Na sowas!
In dieser fernen Zukunft befindet sich London nicht mehr dort, wo wir es heute auf dem Globus zu sehen gewohnt sind.
Statt dessen ist London mit über 100 km/h auf Rädern unterwegs und jagt andere mobile Städte, um sie sich einzuverleiben.
Das fand ich im ersten Moment wirklich schade.
Denn so etwas kann ja nur an den Haaren herbei gezogen worden sein
Aber nichts da!
Wie ein unwissender Reisender sah ich mich verdutzt um und versuchte die Welt zu begreifen, in die ich unversehens gestolpert war. Doch der Eindrücke waren zu viel, waren zu exotisch und zu überraschend anders, um zu verstehen. Wo war ich nur hingeraten?
Das Ganze war wohl eine postapokalyptische Welt, die eine Art Steampunk zu geben schien.
Mir gingen die Augen über, als ich hinter jeder Ecke (respektive auf jeder Seite) etwas Neues, vor Phantasie überbordendes zu entdecken hatte. Denn hier wirkte gar nichts an den Haaren herbei gezogen Das machte im Gegenteil sogar richtig Spaß!
Am Ende war ich selbst schuld, das Buch in einer halben Nacht durchgelesen zu haben.
Andererseits verdient ein Jugendbuch, das sich so hervorragend liest natürlich nichts anderes.
Tom Natsworthy, einfacher Lehrling der Historikerzunft, gerät unversehens wie unverschuldet in ein Abenteuer, das er sich nicht hätte träumen lassen. Er wird gejagt. Nicht nur daß er London verlässt und sich auf dem gräßlichen, nackten Erdboden wiederfindet, er begegnet Luftschiffern, sieht sich schon als Sklave verkauft, wird von einem toten Androiden verfolgt, soll Piraten Manieren beibringen und verliebt sich in ein hässliches Mädchen
Die schwappende Gülle in den untersten Ebenen Londons dagegen erwähne ich besser nicht.
Denn nicht alles ist Gold, was dort glänzt. Schmutz, Gestank und Tod begegnen einem in diesem Buch unausweichlich.
Der vielen Wörter kurzer Sinn: ein Abenteuer aus vielen bunten Flicken, die alle an der richtigen Stelle aufgenäht wurden. Das bekommt man als Jugendlicher sicher nicht immer zu lesen. Streckenweise kann man sich nur wundern, woher Philip Reeve diese Unzahl an Ideen nimmt. Von der Panzerstadt Bayreuth habe ich jedenfalls zuvor noch nie etwas gehört.
Am besten frage man gar nicht erst sondern lese.
Auf den ersten Blick merkt man dem Buch nicht an, daß es für jüngere Leser geschrieben wurde. Da dem jedoch so ist, und mit fortschreitender Handlung des Öfteren gestorben wird, ist das Buch meines Erachtens nach etwa ab 12 Jahren geeignet.
Es lässt sich ohne Stolperstellen lesen, Reeve schreibt leichtfüßig und bunt illustriert, malt jedoch zum Ende hin ein zunehmend düsteres Bild.
Bei näherem Hinsehen wird natürlich deutlich, daß es sich ganz klar um ein Jugendbuch handelt. Obwohl die Handlung streckenweise so anmutet, erreicht der Inhalt nicht die Tiefe von „verschmähter Liebe bei gleichzeitiger politischer Wirrnis, garniert mit etwas Krieg in Afrika, respektive dem Zarenreich“.
Dafür passt es um so besser in die heutige Zeit. Denn ein heroischer Held und Retter steht am Ende nicht inmitten rauchender Trümmer, über das Böse triumphierend. Vielmehr ist es ein ambivalenter Antiheld, dessen Spuren Philip Reeve folgt.
Der Klappentext sei diesmal hintenangestellt:
ZitatGroßbritannien nach dem 60-Minuten-Krieg: London rast auf Rädern durch das Ödland und jagt die anderen Wanderstädte. In diesem Chaos wird Tom Zeuge einer Verzweiflungstat; Hester Shaw versucht den Agenten Valentine zu töten. Nur sie weiss, daß er ihre Eltern auf dem Gewissen hat. Doch Valentine überlebt und beschließt: Hester und Tom müssen weg, denn sie könnten seine Verbrechen ans Licht bringen. Eine Hetzjagd beginnt.
Meine Meinung:
Wenn ich dieses Buch als Jugendlicher gelesen hätte, wäre es mir in farbig leuchtender Erinnerung geblieben. Dessen bin ich mir sicher.
Ich freue mich, diesem Buch zufällig begegnet zu sein.