"Wer die Geister stört" - Ulrich Wißmann

  • Ich habe die beiden Romane um Frank Begay, den Navaho-Stammespolizisten gleichzeitig bekommen, hatte also eine 50:50 Chance. Im Klartext heißt das, ich habe mich natürlich vergriffen und mit dem zweiten Teil angefangen. :)
    Ist aber nicht schlimm, der Roman funktioniert durchaus eigenständig, macht also eine Vorkenntnis des Charakters nicht unbedingt erforderlich.


    Nun bin ich nicht unbedingt der große Krimi-Leser. Doch dieses Buch hat es mir sehr angetan. Was mich daran reizte, waren die zwei Schichten, in denen der Roman aufgebaut ist:


    1.) natürlich die Romanhandlung.
    Bei den Plänen für den Straßenbau und die Nutzung des Mount Graham verschärfen sich die Differenzen zwischen den Betreibern des Observatoriums und den Apachen. Als ein Geologe verschwindet wird der Navaho-Polizist Frank Begay um Hilfe gebeten. Er ermittelt nun unter Indianern, Naturschützern und Mitarbeitern des Observatoriums. Dabei wird er unter anderem auch mit Gesetzwidrigkeiten beim Bau des Sternenwarte konfrontiert, in die auch der Vatikan und das Max-Planck-Institut verstrickt waren.
    Der Krimi ist gut aufgebaut und spannend. Anfangs scheint das Mordmotiv klar und es kommen zwei gegensätzliche Interessengruppen als Verdächtige in Frage. Umso schöner dann die überraschende Auflösung (nein, die verrate ich hier nicht). Und die Hilfe kommt von gänzlich unerwarteter Seite. Zwar verschiebt das die Handlung ein wenig in den Bereich Mystery, doch auch das schadet dem Buch nicht, im Gegenteil, es unterstützt die eigentliche Kernaussage.
    Sehr schön sind auch die historischen Bezüge zu lesen, die anfangs nur die Bedeutung des Berges zu verdeutlichen scheinen, später aber einen wichtigen Einfluß auf die Handlung nehmen.


    2.) die sozialkritischen Aspekte, die wohl den wichtigeren Teil des Buches ausmachen
    Auf dem Mount Graham befindet sich ein Observatorium, gegen das verschiedene Gruppen Widerstand leisten. Die Probleme sind hierzulande nur wenigen bekannt und gerade deshalb ist es zu begrüßen, daß Ulrich Wißmann darauf aufmerksam macht.
    Zum ersten handelt es sich bei dem Mount Graham oder Dzil Nchaa Si An, wie ihn die Apachen nennen, um ein Heiligtum der Apachen, das durch die Bauprojekte geschändet wird. Der "große sitzende Berg" ist im Schöpfungsmythos der Apachen der Berg, an dem sie die "32 Gesänge des Lebens" erhielten. Zudem ist er eine Begräbnisstätte.
    Das Konsortium, das die Teleskope betreibt, weigert sich, diesen Ort als religiöse Stätte anzuerkennen. Um sie als solche zu bestätigen müssten sakrale Bauten oder zumindest Überreste zu finden sein. Die Apachen als schamanistische Religion kennt aber solche Bauwerke nicht. Die Gräber reichen angeblich nicht aus, um den Berg als heiligen Ort zu kennzeichnen. Der Vatikan, der mit zu den Betreibern gehört, hat offen ausgesagt, daß sie alles unternehmen wollen, um die Religion der Apachen zu unterdrücken und auszumerzen und dieses Projekt sowie die weiteren Bauvorhaben sind ein großer Bestandteil dieser Bestrebungen.
    Weiter wichtig ist der Berg in seiner Bedeutung als Lebensraum. Durch seine Höhe und seinen Standort bietet er sechs verschiedene Klima- und Wetterzonen und ist Lebensraum verschiedener Pflanzen und Tiere, die ausschließlich dort vorkommen. Berühmt ist vor allem das Mount Graham - Rothörnchen. Das Observatorium und die Zufahrtstraße wurden entgegen aller gesetzlichen Richtlinien und Bestimmungen gebaut, Baustops und mit dem Bau verbundene Bedingungen wurden bewußt ignoriert und ganze Waldflächen trotz Verbots gerodet.


    Egal, ob man sich über solche Probleme informieren möchte oder einfach "nur" einen guten und spannenden Thriller sucht, dieses Buch bietet beides.