Die Magd des Gutsherrn - Elisabeth Büchle

  • 415 Seiten, gebunden
    Verlag: Gerth Medien GmbH, Aßlar, 3 Auflage 2008
    ISBN-10: 3-86591-140-4
    ISBN-13: 978-3-86591-140-7


    Das Buch ist jetzt unter dem Titel „Winterstürme“ bei Weltbild als Sonderausgabe erschienen.



    Zum Inhalt (Quelle: eigene Angabe)


    Als der Tierarzt Dr. Lukas Biber eine halberfrorene junge Frau, die ihr Gedächtnis verloren hat und mit einem seltsamen Wiener Dialekt spricht, findet, kann er noch nicht ahnen, wie sehr sich dadurch sein Leben verändern wird. Seit einem Jahr Witwer, ist er ein brummiger, zurückgezogen lebender Mann geworden, der sich schwer tut, sich um sein Baby zu kümmern. Da Therese, wie man die junge Frau nennt, nicht weiß wohin, bleibt sie erst mal auf seinem Gutshof als Kindermädchen und Hausmagd.
    Langsam taut er auf, doch zwischen ihnen steht die ungeklärte Herkunft der Frau, die nicht weiß, ob sie schon verheiratet ist. Und am Horizont ziehen die Wolken des deutschen Bruderkriegs 1866 auf, in den Theresa mehr verwickelt ist, als sie ahnt. Denn im fernen Berlin und Wien ist ihr Bruder als Spion für die Österreicher tätig.



    Über die Autorin (Quelle: Verlagsangabe, Webseite der Autorin)


    Elisabeth Büchle wurde 1969 in Trossingen geboren und absolvierte sowohl eine Ausbildung zur Bürokauffrau als auch zur Altenpflegerin. Sie wohnt mit ihrem Mann und den fünf Kindern im süddeutschen Raum.


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    Vorbemerkung


    Um Mißverständnisse zu vermeiden: Das ist ein christliches Buch. Wenn ich Formulierungen wie „wir“ verwende, beziehen sich diese meist nicht auf die Gesamtgesellschaft, sondern auf den christlich geprägten Teil, dem ich mich zugehörig fühle. Ferner ist Denken und Handeln eines Teils der Protagonisten von ihrem aktiv gelebten Glauben geprägt. Handlungsweisen wie Beten oder Hinwendung zu Gott werden als normal und notwendig angesehen.



    Meine Meinung


    „Königgrätz“ ist mir natürlich ein Begriff. Da haben die Österreicher gegen die Preußen verloren, der Deutsche Bund wurde aufgelöst, denn Bismarck bevorzugte die kleindeutsche Lösung, und in der Folge entstand später das Deutsche Reich. Soweit so gut und aus dem Geschichtsunterricht bekannt. Aber was hieß das unterhalb der großen Politik für die kleinen Leute? Darüber habe ich noch nirgends etwas gefunden, geschweige denn, daß das in der Schule Erwähnung gefunden hätte. Eigentlich ist das auch gar nicht Thema dieses Romans, und dennoch zeigt er quasi nebenbei die Folgen der großen Politik für die Menschen auf.


    Thomas, Sohn eines ungarischen Botschafters in Wien, arbeitet als Spion für das österreichische Außenministerium. Dabei wird er entdeckt und muß fliehen. Das gelingt ihm auch, jedoch ist seit dieser Nach seine Schwester Marika, die die gleichen rotleuchtenden Haare hat wie er, verschwunden.


    Kurz darauf taucht eine junge Frau mit roten Haaren, die ihr Gedächtnis verloren hat, im württembergischen Schwarzwald auf. Sie kommt beim Witwer Dr. Lukas Biber unter, um seinen Haushalt und sein Baby, bei dessen Geburt die Mutter verstorben ist, zu versorgen. Denn wo soll sie hin, ohne Gedächtnis, ohne Wissen, wer sie ist?


    Im Folgenden entspinnen sich zwei Handlungsstränge, die gegen Ende zwangsläufig zusammenlaufen müssen. Thomas geht nach Berlin, um nach seiner Schwester zu suchen. Denn zurecht vermutet er, daß sie von den Preußen an seiner statt entführt wurde. Die junge Frau hingegen wird Theresa genannt, denn ihren richtigen Namen kennt sie nicht, bleibt auf dem Gutshof. Immer wieder drängen sich einzelne Erinnerungsfetzen in ihr Gedächtnis, ohne daß sich ein sinnvolles Muster daraus ergäbe.


    In der Zwischenzeit verschärfen sich die Spannungen zwischen Österreich und Preußen, was insbesondere Thomas in Berlin zu spüren bekommt. Er hat sich nämlich in die Tochter eines preußischen Generals verliebt, was unter den gegebenen Umständen mehr als ungeschickt ist. Gerade in den Szenen, die in Berlin spielen, merkt man sehr „schön“ die Veränderugen im Verhältnis der Staaten zueinander und wie sich das auf die Menschen auswirkt. Der Krieg ist unvermeidlich - und aus Freunden werden Feinde. Sie wissen es, wollen, aber können nichts dagegen tun.


    Theresa hingegen kämpft mit Schwierigkeiten ganz anderer Art. Darf sie für Dr. Lukas Gefühle empfinden, wo sie doch nicht weiß, ob sie möglicherweise schon verlobt oder gar verheiratet ist? Gut konnte ich ihre Probleme, die sich aus der Amnesie ergeben, nachvollziehen. Daß diese durch Neid und Mißgunst in der Umgebung nicht gerade vermindert wurden, sei nur am Rande vermerkt. Schließlich will ich nicht den Inhalt hier nacherzählen. Immer wieder habe ich gestutzt, aber die Autorin hat gut recherchiert: das Verhalten der Figuren erschien mir für das 19. Jahrhundert glaubhaft wie es auch die ganzen im Buch vorkommenden Dinge zu der Zeit, da die Handlung spielt, gab. Lediglich beim Fahrrad bin ich mir nicht so sicher. Das gab es in Vorläufern zwar schon, hieß aber noch anders, und setzte sich erst weitaus später durch. Aber das ist eine Kleinigkeit und für diese Geschichte unwesentlich und die Ausnahme, die die Regel bestätigt.


    Mit einerseits Thomas und Christine und andererseits Lukas und Theresa hat die Autorin zwei gegensätzliche Paare geschaffen. Während sich erstere durchaus der Zeit und dem Umständen angemessen annähern, fliegen bei Theresa und Lukas schon mal die Fetzen, denn sie ist nicht auf den Mund gefallen und ist, wie auch Lukas, nie um eine stichelnde Bemerkung verlegen. Beim Lesen habe ich so manches mal gegrinst oder auch laut aufgelacht. Für solche Paarungen hat die Autorin ein glückliches Händchen (bzw. Schreibe), denn auch in ihren anderen Büchern (z. B. „Goldsommer“ oder auch „Wohin der Wind uns trägt“) gibt es solche. Und dennoch hatte ich zu keiner Zeit das Gefühl, etwas schon mal gelesenes vorzufinden. Es war hier ganz anders und wieder neu und eigen.


    Stilistisch empfand ich das Buch auf dem (hohen) Niveau der anderen bisher von dieser Autorin gelesenen Bücher. Das Kopfkino hat auf der ersten Seite begonnen zu laufen, die Figuren konnte ich mir sehr gut und lebendig vorstellen; lediglich die Eltern von Marika blieben bis zum Schluß etwas blaß. Für meinen Begriff kann Elisabeth Büchle sehr gut mit den im Genre zahlenmäßig überlegenen amerikanischen Autorinnen mithalten und ich finde es schade, daß der Verlag da nicht mehr tut (und beispielsweise die Bücher länger lieferbar hält). Immerhin sind inzwischen zwei Ihrer Bücher bei Weltbild erfolgreich in Lizenz erschienen: dieses sowie der 2012 mit dem 2. DeLia-Preis ausgezeichnete Roman „Goldsommer“.


    Am Ende sind dann alle offenen Fäden verknüpft, mindestens eine große Überraschung (mit der ich überhaupt nicht gerechnet habe) aufgetaucht, der eine oder andere Grauton übrig geblieben, wie das im Leben eben so ist, und das Buch innerlich ruhig und zufrieden geschlossen. Schön wars - und ich freue mich schon auf das nächste Elisabeth Büchle Buch, egal worum es geht. Denn das ist eine der wenigen Autorinnen, die auch über Dinge, die mich eigentlich nicht interessieren, so schreiben kann, daß ich das einfach lesen muß. Und das ist nicht bei vielen so.



    Kurzfassung:


    Während eine entführte junge Frau mit Amnesie im württembergischen Schwarzwald auftaucht, sucht ihr Bruder im Berlin der Wochen for dem deutschen Bruderkrieg nach ihr. Eine gut und flüssig lesbare Geschichte, die die Auswirkungen der großen Politik auf die kleinen Leute deutlich macht.
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Hier die, auch schon vergriffene, Taschenbuchausgabe. Ich muß zugeben, daß mich die Veröffentlichungs- bzw. Lieferbarkeitspolitik von Gerth zunehmend verwundert und irritiert.
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Seit der Tierarzt Lukas Biber seine Frau verloren hat, lebt er einsam und unzufrieden in seinem abgelegenen Gutshaus. Das ändert sich, als er in einer kalten Winternacht Theresa, eine junge Frau, die ihr Gedächtnis verloren hat, findet. Da sie verletzt und halb erfroren ist, nimmt er Theresa erst einmal bei sich auf. Diese macht sich in seinem Haushalt und bei der Erziehung seiner kleinen Tochter schnell unentbehrlich. Doch sie wird von den Gedanken gequält, woher sie kommt und wer sie ist. Aber niemand scheint sie zu kennen...


    Der Roman spielt im Jahr 1866 in einem Ort im Schwarzwald. Die Spannungen, die es zu dieser Zeit zwischen Preußen und Österreich gab, werden in der Geschichte aufgegriffen so dass der Leser verständliches, knappes geschichtliches Hintergrundwissen erfährt. Im Vordergrund steht jedoch die Geschichte von Lukas und Theresa. Beide wirken wegen kleiner, aber liebenswerter Charakterschwächen sehr sympathisch auf mich und ich konnte schnell mit Theresa mitfühlen. Gefallen haben mir auch die unvorhersehbaren Überraschungen, die in der gesamten Handlung des Buches vorkamen. Dadurch ist das Lesen abwechslungsreich und spannend geblieben. Außerdem mochte ich die Geschichte auch wegen der kurzen Naturbeschreibungen sehr. Ich konnte mir die ruhige Landschaft genau vorstellen und mich in der anderen Welt entspannen. Bei manchen Autoren stören mich Beschreibungen beim Lesefluss, doch hier sind Naturbeschreibung hauptsächlich am Anfang des Kapitel und schaffen die angemessene Atmosphäre für die folgenden Handlungen.


    Insgesamt ist „Die Magd des Gutsherrn“ für mich eine stimmige Geschichte über Hoffnung, Vertrauen und Liebe, die ich mit gutem Gewissen weiterempfehlen kann. Fünf von fünf Sternen!