc Bannalec - Bretonisches Vermächtnis


    Es ist besser eine Kerze anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen (Konfuzius)