Wie man richtig an Sex denkt. Kleine Philosophie der Lebenskunst - Alain de Botton
ISBN: 3424630640
Verlag: Kailash
Erscheinungsjahr: 2012
Seitenzahl: 224
Übersetzerin: Silvia Morawetz
Über den Autor:
Alain de Botton wurde 1969 in Zürich geboren. Nach einem Studium der Geschichte und Philosophie am Gonville and Caius College der Universität Cambridge arbeitete er als Autor, Journalist und Produzent von Dokumentarfilmen.
Alain de Botton ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen.
In deutscher Übersetzung liegen u.a. folgende Bücher des Autors vor: "Kunst des Reisens", "StatusAngst", "Glück und Architektur", "Airport: Eine Woche in Heathrow".
Über den Inhalt:
Als Alain de Botton im Jahr 2008 die "The School of Life" ins Leben rief, beabsichtigte er damit einem interessierten Kreis eine Möglichkeit zu eröffnen, auf Veranstaltungen Fragen der Gegenwart in den Bereichen
Literatur und Kultur, Arbeit und Medien, Lebensentfaltung und Persönlichkeit unter philosophischen Aspekten zu beleuchten.
Aus dieser Idee entstand die Buchreihe "Kleine Bücher - große Gedanken", in der auch das vorliegende Buch erschien.
Der vorliegende Titel hat es sich nicht zur Aufgabe gemacht, der Frage nachzugehen, wie man richtig an Sex denkt, sondern möchte dazu anregen, in spielerischer und zugleich philosophischer Weise Zweifel an der eigenen Sexualität zu überdenken und vielleicht auch gelassener mit sich umzugehen.
Meine Meinung:
Nachdem Alain de Botton sich in seinen früheren Büchern gesellschaftlichen Themen sehr persönlich und philosophisch näherte, war es wenig überraschend, in seinem aktuellen auf einen der substantiellsten Aspekte des menschlichen Lebens zu treffen: der Sexualität.
Bereits in der Einleitung schreibt de Botton sehr deutlich, nicht
"nach Rezepten zu suchen, wie wir intensiver oder häufiger Sex erleben können,sondern vielmehr Anregungen zu geben wie wir durch eine gemeinsame Sprache das quälende Gefühl des Ungenügens abbauen können, das daraus entspringt, dass wir uns entweder danach sehnen, mehr Sex zu haben, oder Sex angestrengt auszuweichen."
Ausgehend von der Feststellung, dass irgendwann jeden Menschen das Gefühl beschleicht, nicht normal zu sein, geht der Schweizer Philosoph kurz über jahrhundertlange gesellschaftliche Entwicklungen bis zum Abstreifen von normierten Moralvorstellungen ein, um zu der Erkenntnis zu kommen, dass Glück und großartiger Sex auch im freiheitlichen 21.Jahrhundert die Ausnahme bleiben.
Anhand dieser Thesen untergliedert de Botton seine Ausführungen in zwei große Abschnitte, die er "Die Freuden der Sexualität" und "Die Probleme der Sexualität" nennt.
Im ersten und zugleich weniger bemerkenswerten Abschnitt widmet sich de Botton der Erotik und Einsamkeit und geht der Frage nach, ob Sex-Appeal objektiv belegt werden kann. Anhand der beispielhaften Schauspielerinnen "Natalie oder Scarlett" (gemeint sind Natalie Portman und Scarlett Johannson) beleuchtet der Autor - bedauerlicherweise aus rein männlicher Sicht-, die für die Leserinnen naturgemäß nachvollziehbar sein dürfte, einseitig die Attraktivität dieser Starlets. Ausgehend von der These des Kunsthistorikers Worringer, der im Jahr 1907 der Auffassung war,
dass "wir mit der Gewissheit aufwüchsen, dass uns im Innersten etwas fehle", beleuchtet de Botton die psychische und moralische Wirkung von Kunstwerken auf das Individuum, um von künstlerischer Ästhetik auf die menschliche Anziehungskraft überzuleiten und das Wechselspiel der Natur zu erklären. Erwartungsgemäß kommt de Botton nach gründlicher Analyse der Vorzüge beider Schauspielerinnen nicht zu einem abschließenden Ergebnis; den Evolutionsbiologen gleich gelingt es glücklicherweise auch dem Philosophen nicht, das letzte Geheimnis zwischenmenschlicher Anziehungskraft zu lösen.
Im zweiten großen und weitaus spannenderen Abschnitt widmet sich de Botton den Problemen der Sexualität; hinterfragt "Liebe und Sex", geht "Zurückweisung" und "Mangelnder Lust" auf den Grund, beschäftigst sich mit
"Pronographie" und "Ehebruch". Werden die ersten Unterabschnitt noch relativ kurz abgehandelt und mit der Forderung enden, dass Liebe und Sex eine Gleichstellung erfahren sollten und Zurückweisung nichts anderes als eine Präferenz ähnlich der Auswahl einer Eiscremesorte sei, gelingt dem Schweizer Autor eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Aspekt von Verlangen und ehelicher Treue.
Vorurteilsfrei konstatiert de Botton zunächst, dass Ehe, Familie und Sexualität miteinander verbunden sind, um im Anschluss nach den Ursachen für eheliche Untreue (Reize der Außenwelt, Spannungen in der Partnerschaft etc.) zu suchen. Weder verurteilt noch rechtfertigt er Untreue, sondern stellt Argumente für - die immer noch idealisierte und vorteilhafte - Form der Ehe auf, um letztlich ein Plädoyer für den Zweierbund zu halten. Dennoch hätte sich der ein oder andere Leser mit Gewissheit gewünscht, dass in einem philosophischen Buch, das sich schlechthin mit dem Innersten, den seelischen und körperlichen Bedürfnissen der menschlichen Existenz beschäftigt, die Frage nach dem einen Leben, nach den Chancen und Niederlagen und einer künftigen Entwicklung sexueller Beziehungen, die das Modell Ehe in seiner Gänze hinterfragt, behandelt wird.
So bleibt "Wie man richtig an Sex denkt. Kleine Philosophie der Lebenskunst" ein nettes Büchlein mit Gedanken über die Sexualität, das sich in unterhaltsamer Weise dem Auf und Ab menschlicher Anziehungskraft widmet.