Winterkind - Lilach Mer

  • Dyras-Verlag
    ISBN-13: 9783940855367
    ISBN-10: 3940855367
    Historischer Roman
    1. Auflage 09/2012
    Taschenbuch 280 Seiten



    Verlagsseite http://www.dyras.de
    Autorenseite http://lilachmer.blogspot.de
    Was haben Lilach Mer und ich gemeinsam? Nichts, wenn man von dem Umstand absieht, dass wir beide 2009 an dem Heyne-Fantasy-Schreib-Wettbewerb für den Magischen Bestseller teilgenommen haben. Während ich mit meinem Beitrag allerdings bereits in der Vorrunde ausschied, wurde 2011 Lilach Mers Debütroman Der siebte Schwan von Heyne verlegt.


    Den Debütroman der 1974 geborenen promovierten Juristin und Autorin, die in Berlin und meiner Wahlheimat Schleswig-Holstein aufgewachsen ist, habe ich nicht gelesen. Wohl aber ihren zweiten Roman und der hat - gleich vorab - eindeutig Lust auf mehr Mer in mir geweckt. In Winterkind geht es um Blanka von Rapp, die um 1880 in Niedersachsen lebt. Die junge Adlige ist mit dem Besitzer einer Glasfabrik verheiratet und Mutter eines kleinen Mädchens. Der siebte Schwan soll märchenhafte Zügen tragen und auch bezüglich Winterkind las ich im Vorfeld, dass es sich dabei um die Fortsetzung von Schneewittchen handeln soll.


    Obwohl sich in der Geschichte eine böse Mutter (anstelle der Stiefmutter), im Zusammenhang mit dieser ein ominöser Spiegel, und sogar ein Apfel wiederfindet, ist Winterkind jedoch weit mehr als eine schnöde Fortführung besagten Märchens. Mer beschränkt sich nicht darauf, das schillernd-schöne Eheglück der jungen Frau an der Seite ihres Märchenprinzen, schützend umringt von den sieben Zwergen zu beschreiben. Tatsächlich ist Blanka ganz und gar unglücklich, wird von Ängsten geplagt, traut sich keinen Schritt vor die Tür. Beschützende Zwerge gibt es nicht und der vermeintliche Prinz hat durchaus Fehler. Sogar zur Beerdigung ihrer Mutter müssen Mann und Tochter alleine fahren. Nach deren Rückkehr spitzt sich die Lage zu. Während ein dichtes Schneetreiben das Herrenhaus von der Außenwelt abschneidet, muss sich Blanka den Schatten der Vergangenheit stellen. Diese bedrohen neben den gesellschaftlichen Umbrüchen gegen Ende des 19. Jahrhunderts sukzessive zunehmend nicht nur Blankas Zukunft.


    Abwechselnd aus Sicht der jungen Mutter und der des Kindermädchens Sophie nehmen Mers LeserInnen am Geschehen teil. Während Sophie eine bodenständige junge Frau ist, offenbart sich Blanka als sensibles, nahezu gebrochenes Wesen. Um dies zu überspielen, versucht sie krampfhaft Haltung zu bewahren, wirkt dabei stellenweise eiskalt. Ihren Charakter empfand ich sehr zwiespältig. Was auf der einen Seite Mitleid erweckte, stieß auf der anderen Seite ab. Immer mehr stellte sich heraus, dass Blankas Vergangenheit zu schrecklich ist, als dass sie sich daran erinnern will. Dass man dennoch erfährt, wie die junge Frau so geworden ist, liegt an den Kapitelenden, in denen Mers ihre LeserInnen einen anfangs kurzen und zunehmend längeren, teils verstörenden Blick auf Blankas Vergangenheit bzw. das Leben ihrer Mutter werfen lässt.


    Obwohl das das Erzähltempo bei allem, was tatsächlich geschieht, eher langsam ist, entstehen keine Längen. Flüssig und zugegebenermaßen etwas detailverliebt reiht Mer ein Wort ans andere. Letzteres dient jedoch der bedrohlich-dichten Atmosphäre, die den Roman neben den authentisch wirkenden Charakteren trägt.


    Die Autorin beschränkt sich nicht nur darauf, das (vermeintlich) gute und sichere Leben der besseren Gesellschaft zu beschreiben. Neben den sicherlich eindeutig damit verbundenen Vorteilen erfährt man auch von den damit einhergehenden Schattenseiten, von den gesellschaftlichen Konventionen ebenso wie von den Umbrüchen jener Zeit. Auch die ungleiche Chancenverteilung und der daraus resultierende Arbeiteralltag, die Bevormundung der kleinen Leute, die den Launen und dem Gutdünken ihrer Arbeitgeber ausgesetzt waren, wird anschaulich beschrieben. Von den Unbillen der Natur, denen alle ausgesetzt waren, ganz zu schweigen.


    Durch ihre Detailtreue macht die Autorin es ihren LeserInnen leicht, in die damalige Zeit und die düster angehauchte, auf wenige Tage komprimierte Handlung mitten im Winter einzutauchen. Das mystisch-märchenhafte Element, welches der Spiegel in die Geschichte hineinbringt, schimmert immer wieder auf und hat mich lange Zeit auf eine völlig falsche Idee bezüglich des Romanendes gebracht. Dieses gestaltet sich überraschend leicht und logisch, ohne dabei unwirklich-falsch zu wirken.


    Fazit: :lesend :lesend :lesend :lesend


    Die Autorin lässt die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit gekonnt verschwimmen. Winterkind - ein historisches Märchen? - hat mir (wie bereits erwähnt) Lust auf mehr Mer gemacht und war viel zu schnell ausgelesen. Einen klitzekleinen Punkteabzug gibt es genau hierfür. Obwohl mich der Roman von der ersten bis zur letzten Seite gefangen hielt, wirkt er insgesamt betrachtet unfertig. Fortsetzung ungewiss.


    2013 Antje Jürgens (AJ)

    Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
    Mark Twain

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  • Mir hat dieses Buch leider gar nicht gefallen.


    Ich habe eine Geschichte erwartet, die das Märchen von Schneewittchen verarbeitet oder neu interpretiert. Das ist wohl ein wenig auch so. Allerdings packt die Autorin in das schmale Büchlein noch einiges mehr hinein. So will sie uns auch noch das Leben der Frauen aus der Kaiserzeit nahe bringen und auch noch ein wenig Arbeiterbewegung.


    Leider reißt sie die ganzen Themen aber nur an. Das Buch tröpfelt leider über weite Teile vor sich hin. Die Seiten sind gefüllt mit Gedanken und Gefühle der Personen. Dabei schweifen sie von einem zum anderen und oft einfach nur ab. Gerade zu Beginn geht es irgendwie gar nicht voran. Seitenlang glotzt Blanka aus dem Fenster, trübe Gedanken wälzend, während die anderen Personen in der Kutsche genau so ewig lange dahinfahren.


    Es hat für mich sehr lange gedauert, bis ich überhaupt annähernd eine Geschichte zwischen den ganzen Gedankenbeschreibungen entdecken konnte. Das ganze Buch über bleibt die Geschichte nur im Ansatz zu erahnen. Es ist alles so schrecklich wage.


    Am schlimmsten aber fand ich den Schreibstil der Autorin. Ich fand ihn unbeholfen und schwerfällig und in keinster Weise spannend. Ich habe das Buch nur mit Mühe und großer Willensanstrengung und der grimmigen Freude auf diesen Verriss zu Ende gebracht. Ein paar Andeutungen über die Probleme der Arbeiter machen noch keinen Gesellschaftsroman, Hinweise auf enge Korsetts und die Abhängigkeit der Frau von ihrem Ehemann machen noch keinen historischen Roman. Und eine blasse dunkelhaarige Frau, die einen Spiegel besitzt und am Ende einen Apfel isst, machen noch kein Schneewittchen oder gar ein Märchen.


    Bah, vergeudete Lebenszeit :fetch