Das Leuchten in der Ferne
Linus Reichlin
ISBN: 978-3869710532
Galiani Berlin
300 Seiten, 19,99 Euro
Über den Autor: Linus Reichlin, geboren 1957, lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Sein in mehrere Sprachen übersetzter erster Roman Die Sehnsucht der Atome stand monatelang auf der Krimi-Welt-Bestenliste und wurde mit dem Deutschen Krimi-Preis 2009 ausgezeichnet, sowie für den Friedrich-Glauser-Preis als bester Debütroman nominiert. 2010 erschien sein zweiter Roman, Der Assistent der Sterne, der zum »Wissenschaftsbuch des Jahres 2010 (Sparte Unterhaltung)« gewählt wurde. Zuletzt erschien sein Roman Er (2011), mit dem er die Jensen-Trilogie abschloss.
Klappentext: Die Gezeiten von Liebe und Krieg. Ein abenteuerlicher Roman über einen Kriegsreporter, eine Liebe unter extremen Bedingungen und über die Sucht nach Gefahr. Moritz Martens, einst gefragter Kriegsreporter, bekommt seit Monaten keine Aufträge mehr. Er ist müde geworden, sein Konto ist fast leer, seine Ehe ist schon vor Jahren gescheitert und seine Affären machen ihn nur noch einsamer. Da weht der Zufall eine Frau in Martens’ Leben: Die faszinierend fremdländisch wirkende Miriam Khalili. Ihr Vater war einst aus Afghanistan geflohen, sie selbst ist in Berlin aufgewachsen. Miriam erzählt Martens eine unglaubliche Geschichte: Sie würde eine junge Afghanin kennen, die als Junge verkleidet seit Monaten mit einer Talibangruppe durch die Berge zieht. Der Anführer der Gruppe ist weit über die Grenzen des Landes hinaus für seine Brutalität und seinen Frauenhass berüchtigt. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis das Mädchen enttarnt wird. Um sich zu retten sei es bereit, für zehntausend Dollar ein Interview zu geben. Miriam könne über einen Kontaktmann ein Treffen an einem geheimen Ort arrangieren. Doch schon in der Transall nach Feyzabad beginnt Martens an der Echtheit der Geschichte zu zweifeln. Ganz offensichtlich war Miriam noch nie zuvor in Afghanistan und verwickelt sich auch sonst immer mehr in Widersprüche. Doch Martens liebt das Unvorhersehbare und lässt sich trotzdem auf das Abenteuer ein. Er kann nicht ahnen, wie sehr das, was ihn in Afghanistan erwartet, sein Leben erschüttern wird.
Meine Meinung: Seitdem ich „Der Assistent der Sterne“ von Linus Reichlin gelesen habe, bin ich ein großer Fan dieses Autors. Ich mag seine ganz eigene Art seine Figuren zu zeichnen und liebe seinen behutsamen Umgang mit der Sprache – er wendet sie an wie etwas Kostbares und das spürt man beim Beschäftigen mit seinen Büchern. Sein Stil ist weder poetisch noch sachlich zu nennen, er ist irgendwo dazwischen, befindet sich mit seinen oft philosophischen Ansätzen aber niemals an der Grenze zu selbstverliebter Schwafelei. Man nimmt seine Figuren ernst, lernt ihre Gedanken und Gefühle so gut kennen, dass man sie am Ende des Buches wie gute Vertraute verlässt.
Mit seinem Helden Martens schildert Reichlin auf sehr männliche Art und Weise den typischen einsamen Wolf. Während alles im Umfeld von Martens einen Vornamen besitzt, wird der Hauptfigur fast durchgehend der Anspruch darauf verwehrt. Das wirkt nicht immer passend und hält den Leser auch ein wenig auf Distanz, doch da Martens als Kriegsreporter jede Menge Bilder aus einer bewegten Vergangenheit mit sich herumträgt, die immer wieder kurz einfließen, beginnt man dennoch eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Seine Interpretation der Dinge, die er sehen musste, macht seine Menschlichkeit aus.
Nur manchmal, da wirkt er dann doch ein wenig künstlich, etwas konstruiert, wenn er Rilke und Kant zitiert, selbstverständlich Dostojewski liest, Bach hört und etwas zu häufig über die Geschmacksnuancen von erlesenem Wein oder Speisen sinniert. Dieser Martens lernt „zufällig“ Miriam Khalili kennen, die ihm eine faszinierende Geschichte über ein als Mann verkleidetes Mädchen in einer Taliban-Kampfgruppe erzählt und ihm die Möglichkeit eines Interviews in Aussicht stellt. Martens, der schon sehr bald merkt, dass die Geschichte, mit der Miriam ihn nach Afghanistan gelockt hat, nicht ganz stimmig ist, lässt sich trotzdem darauf ein und findet sich kurz darauf in den Händen einer Taliban-Gruppe wieder. Es beginnt ein spannendes Abenteuer, denn das Leben in den Bergen ist hart und erbarmungslos...
Neben der intensiven Schilderung seiner Figuren hat Linus Reichlin hier eine gut recherchierte und beeindruckende Darstellung Afghanistans zu bieten. Landschaft und Menschen werden so ausdrucksstark beschrieben, dass man ein Bild dieses doch recht unbekannten Landes vor sich sieht. Leider wird allerdings auch hier nur auf die negativen Seiten des Landes eingegangen. Es scheint in dem von Männern beherrschten Land keinerlei Lebensfreude zu geben und so staubig und monochrom, wie man die meisten Bilder des Landes aus den Medien kennt, wird es auch in diesem Buch geschildert.
Die Handlung ist sehr spannend und interessant und doch lag die Faszination dieses Buches für mich wieder einmal hauptsächlich in der beeindruckenden Sprache.
10 von 10 Eulenpünktchen für ein Buch, das schon jetzt ein Kandidat für mein Jahreshighlight 2013 ist.