Christine Spindler: Mond aus Glas

  • Renate Götz Verlag
    ISBN-13: 9783902625205
    ISBN-10: 3902625201
    Belletristik
    Ausgabe 12/2010
    Broschiert, 196 Seiten
    [D] 17,41 €


    Verlagsseite http://www.rgverlag.com
    Autorenseite http://www.christinespindler.de


    Der Preis mit 17,41 € ist etwas ungewöhnlich. Aber das ist das im Zuge eines Adventsgewinnspiels zu mir gekommene Buch zum Nachdenken und Staunen für Jugendliche und Erwachsene von Christine Spindler auch. Und zwar im durchweg positiven Sinn.


    Die 1960 in Backnang geborene und in Auenwald lebende Autorin hat bereits mehr als 40 Bücher geschrieben. Aus ihrer Feder stammen vorwiegend Kinderbücher und Krimis. Teils veröffentlichte sie diese unter ihrem richtigen Namen. Dazu zählen etwa die deutsch-englischen Lernschmöker von Langenscheidt Love Takes Centre Stage - Bühne frei für die Liebe oder Love Takes a Detour - Liebe auf Umwegen. Andere Veröffentlichungen erfolgten teils unter dem Kurznamen Chris Spindler, ihrem Pseudonym Tina Zang oder (als Co-Autorin) dem Sammelpseudonym Kris Benedikt. Bereits 2007 kam im Sieben-Verlag ihr Buch Winterleuchten auf den Buchmarkt. Mond aus Glas ist eine inhaltlich teilweise überarbeitete Auflage davon.


    Das Cover zeigt ein junges, gleichermaßen traurig wie verloren wirkendes Mädchen an einem Gewässer, über dem der Vollmond steht. Die Inhaltsangabe erklärt gleich eingangs ihren Gesichtsausdruck, ist doch die Zwillingsschwester der mittlerweile 16jährigen Luna zwei Jahre zuvor nach einer Tumoroperation gestorben. Der Verlust und die Trauer drohen die Familie zu zerbrechen. Abgesehen davon entdeckt Luna Veränderungen an sich, die sie sich nicht erklären kann. Doch im Buch geht es nicht nur um sie. Auch Finn steckt gerade in einer schwierigen Phase. Seine Eltern haben sich kürzlich getrennt und er muss mit seiner kleinen Schwester und seiner Mutter in einer fremden Stadt einen Neuanfang wagen. Das gestaltet sich vor allem deshalb etwas schwierig, weil der gerade 18jährige Finn als Bluter von seiner Mutter ein Leben lang in Watte gepackt, verhätschelt und isoliert worden ist. Dabei hat auch er Fähigkeiten, die ihn von anderen unterscheiden. Luna und Finn lernen sich kennen, erkennen, wie einzigartig sie sind, und verlieben sich ineinander.


    Wer jetzt denkt, eine einfache Liebesgeschichte in Händen zu halten, irrt allerdings. Denn Spindlers Geschichte ist weitaus mehr und wird von weiteren Charakteren beseelt. Zwar verweist die Inhaltsaufgabe auf Luna und Finn, doch erweisen sich Spindlers übrige Figuren als ebenso wichtig. Egal ob es sich um Finns altkluge, kleine Schwester Motte handelt, die viel lieber bei ihrem Vater leben würde aber nicht darf. Oder um seine überbesorgte Mutter Marianne, die neben einem Alkoholproblem auch mehr als ein Geheimnis hat, oder Finns Vater Rainer, der es mit der Treue nicht so ernst genommen hat - zwischen beiden sind die Fronten verhärtet. Auch Lunas Mutter Vera, die Luna vernachlässigt, und nur durch die Erkenntnis, dass Stella einem karrieresüchtigen, gewissenlosen Arzt zum Opfer gefallen sein könnte, aus ihrer Depression gerissen wird, spielt keine unbedeutende Nebenrolle. Ebenso wenig ihr Mann, Lunas Vater Urban, der sich in seiner Trauer von Vera alleine gelassen fühlt. Die Ehe der beiden ist erstarrt, droht wie gesagt zu zerbrechen. Da ist aber auch Lunas Tante Evi mit einer leichten geistigen Behinderung, die sich nicht verstellen kann und die ebenso auf die Familie angewiesen ist, wie diese auf sie. Sogar Lunas Schulrektor, zwei Lehrer oder die Freundin von Vera sind nicht einfach nur nebenbei erwähnte, nebensächliche Füllfiguren.


    Alle sind wundervoll beschrieben, wirken authentisch (trotz der Erwähnung und damit Komprimierung aller in einem Roman) und mehr oder weniger liebenswert. Keiner davon wirkt wirklich alt oder jung, überaus erwachsen oder absolut kindlich. Exzentrisch verschroben sind sie alle. Jeder hat Fehler und Schwächen. Niemand ist perfekt, auch die verstorbene Stella nicht. Genau dadurch wirken sie herrlich lebendig und man kann sich in alle hervorragend hineinversetzen. Von Beginn an leidet man mit ihnen, lacht mit ihnen, fiebert mit ihnen, wundert sich mit ihnen, hofft mit ihnen. Und wünscht ihnen, dass die Geschichte trotz der tragischen Momente gut ausgeht.
    In jedem Kapitel gibt es gleich mehrere Erzählstränge. Die Verknüpfung mehrerer gleichberechtigter Handlungsfäden und Charaktere beinhaltet für viele Autoren ungeahnte Stolperfallen und allzu häufig bleibt neben dem Lesefluss auch der Lesespaß auf der Strecke. In Mond aus Glas wird beides jedoch Stück für Stück unaufgeregt emphatisch in einer wundervollen gleichsam feinsinnigen wie bildhaften Sprache von der Autorin miteinander verwoben.


    Aufkommende Fragen finden sukzessive ihre Antworten. Diese wühlen auf, geht es doch, abgesehen von dem von Spindler verarbeiteten fantastisch-märchenhaften Element um grundsätzliche Dinge, die jeden von uns betreffen. Tod und Trauer stehen der ersten Liebe ebenso gegenüber wie der, die schon seit Jahren existiert. Ein Wust von Emotionen findet in Mond aus Glas Raum. Anklagen und Schuldgefühle, Wut, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Aber auch Freude, Verzeihen und Zuversicht. Es geht um Loslassen und Festhalten. Um das Am-Boden-Sein und darum, wieder aufzustehen. Um neue Blickwinkel und damit verbundene Einsichten. Jedes der 31 Kapitel ist eingangs übrigens mit einem Gedicht versehen, welches die Emotionen im Buch zusätzlich widerspiegelt.


    Fazit: :lesend :lesend :lesend :lesend :lesend


    Ein absolut empfehlenswertes, berührendes und nachdenklich machendes Buch für Jung und Alt. Eine genauso märchenhafte wie echt wirkende Geschichte, die zu Tränen rührt, aufwühlt und zum Lachen animiert. Eine Geschichte, der ich fünf von fünf Punkten geben möchte und die ich garantiert mehr als einmal lesen und verschenken werde.


    Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)

    Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
    Mark Twain

  • Die 16-jährige Luna Jannik ist anders als andere Mädchen ihres Alters, denn was Empathie ist, weiß sie nicht und auch mit ihrer direkten Art stößt sie immer mal wieder Leute vor den Kopf. Doch das war nicht immer so. Bis vor zwei Jahren hatte Luna ein Ebenbild, ihre Zwillingsschwester Stella, an der sie sich orientiert hat, doch als diese starb, blieb sie allein zurück. Ihre Eltern Vera, eine Kunstmalerin und Urban, ein Wissenschaftsjournalist runden zusammen mit Veras autistischer Schwester Evi Lunas Familie ab, aber wirklich verstehen, wer sie ist, das tut niemand aus ihrem Umfeld. Der Tod von Stella hat in der Beziehung zwischen Vera und Urban einen tiefen Riss hinterlassen. Von einer glücklichen Ehe kann man hier nicht sprechen - und mittendrin ist Luna, die versucht, sich in ihrer Andersartigkeit anzupassen und dennoch inmitten der Menschen allein ist.


    Dann zieht jedoch Marianne Drostenhagen mit ihren beiden Kindern Finn und Charlotte in Lunas Gegend und Luna weiß: Es wird sich etwas ändern. Familie Drostenhagen zieht ausgerechnet in das Haus, von dem Luna schon immer fasziniert war und als sie den 18-jährigen Finn das erste Mal sieht, weiß sie, das er etwas Besonderes ist. Marianne hat sich zu diesem Umzug entschlossen, nachdem ihr Noch-Ehemann Rainer sie mehrfach betrogen, einen Neuanfang zu wagen, zumal auch sie ein Geheimnis mit sich herumträgt, das sie niemandem offenbaren kann. Weder Finn noch Charlotte sind besonders begeistert von dem Umzug, zumal Charlotte ihre ganzen Freunde und ihren heißgeliebten Vater zurücklassen muss. Finn hingegen, der bisher ohne Freunde war, ist auch nicht erpicht darauf, noch einmal von vorne zu beginnen, denn Finn ist Bluter, weswegen er von jeher von anderen Kindern gemieden wurde.


    Gleich am ersten Schultag stellen Finn und Luna fest, dass sie in einer Klasse sind und nachdem Luna auf Grund ihrer direkten Art Ärger am Hals hat, steht ihr Finn solidarisch zur Seite. Die Beiden fühlen sich zueinander hingezogen, trotz oder gerade wegen ihrer Andersartigkeit gegenüber der breiten Masse. Schnell werden die Beiden ein Paar, doch seltsame Begebenheiten ereignen sich. Finn sieht immer wieder Stella und auch in Luna gehen Veränderungen vor, die so fantastisch sind, das man sie kaum glauben mag. Während Finn und Luna glücklich miteinander sind und die Dinge, die mit ihnen geschehen, als gegeben hinnehmen, kämpfen ihre Eltern noch immer mit den Verlusten, die sie erlitten haben. Als jedoch Zweifel bezüglich Stellas Tod auftauchen, spitzt sich die Situation im Hause Jannik immer weiter zu und mittendrin: Luna und Finn ...



    Öffne dein Herz, lass deine Gedanken fließen! Der Plot wurde ausgesprochen tiefgründig und bildhaft erarbeitet. Hier hat mir besonders gut Lunas eigene Welt gefallen, die nicht unbedingt der realen, im Buch dargestellten Welt entspricht, denn die Autorin lässt den Leser immer wieder an ihrem Denken und Fühlen teilhaben. Die Figuren wurden allesamt facettenreich und realistisch erarbeitet. Ob Protagonist oder Nebencharakter, alle haben einen unglaublich starken Eindruck auf mich hinterlassen, denn sie alle kämpfen gegen ihre inneren Dämonen, versuchen das normale Leben aufrecht zu erhalten und drohen mehr als einmal zu straucheln. Den Schreibstil kann ich nur als ausgesprochen tiefsinnig und fesselnd beschreiben. Dieser hat mich sofort in seinen Bann gezogen, sodass es mir unmöglich war, dieses Buch auch nur kurz aus der Hand zu legen. Abschließend kann ich sagen, dass mich dieses Buch nachdenklich und dennoch auch hoffnungsvoll zurück gelassen hat. Ich wünschte, es würde mehr solcher Bücher geben, in denen einfach alles stimmt - der Plot, der Schreibstil und die Figuren, dass einen ein solches Gesamtwerk einfach verschlingt und auch nach Beendigung des Werkes so schnell nicht mehr loslässt.