Fragen an Myriane Angelowski

  • Mich würde interessieren, wie viele eigene Erfahrungen in der Geschichte stecken. Du hast ja glaube ich als Referentin für Gewaltfragen bei der Stadt Köln gearbeitet und ich meine irgendwo gelesen zu haben, auch bei oder für Zartbitter.
    Ich vermute also, Du hast Erfahrung im Umgang mit Opfern und ggf. auch mit Tätern.


    Das Thema Täter bringt mich auf die Figur des Ronny. Hier hattest Du auf der Lesung gesagt, hättest Du Anleihen bei Jürgen Bartsch genommen bzw. auf dessen Briefwechsel mit Paul Moor, der ja schriftlich dokumentiert (und leider vergriffen ist). Dementsprechend furchtbar ist Dir diese Figur gelungen, die ja keinerlei Anzeichen von Empathie aufweist. Ronny hat mich nach dem Lesen von Finkenmoor gedanklich noch lange verfolgt. Ich kann mich an kein Buch erinnern, dass einen solchen Einblick in tiefste menschliche Abgründe gewährt hat. Wie war es für Dich, Ronny zu erschaffen und beim Schreiben "mit ihm zu leben". Man legt seine Figuren ja nicht einfach ab, wenn man abends den Computer ausschaltet.

  • Mich würde interessieren, ob Du aus Deiner Tätigkeit, die Bouquineur oben schon erwähnte, Erfahrungswerte hast, bei wievielen Menschen, deren nahe Angehörige Opfer von Gewalttaten wurden, das Rachebedürfnis tatsächlich so ausgeprägt ist, dass die Gefahr besteht, dass sie derartige Pläne in die Tat umsetzen?


    Und viel profaner: Da ich selbst gebürtig aus Bremen komme und Cuxhaven an vielen vielen vielen Wochenende mein Refugium am Meer war, fände ich es spannend zu erfahren, wie Du darauf gekommen bist, die Geschichte dort anzusiedeln. Wie ich aus der Kurz-Bio im Buch entnommen habe, bist Du in Köln geboren und auch Deine bisherigen Romane spielten wohl eher dort.

    With freedom, books, flowers and the moon, who could not be happy? - Oscar Wilde


    :lesend Rock My World - Christine Thomas

  • Hallo Bouquineur, ja, das stimmt. Ich habe bei Zartbitter in Köln gearbeitet, im Frauenhaus und als Referentin für Gewaltfragen bei der Stadt Köln. Ich habe zu diesen Themen gerne gearbeitet, aber nach insgeamt zehn Jahren habe ich andere Herausforderungen für mich gesucht. In jeden Fall ist mir deutlich geworden, dass es für viele erwachsene Opfer schwer ist professionelle Hilfe einzufordern oder sie auch tatsächlich zu bekommen, im Gegensatz zu den Tätern, die "automatisch" in einem Hilfesystem eingebettet sind. Von daher schwebte mir schon länger vor, ein Buch zu schreiben, in dem auch dieser Aspekt deutlich wird.


    Auch mich hat die Figur Ronny nachhaltig beschäftigt. An manchen Stellen bin ich beim Schreiben selbst wütend geworden. Durch meine Recherchen, das Seminar bei Lydia Benecke und die Briefe die du ansprichst, bin ich immer tiefer in diese Welt eingetaucht und habe versucht so nah wie möglich an die Figur heranzuschreiben, die in meinem Kopf entstand. Letztlich wollte ich ein beklemmendes Bild zeichnen. Ein innen und ein außen. Wenn mir das gelungen ist, bin ich an dem Punkt zufrieden.

  • Zitat

    Letztlich wollte ich ein beklemmendes Bild zeichnen. Ein innen und ein außen. Wenn mir das gelungen ist, bin ich an dem Punkt zufrieden.


    Also das ist dir absolut gelungen. Ich habe das Buch gerade ausgelesen und fühle mich emotional ganz schön durch die Mangel gedreht.
    Wie muss es dir als Autorin erst gegangen sein! Dieses Buch zu schreiben hat sicher eine Menge Kraft gekostet - allein schon die Recherche.

  • Hallo Enchantress, nein, persönlich kenne ich keinen Menschen, der derartige Pläne hat oder hatte, wie die Figuren in Finkenmoor. Die Idee für das Buch entstand bei einer Diskussion im Freundeskreis, als wir den Fall "Bachmeier" diskutierten. Frau Bachmeier hat den Möder ihrer Tochter ja im Gerichtssaal erschossen und darüber kam ein Gespräch im persönlichen Umfeld zustande. Diese Diskussion keimte dann vor sich hin und nach und nach entstand die Idee zu meinem Krimi.


    Das stimmt, nach zwei Köln-Krimi und einem Mystery-Thriller der überwiegend im Erftkreis spielt, fällt FINKENMOOR aus der Reihe!
    Mein Verlag hat mich ermuntert, mal einen Krimi in einer anderen Region zu schreiben. Ich bin ganz gerne in Cuxhaven, verbringe dort ab und zu ein Wochenende und kenne dort ein paar Leute. Deshalb fiel die Wahl auf diese Region ABER ich fand auch, dass mein Krimi atmosphärisch gut in die Gegend passt.

  • Hallo Lumos, ja, es hat Kraft gekostet aber gleichzeitig war ich auch erstaunt, wie leicht mir an vielen Stellen das Schreiben gefallen ist. Da war einfach unheimlich viel was raus musste... Und dann hat das Schreiben es auch Spaß gemacht, auch wenn sich das komisch anhört, bei dem Thema?!

  • Zitat

    Original von Myriane
    Hallo Enchantress, nein, persönlich kenne ich keinen Menschen, der derartige Pläne hat oder hatte, wie die Figuren in Finkenmoor.


    Danke, das deckt sich auch mit meiner Erfahrung. Die Leute sind immer sehr lautstark dabei, wenn sie nicht direkt in ein Verbrechen involviert sind. Da gibt es dann immer die Rufe nach der Todesstrafe, Zwangskastration, Selbstjustiz usw. Aber wenn man dann mal mit Betroffenen spricht, sind diejenigen, die wirklich Rachegedanken hegen, doch sehr stark in der Minderheit.


    Und ja, die Geschichte passt wunderbar nach Norddeutschland (womit ich nicht sagen will, dass wir da alle Kindermörder sind ;-) ).

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    :lesend Rock My World - Christine Thomas

  • Hallo Kirsten, Namen sind mein Steckenpferd und für die Suche nach ihnen lasse ich mir Zeit, zumindest bei den Hauptfiguren. Ich weiß auch nicht, irgendwie muss es sich für mich richtig anfühlen und klingen. Bei meinem ersten Krimi hat meine Lektorin noch versucht, mich dazu zu bewegen, einige meiner Protagonisten umzunennen, aber dann hat sie es auch schnell gelassen und akzeptiert, dass dies zu mir gehört. Vielleicht hat das auch mit meinem eigenen ungewöhnlichen Vornamen zu tun. :-)

  • Hallo Myriane,
    Vielen Dank, dass du dir für Fragen die Zeit nimmst. Ich bin gerade an der Stelle, wo Anna konkrete Rachepläne schmiedet. Hattest du weitere Todesarten im Kopf, oder kam die Idee mit dem Auto sofort? Es gehört ja schon Training dazu, nicht reflexartig gegenzulenken.

  • Hallo Büchersally, ja, ich glaube, dass es schwierig ist, (so ) zu töten. Und trotzdem schien mir ein Auto als "Tatmittel"zu funktionieren, gezielt eingesetzt eine tödliche Waffe. Für eine Frau "naheliegend" (schien mir), denn sie muss sich keine andere Waffe besorgen, es findet kein direkter Körperkontakt statt und sie braucht keine Kraft, muss keine Nähe herstellen, weder beim Mord noch bei der Planung. Dazu arbeitet Anna in einer Firma die mit Autos handelt (das war zuerst da, vor der Idee) von daher lag der Einfall irgendwann nah. Dazu kam noch, dass ich gleich wusste, dass Anna die Konsequenzen egal sind (also, dass sie in Kauf nimmt, selbst zu sterben).
    Liebe Grüße




    Zitat

    Original von Büchersally
    Hallo Myriane,
    Vielen Dank, dass du dir für Fragen die Zeit nimmst. Ich bin gerade an der Stelle, wo Anna konkrete Rachepläne schmiedet. Hattest du weitere Todesarten im Kopf, oder kam die Idee mit dem Auto sofort? Es gehört ja schon Training dazu, nicht reflexartig gegenzulenken.

  • Zitat

    Original von Enchantress



    Und viel profaner: Da ich selbst gebürtig aus Bremen komme und Cuxhaven an vielen vielen vielen Wochenende mein Refugium am Meer war, fände ich es spannend zu erfahren, wie Du darauf gekommen bist, die Geschichte dort anzusiedeln. Wie ich aus der Kurz-Bio im Buch entnommen habe, bist Du in Köln geboren und auch Deine bisherigen Romane spielten wohl eher dort.


    Die Frage habe ich mir auch gestellt, wie kommt es das Du sich in Cuxhaven so gut auskennst, wenn Du in Köln wohnst. ;-)


    Hast Du Kinder wäre meine nächste Frage.

  • Hallo Schnatterinchen, ich bin mehrmals im Jahr an der Nordsee und auch immer wieder in Cuxhaven, weil ich da Leute kenne. Zudem fand ich, dass die Region gut zu meinem Krimi passt.
    Nein, Kinder habe ich nicht :-)



    Zitat

    Original von schnatterinchen


    Die Frage habe ich mir auch gestellt, wie kommt es das Du sich in Cuxhaven so gut auskennst, wenn Du in Köln wohnst. ;-)


    Hast Du Kinder wäre meine nächste Frage.

  • Hallo an alle, die noch in der Leserunde verblieben sind. Ich ziehe mich nun ein wenig zum Korrekturlesen mit meinem neuen Manuskripts zurück, anschließend fahre ich in Urlaub. Fragen könnt ihr gerne noch stellen, ich werde sie bis zum 26.2. beantworten. Ansonsten fand ich die Leserunde bisher sehr gut, eine tolle Erfahrung. DANKE an alle ,die gelesen und sich mit FINKENMOOR beschäftigt haben. Vielleicht lesen wir uns ja mal wieder....Liebe Grüße Myriane