Purpurdämmern - Andrea Gunschera

  • Klappentext:
    Ken lebt in Detroit mit einem prügelnden Vater, einer Mutter, die sich vor der Gewalt in eine Traumwelt flüchtet, und einem kleinkriminellen Bruder. In einem alten Straßenbahndepot, in das Ken flieht, wenn er es zu Hause nicht mehr aushält, kommt es eines Tages zu einer wundersamen Begegnung mit der schönsten jungen Frau, die Ken je gesehen hat. Alles, was von dem flüchtigen Besuch bleibt, ist eine Akelei-Blüte, die auch Jahre später nicht verwelkt ist, als Ken die junge Frau wiedersieht – die dieses Mal gekommen ist, um ihn auf das unvorstellbarste Abenteuer seines Lebens mitzunehmen.



    Meine Meinung:
    "Stell dir vor, diese Realität ist nur eine neben vielen anderen. Das Universum besteht aus tausend Spiegeln, in den unmöglichsten Winkeln zueinander verdreht. Diese Welt könnte der Traum eines Drachens sein, der auf dem Grund eines Ozeans schlummert. Und vielleicht ist das, was du in deinen Träumen siehst, wiederum die Reflexion der Drachen-Sphäre auf einer Pfütze."


    Der Klappentext gibt prinzipiell schon wieder, wie das Buch beginnt - aber zugleich bereitet er nicht im Mindesten darauf vor, was den Leser zwischen den beiden wunderschön mit scharlachroten Blütenmotiven bedruckten Leinendeckeln erwartet. Kurzbeschreibung und Covermotiv lassen auf sommerlich-leichte Jugend-Romantasy schließen, und als Fan der City of Angels Serie war ich schon gespannt, wie sich das mit den anderen Büchern der Autorin verträgt. Die Antwort: Dieses Buch ist vollständig anders als das, was ich erwartet habe. Es ist prallste, farbenprächtigste Fantasy mit zum Teil jugendlichen Protagonisten, aber sehr erwachsenen Problemen. Romantik spielt eine eher zurückhaltende Rolle, obwohl unzweifelhaft vorhanden. Dafür geht es in Sachen Spannung, Action und hirnverdrehenden Rätseln umso stärker zur Sache. Purpurdämmern liest sich nicht mal eben so weg - aber belohnt dafür mit umso intensiveren Bildern.


    Aber nun zur Handlung:
    Der siebzehnjährige Ken, der es mit einem prügelnden Vater, einem kleinkriminellen Bruder und einer leicht verrückten Mutter nicht gerade leicht hat, zieht sich nach der Schule am liebsten in ein Geheimversteck in einer leerstehenden Bahnhofsruine zurück. Eines Tages taucht dort Marielle auf, eine Prinzessin aus einer märchenhaften fremden Welt, die vor einer Zwangsehe davonläuft - und deren Anblick Kens Herz sofort höher schlagen lässt. Ihr folgt dichtauf der Krieger-Magier Santino, ein Mann mit fragwürdiger Vergangenheit, der als ihr Lehrer und Beschützer fungiert und sie zurückbringen soll. Eher zufällig kreuzt er Kens Weg und rettet ihn vor einer Handvoll Schläger. Ohne es zunächst zu bemerken, treten sie beide gemeinsam durch ein Tor in die unheimliche Sphäre des Dämmer-Detroit, in die sich Marielle geflüchtet hat.
    Dämmer-Detroit ist, ebenso wie Marielles Heimatwelt, von der Zerstörung durch ein mysteriöses Unheil bedroht. Riesige Risse klaffen am Himmel. Alptraumhafte Spalthunde und andere Monstren strömen aus den grün wabernden Klüften. Der Weg zurück ist zunächst versperrt. Ken lernt, dass seine Realität nur eine unter vielen ist.
    Von hier an nimmt eine vielfach verschlungene und faszinierende Geschichte ihren Lauf, in der Ken ein unerwartetes Talent in sich entdeckt und sehr persönlichen Geheimnissen auf die Spur kommt, während er zugleich um Marielles Zuneigung ringt und sich in einer Umgebung bewähren muss, in der hinter jeder Ecke eine Bedrohung lauert.
    'Purpurdämmern' ist waschechte Fantasy, die der bedrückenden Realität von Kens Heimat, einem heruntergekommen und hoffnungslosen Detroit, ein Kaleidoskop faszinierender Märchen-Schauplätze entgegensetzt. Die reichen von glitzernden Alabasterpalästen und Blumenfeldern in Marielles Heimatwelt über schaurige Spukwälder bis hin zu einer endzeitlichen Vision von Dämmer-Detroit, bei der man sich in die Welt von BladeRunner versetzt fühlt. Alles scheint möglich in diesem Spektrum magischer Sphären. Hat man sich einmal darauf eingelassen, versinkt man in Breitbildkino, einer dichten Mischung aus Action, Humor, einer Prise Romantik, der einen oder anderen überraschenden Wende und sogar ein wenig durchschimmernder Epik. Neben den beiden Jugendlichen Ken und Marielle ist es vor allem Santino, der fasziniert, ein zeitloser Kriegermagier mit einer verlorenen Liebe, einer düsteren Vergangenheit, einer mitunter zu amüsanter Verzweiflung treibenden Aufsichtspflicht für zwei Teenager und jeder Menge alten und neuen Feinden.
    Das Ende schließt die Geschichte befriedigend ab, lässt aber Fragen offen, die nach einer Fortsetzung rufen.
    Als kleine Nörgelei ist anzumerken, dass das Buch Zeit braucht, bevor es seinen Sog entfaltet. Als Leser wird man zu Beginn mitunter überfahren von dem Konzept der fremdartigen Welten und der teils komplizierten, keltisch inspirierten Namen, bevor sich die Verwirrung auflöst. Die Erzählstränge von Ken und Marielle beginnen zuerst getrennt, Ken in dem normalen, modernen Detroit, Marielle dagegen am Königshof einer märchenhaften Zauberwelt. Das bringt man nicht sofort zusammen, auch wenn bereits der Prolog die Verbindung andeutet. Doch die Geduld wird belohnt. Sobald die Wege der Protagonisten sich kreuzen, ergibt alles Sinn.

    Ich fühlte mich überwiegend verzaubert, gebannt und in wundersame Welten entführt, aber zugleich auch herausgefordert, denn die Geschichte lädt zum Spekulieren ein und schlägt mitunter unerwartete Haken. Es gibt allwissende Blumen, eine bunte, naseweise, sprechende Katze, einen Buchstabensammler, der ein mächtiger Magier ist, zähnefletschende Monstrositäten und hirnverdrehende Gespinstgeister, die unter Brücken und auf Freeways ihr Unwesen treiben. Es mangelt nicht an Verzweiflung, Leidenschaft, an Lebensfreude, Intrigen und Verrat.
    'Purpurdämmern' ist die andere Seite hinter dem magischen Spiegel.
    Man muss hindurchtreten, sich darauf einlassen, und wird überreichlich belohnt - mit außergewöhnlich märchenhafter und farbenprächtiger Fantasy, die mit tollen Ideen, einer komplexen Geschichte und facettenreichen Charakteren aufwartet.


    Ein Fest für alle, die Phantastik lieben.

    Ich hab' mich verirrt.
    Ich bin dann mal weg, um nach mir zu suchen.
    Sollte ich zurückkommen, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte, ich soll hier warten!

  • "Purpurdämmern" zählt auf jeden Fall zu den schönsten Büchern, die ich jemals in den Händen hatte - ein wahres Schmuckstück. Leider konnte mich der Inhalt nicht ganz so überzeugen. Es ist kein einfaches Buch und ich denke man muss es sehr konzentriert lesen. Das ist mir nicht gelungen und ich bin nicht so richtig reingekommen. Das erste Drittel des Buchs fand ich noch sehr interessant und ich war fasziniert von Andrea Gunscheras Fantasywelten. Im hinteren Teil war ich aber zunehmend verwirrter und irgendwann hat mich der Ausgang der Geschichte nicht mehr wirklich interessiert. Wäre es keine Leserunde gewesen, hätte ich abgebrochen. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Buch eigentlich ganz gut ist, aber es für mich einfach der falsche Zeitpunkt war, es zu lesen. :-(
    6 Punkte

  • Kens Heimat ist Detroit, eine Stadt mit extrem hoher Verbrechensrate. Auch sein Vater und sein älterer Bruder Pat sind nicht auf der Seite des Gesetzes und während er für den einen gegen seinen Willen oft Schmiere stehen muss, prügelt der andere gerne auf ihn und seine Mutter ein. Um ihnen zu entgehen, flüchtet er sich oft in ein altes Depot, in dem er seine Schätze aufbewahrt und abwartet, bis sich zu Hause wieder alles ein wenig beruhigt hat. Hier trifft er auch das erste Mal auf Marielle, eine Prinzessin aus einer anderen Welt, die völlig unwirklich auftaucht und wieder verschwindet und ihm dabei nur eine außergewöhnliche Blüte als Erinnerung hinterlässt.


    Erst Jahre später begegnet er ihr erneut, als er sich gemeinsam mit ihrem Lehrer, dem Magier Santino, der ihm in einer bedrohlichen Situation das Leben rettet, unfreiwilligerweise auf die Suche nach ihr macht. Auf diese Weise entdeckt er das Geheimnis von parallelen Welten und von Magie und begibt sich dabei in ungeahnte Gefahren. Er genießt die Flucht aus seiner Realität und erkennt dabei Fähigkeiten an sich, die er bislang nicht für möglich gehalten hätte. Die beginnenden Gefühle für Marielle stellen sein Leben vollends auf den Kopf und gemeinsam versuchen sie nicht nur ihr Leben, sondern auch die Zukunft zu retten. Wird es ihnen gelingen?


    Der im Überreuther Verlag erschienene Roman "Purpurdämmern" von Andrea Gunschera ist ein Jugendfantasyroman, der mit dichter Atmosphäre zu überzeugen weiß und ein Zeugnis des vielfältigen, schriftstellerischen Talents der Autorin ist, die sich mit diesem Buch auf für sie ungewohntes Terrain begeben hat.


    Angezogen von dem wunderschönen Cover des in Leinen gehüllten Buches und einer Begeisterung für die "City of Angels"-Reihe der Autorin, fand sich das 510 Seiten starke Buch ziemlich schnell in meinem Bücherregal wieder und ist dort eine echte Augenweide.


    Zum Anfang fiel es mir ein wenig schwer, in die Geschichte hineinzufinden, da ich mich nicht nur mit unheimlich vielen Informationen, Handlungen und fremdklingenden Namen konfrontiert sah, sondern zunächst parallel dazu natürlich auch versucht habe, die komplexe Welt der Protagonisten zu verstehen. Inhaltlich hatte ich ab und das Gefühl ein wenig in den High Fantasy-Bereich abzudriften und die actiongeladene Handlung in der ersten Hälfte des Buches ließ mich zwischendurch gar nicht richtig zu Atem kommen. Doch der flüssige Schreibstil der Autorin trieb mich stetig voran, so dass ich mich spätestens ab der zweiten Hälfte des Buches gefesselt fühlte und die Lektüre auch nicht mehr unterbrechen mochte.


    Auch zu den Charakteren habe ich erst allmählich Zugang gefunden, aber besonders Ken war mir ausgesprochen sympathisch, so dass ich sein Schicksal mit Bangen verfolgt habe. Aufgewachsen in einem sogenannten schwierigen Elternhaus, in dem der Vater regelmäßig alle anderen windelweich prügelt, der ältere Bruder zu dessen Kopie mutiert und vor Verbrechen keinen Halt macht, und die Mutter sich scheinbar regelmäßig in eine Fantasiewelt flüchtet, hat es Ken im Alltag nicht leicht. Seine Mitmenschen haben ihn bereits als Kind in die ihm zugedachte Schublade gestopft und insbesondere in der Schule hat er es sehr schwer. Als angeblicher "bad boy" stellt ihm Julie, die High School Queen und Zicke vom Dienst, vergeblich nach und die Direktorin möchte ihn lieber heute als morgen von der Schule werfen. Einzig ein Lehrer glaubt an Ken und bereitet ihn auf ein mögiches Stipendium am College vor. Ein Verbrechen seines Bruders und eine fiese Falschaussage von Julie drohen seine Bemühungen zunichte zu machen, als sich plötzlich ungeahnte Möglichkeiten in fremden Welten für Ken auftun.


    Marielle ist die Tochter und Erbin des Königs von Tír na Mórí und soll aufgrund von Rissen im Gewebe ihrer Welt zeitnah mit Newan, dem Enkel der Königin von Tír na Avalâín vermählt werden. Ein gemeinsamer Erbe der beiden Licht- und Nebel-Fayeí gilt als einziges Mittel zur Rettung ihrer Welt. Doch Marielle ist jung, ungestüm und gewöhnt ihren kleinen Kopf durchzusetzen und büxt ohne Berücksichtigung der Folgen aus. Hier kommt ihr ihr ungewöhnliches Talent zu Hilfe, mit dem sie Tore in fremde Welten errichten kann. Auf diese Weise landet sie auch in Kens Welt. Doch ihr Lehrer Santino ist ihr bereits auf den Fersen. Leider hat es Marielle noch nicht gelernt, Rücksicht auf andere Menschen zu nehmen und zu versuchen, hinter deren Beweggründe und Gefühle zu schauen. Das lässt sie zwar unterhaltsam, aber leider nicht so sympathisch erscheinen, wie ich es mir für sie erhofft habe. Doch Ansätze einer Entwicklung ihres Charakters sind durchaus spürbar und diesbezüglich hoffe ich sehr auf eine Fortsetzung der Geschichte.


    Besonders gut gefallen hat mir auch die vorwitzige und besserwisserische Purpurkatze "Nessa", die Marielle beratend zur Seite steht. Sie kann sich in Gedanken mit den Menschen unterhalten und steuert immer wieder einmal bissige Kommentare bei, die die Handlung angenehm auflockerten.


    "Purpurdämmern" ist ein atmosphärisch dicht geschriebener Jugendfantasyroman, der vor allem in der zweiten Hälfte spannend und fesselnd ist. Die Geschichte profitiert nicht nur von dem sicheren und gekonnten Schreibstil der Autorin, sondern auch von der phantasiegeladenen Handlung, die von gut umgesetztem Ideenreichtum nur so strotzte. Wer als Leser seichte Jugendfantasy mit 0815-Handlung erwartet, sollte sich jedoch lieber nach einem anderen Buch umsehen, denn mit "Purpurdämmern" erwartet einen eine anspruchsvolle Geschichte, die die volle Konzentration ihres Lesers erfordert. Wer hierzu bereit ist, wird mit einer phantastischen Welt belohnt werden, deren Fesseln man sich nicht so leicht entziehen kann. Das Ende ist zum Glück kein böser Cliffhanger, hat aber trotzdem ganz viel Potential für eine Fortsetzung. Ich wäre auf jeden Fall gerne wieder dabei.

    Es wäre gut Bücher kaufen, wenn man die Zeit, sie zu lesen, mitkaufen könnte, aber man verwechselt meistens den Ankauf der Bücher mit dem Aneignen ihres Inhalts.
    Arthur Schopenhauer (1788-1860)


    :lesend

  • Deutsche Autorinnen haben sich in jüngster Zeit im Genre Fantasy für Jugendliche einen Namen gemacht. Andrea Gunschera besticht mit einer ausgefeilten und sehr phantasievollen Handlung.


    Ken lebt mit seinem gewalttätigen und alkoholkranken Vater, der oft geistesabwesenden Mutter, seinem älteren Bruder Pat, der mit einem Bein im Gefängnis steht und einem jüngeren Bruder in einem Vorort von Detroit. Sein einziges Ziel ist, den Highschoolabschluss zu schaffen und nach einem Studium genug Geld zu verdienen um seiner Mom und sich ein neues Zuhause schaffen zu können. In seinem Refugium, einem alten, verlassenen Bahnhof, trifft er auf Marielle, eine Prinzessin aus einer Parallelwelt mit magischer Begabung. Sie ist vor einer Zwangsheirat mit einem Prinzen aus einem befreundeten Volk geflüchtet. Ihre Welt wird von einem Riss bedroht und das Kind, das aus dieser Ehe entspringen soll, könnte solche großen Kräfte haben, dass es den Riss heilen kann. Ihr auf den Fersen ist der Magier Santino, ihr Freund und Berater. Er rettet Ken vor einer Racheaktion von Pats Bande und beide landen in einer Parallelwelt, die Detroit ähnlich ist, dem sogenannten Dämmer-Detroit. Auf dem Weg zurück in ihre jeweiligen Welten geraten die Drei mehr als einmal in Lebensgefahr und schon bald wird das ganze Ausmaß der Bedrohung offensichtlich.


    Die Geschichte hat mich vom ersten Augenblick in ihren Bann geschlagen. Die Erzählperspektive wechselt immer wieder zwischen Marielle, Ken und Santino hin und her, das schafft Spannung und brachte mir die Figuren nahe. Während Ken und Marielle sich altersgerecht verhielten und mir vielleicht nicht ganz so nahe waren, so hat die Autorin mit Santino eine äußerst interessante Figur geschaffen, mit der auch Erwachsene sich identifizieren können. Besonders mit ihm habe ich mitgelitten und hätte ihm manches mal ganz gerne geholfen. Das Konzept der verschiedenen Welten, die nebeneinander existieren, ist sicher nicht neu, aber wie Andrea Gunschera diese verknüpft und mit welchen magischen Fähigkeiten sie nicht nur die Menschen ausstattet, ist innovativ und unglaublich phantasievoll. Nebencharaktere wie Tessa, eine ziemlich snobistische sprechende Katze mit wechselnder Fellfarbe oder einer weisen Indianerfrau, deren Heilpasten unglaublich jucken, tragen zu dem vielfarbigen Bild bei. Es ergibt sich eine phantastische, atemberaubende, nervenzerreissende, überbordende Geschichte, die eher ein Allage-Roman ist denn Jugendfantasy. Der Stil ist leichtfüßig, manchmal ein bisschen schnoddrig, aber das passt zu den Figuren und der Geschichte. Das Spannung entlädt sich in einem fulminanten Ende, das nicht alle Fragen beantwortet. Eine Fortsetzung von Purpurdämmern würde ich sehr, sehr gerne lesen, weil mich die Geschichte immer noch beschäftigt und die Figuren sich noch nicht aus meinem Kopf davongeschlichen haben. Die 512 Seiten sind vollgepackt mit einer großen Linie und vielen kleinen, liebevollen Geschichten. Ich musste konzentriert lesen, aber das fiel mir leicht, weil die Handlung so spannend ist.


    Ein tolles Leseerlebnis, das ich am Liebsten gar nicht mehr beenden wollte.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Mein Leseeindruck:
    Purpurdämmern ist ein ungewöhnliches Jugendbuch. Gut verständlich in der Sprache, sensibel im Umgang mit Themen wie Gewalt und Sex, wartet es mit einer derart komplexen Geschichte auf, dass man auch nach mehrmaligen Lesen vermutlich immer noch neue Dinge entdecken wird. Die Geschichte begnügt sich nicht damit, eine unterhaltsame und fantasievolle Rahmenhandlung für die erwartete Liebelei zwischen einem menschlichen Jungen und einer Feenprinzessin zu sein. Wer mit diesen Erwartungen an Purpurdämmern herangeht, der dürfte enttäuscht oder gar überfordert werden.


    Schon allein das faszinierende Konzept der Welten erfordert beim Leser Konzentration. In Gunscheras Universum existieren viele Welten mit unterschiedlichem magischen Potential nebeneinander. Manche dieser Welten, wie die unsere Erde, befinden sich nahe am Kern, wo die Magie nur eine geringe Rolle spielen kann, weil die Naturgesetze ziemlich starr sind. Andere Welten, wie Níval, die Heimat der Feenprinzessin Marielle liegen weiter vom Kern entfernt und dort gehört Magie zum täglichen Leben. Und dann gibt es wiederum Welten, wie die im Bereich des Rabenfächer, deren Magie so ungebunden ist, dass man dort nur mit einem Gedanken das absolute Chaos heraufbeschwören kann.


    Die Feenprinzessin Marielle ist eines der seltenen Wesen, in deren Genen die Fähigkeit verankert ist, Portale zwischen diesen vielen Welten zu schaffen und sie ist auch der Fixpunkt dieser Geschichte, die einen auf einen Höllenritt entführt. Denn manche dieser Welten, wie auch die Marielles, sind von den Weltenverschlingern bedroht, die von dem Volk der Kjer ausgesandt werden, um auch ohne Tore in vielversprechende Welten eindringen und diese plündern zu können. Katastrophal sind die Folgen dieser Invasion, denn sie zerreißen das Weltengewebe und die angegriffene Welt und ihre Bewohner gehen unwiederbringlich unter.


    Durch Marielles Ausflüge in andere Welten lernt sie als Kind Ken kennen. Die beiden verlieren sich aber sofort wieder aus den Augen. Erst Jahre später, als Marielle sich gegen die Hochzeitspläne ihres Vaters auflehnt und aus ihrer Welt flüchtet, begegnen sie sich wieder. Immer im Schlepptau ist der charismatische Zauberer Santino, der die Prinzessin beschützen soll, der aber ein dunkles Geheimnis hütet.


    In Purpurdämmern sind so viele Geschichtsstränge miteinander verwoben, die oft nur kurz angeschnitten werden, von denen man aber gerne mehr lesen würde, über die Fehde der Nebelfeen mit den Lichtfeen, über die gnadenlose Welt der Kjer und ihre Monster, über alte Lieben, über den weisen Buchstabensammler Umo, der in einer Welt im Scharlachrot verschwunden ist und vieles, vieles mehr. Außerdem ist die Geschichte angefüllt mit ungewöhnlichen Figuren, wie der gedankensprechenden Purpurkatze Nessa, die ihre Fellfarbe mit der Stimmung wechselt, den gefährlichen Spalthunden, der wunderschönen, aber gefährlich-wandelbaren Flüsterakelei und vielen, vielen anderen.


    Mit Purpurdämmern hat man ein wunderschönes Buch in den Händen, innen wie außen. Die Leinenoptik des Hardcovers beschert einem beim Lesen ungewohnte sensorische Empfindungen und ich hab des öfteren das Buch zugeklappt und das Cover betrachtet. Genauer gesagt immer dann, wenn von der hübschen Flüsterblume die Rede war, die in eine fleischfressende scharlachrote Schlingpflanze mutiert, sobald sie mit Blut in Berührung kommt.


    Meine Meinung:
    Ich vergleiche manche Bücher und Geschichten gerne mal mit Essen. Zu Purpurdämmern drängt sich mir folgende Assoziation auf.


    Der Leser hat für den kleinen Hunger einen Kinderteller bestellt, bekommt aber ein 8-Gänge-Menü serviert. Die Fülle und die Vielfalt der Speisen ist deswegen leicht überwältigend, aber hinterlassen einen unvergesslichen Eindruck.


    Von mir gibt es 10 Punkte und ich hoffe fest, Purpurdämmern ist nicht das letzte, was ich von Marielle, Ken, Santino und Co gelesen habe.

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

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  • Bei uns ist heute ein ausführliches Interview mit Andrea Gunschera mit Schwerpunkt auf "Purpurdämmern" erschienen, siehe HIER.


    Auch die Büchereulen-Leserunde wird darin erwähnt :-)


    Mir hat "Purpurdämmern" sehr gut gefallen, gerade weil es so komplex war. Hier mein Fazit:


    „Purpurdämmern“ hat alles, was moderne Fantasy braucht: einen komplexen Weltentwurf voll origineller Ideen, authentische Charaktere, düstere Geheimnisse und magische Kreaturen, die für reichlich Action sorgen. Kreativ, farbenfroh und mit einer Prise schwarzem Humor überzeugt Andrea Gunschera trotz kleiner Schwächen und lässt sehnsüchtig auf eine Fortsetzung hoffen.

    Everything you can imagine is real ~ Picasso

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