Königstorkinder - Alexander Osang

  • Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
    Verlag: S. Fischer Verlag; Auflage: 3 (8. September 2010)


    Über den Autor (Quelle Amazon)
    Alexander Osang, geboren 1962 in Berlin, studierte Journalistik in Leipzig und arbeitete nach der Wende als Chefreporter der Berliner Zeitung. Für seine Reportagen erhielt er mehrfach den Egon-Erwin-Kisch-Preis und den Theodor-Wolff-Preis. Nach sieben Jahren als Reporter für den Spiegel in New York lebt er heute wieder in Berlin. Alexander Osangs erster Roman ›die nachrichten‹ wurde verfilmt und mit zahlreichen Preisen, darunter dem Grimme-Preis, ausgezeichnet. Im S. Fischer Verlag und Fischer Taschenbuch Verlag liegen darüber hinaus vor die Romane »Lennon ist tot« und »Königstorkinder« sowie die Glossensammlung »Berlin – New York«.


    Kurzbeschreibung (Quelle Amazon)
    Andreas Hermann, Anfang 40, hat die erste Hälfte seines Lebens im Osten Deutschlands verbracht. Nach der Wende beruflich vielfach gescheitert, lebt er in einer winzigen Wohnung in Berlin, Prenzlauer Berg, und arbeitet als Ein-Euro-Jobber an einem Kulturprogramm zum 20. Jahrestag des Mauerfalls. Ausgerechnet mit einer Gruppe arbeitsloser Intellektueller soll er die Ereignisse des Jahres 1989 nachspielen.
    Andreas Hermanns Beschäftigungsagentur grenzt an eine Siedlung weißer Townhäuser, die am Königstor für wohlhabende Bewohner errichtet wurde. Dort lebt Ulrike Beerenstein, die als Designerin in einem der vielen neuen Ladenbüros der Stadt arbeitet. Jeden Morgen beobachtet sie Andreas Hermann von ihrem Fenster aus. Als ihr Mann zu einer Dienstreise aufbricht, beginnen sie eine Affäre: Andreas Hermann betritt das weiße Townhouse wie eine neue Welt.
    Alexander Osangs Roman ist ein Buch über die guten Vorsätze, die Enttäuschungen, die Missverständnisse und das Glück in der wiedervereinigten Stadt. Ein Liebesroman.


    Meine Meinung
    Circa nachdem ich die Hälfte des Buches gelesen hatte, war ich kurz versucht, es in die Ecke zu pfeffern. Nämlich exakt an der Stelle, an der der Ein- Euro- Jobber (natürlich eine gescheiterte Existens aus dem ehemaligen Osten der Republik) in einer Schicki- Micki - Wohnung im Prenzlauer- Berg sitzt und um ihn herum nur versnobte Schwaben Delikatessen und Rotwein in sich reinpfeifen. Im Treppenflur hört man verwöhnte Blagen und auf der Straße wird man von Bugaboo' s rücksichtslos umgefahren. Mag ja sein, dass es so ist, das ist sogar sehr gut möglich. Es ist auch so, okay. Dennoch nervt mich dieses Thema nicht erst seit Thierses Wecklewutausbruch nicht unerheblich. Es geht noch nicht mal um die Sache ( also um Gentrifizierung, Verdrängung etc) an sich (natürlich ist das alles verachtenswert), sondern darum, dass so gut wie jeder, der momentan am Puls der Zeit sein will und über Berlin schreibt, auf die Schwaben/rücksichtslosen Mütter/ Juppies hackt. Nicht schon wieder, habe ich mal kurz gedacht.


    Nun ja. Ich entschuldige mich hiermit für den kleinen Ausbruch. :lache


    Denn dann..um es kurz zu machen: dem Buch und der Geschichte schadet das alles nicht. Ich mag Osangs Schreibe, die kleinen, feinen Beobachtungen. Wenn sein Protagonist beispielsweise das Gesicht einer schwarzhaarigen Frau ansieht und denkt, dass darin ein verstecktes, blondes Gesicht ist, hat das etwas sehr Schönes, Intimes. Die ganze Geschichte ist feinfühlig, lebendig, dicht an unserer Zeit, authentisch. Und auch traurig. Gegen Ende wird es überraschend verwoben, es grenzt fast an Fiktion und ich als Leserin fragte mich zuerst, ob ich jetzt alles richtig verstanden habe. Ich musste es ein zweites Mal überfliegen um einzusehen, dass der Autor Spiel für eigene Phantasie und Gedanken lässt. Ich habe meine eigene Theorie und habe eigentlich gehofft, dass es hier noch jemanden gibt, mit dem ich mich darüber austauschen könnte.


    Ein sehr schönes, warmes Buch über Berlin und den Großstadtdschungel. :-]


    Edit: Taschenbuch verlinkt

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von rienchen ()

  • Tolle Buchvorstellung! Und aufgrund dieser Buchvorstellung wird es wohl kaum möglich sein an diesem Buch vorbeizugehen. Ich pack es dann auch gleich einmal auf meine Wunschliste. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von rienchen
    Es geht noch nicht mal um die Sache ( also um Gentrifizierung, Verdrängung etc) an sich (natürlich ist das alles verachtenswert), sondern darum, dass so gut wie jeder, der momentan am Puls der Zeit sein will und über Berlin schreibt, auf die Schwaben/rücksichtslosen Mütter/ Juppies hackt. Nicht schon wieder, habe ich mal kurz gedacht.


    Wobei man Herrn Osang wohl nicht gerade vorwerfen kann, beim Schreiben seines vor 2,5 Jahren veröffentlichten Buches 2013 am Puls der Zeit zu sein. Oder geht das Thema in Berlin schon so lange öffentlich rum? Von mir ist das "Problem" jedenfalls erst seit einem Monat / also seit Thierses Interview überhaupt wahrgenommen worden.


    Ansonsten klingt das Buch interessant, danke für den Hinweis, es ist mir bisher nicht aufgefallen.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Bonsoir Monsieur LeSeebär.


    Zitat

    Wobei man Herrn Osang wohl nicht gerade vorwerfen kann, beim Schreiben seines vor 2,5 Jahren veröffentlichten Buches 2013 am Puls der Zeit zu sein. Oder geht das Thema in Berlin schon so lange öffentlich rum?


    Ja, geht es. Zumindest in den letzten vier Jahren (solange wohne ich hier), ist es im Grunde genommen unausweichlich, was ja persee auch nicht "schlimm" ist. Besprühte "Schwaben raus"- Wände, Gentrifizierung, Clubsterben wegen neuen Lärmschutzverordnungen durch neue Anwohner hervorgerufen, Latte Macchiato- Mütter, etcpp. Osang ist Berliner und er weiß genau, worüber er da schreibt.


    ( Okay, BTW, Herr Osang: die Dame, die mit Micky Maus Stimme am Sonntag Nachmittag beim Autopapst zu Gast ist, gehört dem Berliner Radiosender Radioeins an, nicht Radio 1, wie von Ihnen behauptet. Hehe. :grin)


    Gentrifizierung, besonders am Prenzlauer Berg gibt es schon seit Jahren. Tatsächlich habe ich mich falsch ausgedrückt. Ich werfe dem Autor nichts vor, mich nervt das Thema einfach, weil es in gefühlt jedem "aktuellen" (also die letzen Jahre betreffend) Berlinroman verwurstelt wird. Auch, wenn es den Tatsachen entspricht und gut beobachtet ist. Es liegt schlicht und ergreifend an mir. ;-) (Ganz ironiefrei)


    Denn das Thema ist in diesem Roman stimmig umgesetzt. Es wird vielleicht sogar gebraucht, um die verzweifelte Liebe der Protagonisten zueinander zu reflektieren. Ost/West, Arm/Reich, auch nach zwanzig Jahren Maueröffnung gibt es Abschottung, hier in Form von Townhouses in Art der "Prenzlauer Gärten", eine SUV- Enklave mitten in der Stadt. Von daher ist auch der Titel "Königstorkinder" auf den Punkt gewählt. Das sind sie eben, moderne Königskinder. :wave

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Großstadt-Romane sind normalerweise nicht unbedingt mein Ding, aber hier klang die Kurzbeschreibung mit dem Hinweis auf die Liebesgeschichte so verlockend, daß ich zugriff.
    Überwiegend hat es mir auch gut gefallen; Osang schreibt dynamisch, einfühlsam und überzieht den Text mit einer leisen Trauer - eine Stimmung, die hier gut paßt und die mir gefällt. Die Tagebuchauszüge des Professors, dessen Wohnung der Protagonist mit dem Beschäftigungsprojekt "Stattumzug" ausgeräumt hat, fügen sich nahtlos ein in die zarte Liebesgeschichte, die unter keinem guten Stern zu stehen scheint.
    Nicht so gefallen haben mir die zwanghaften Hinweise darauf, daß die Handlung in Berlin angesiedelt ist; endlose Straßennamen reihen sich aneinander.
    Das Beste für mich an "Königstorkinder" ist jedoch das Ende, das den Leser aufrüttelt und eine Zeitlang innehalten läßt.
    Kein schlechtes Buch.