Ja doch, ist mein voller ernst. Diese gier und krämermentalität ist zwar von vorn herein überall, aber vor allem im bereich der freien künste extrem abstoßend.
Ich muss allerdings als begründung meiner radikalen haltung zur freien unentgeltlichen und allgemeinen verfügbarkeit von wissenschaft und kunst vorausschicken, dass ich hoffnungslos buchübersättigt bin, und mich buchhandel jeglicher art bereits anwidert, und neuerscheinungs-mails lösch ich ungelesen, es sei denn, es sind die erscheinungsbenachrichtigungen von mir ausgesuchter bücher. Mir gehts schon fast wie dem General Spanocchi (schreibt man den so?), der bei einem abendessen meinen eltern einmal den denkwürdigen satz sagte: 'Wenn i nur a biachl seh, hab i schon gfessn.' - Bei mir liegt die betonung derzeit auf 'neues' buch.
Ich bin weitgehend damit beschäftigt die buchkäufe der letzten 20 jahre abzuarbeiten, was ich vermutlich bis zu meinem ableben nicht mehr schaffen werde, denn bei einem Sub von - dank altwunschlistenzukauf inzwischen über 1600 büchern und einem - obendrein jährlich sinkenden lesepensum von bislang 40 büchern im jahr - kann man sich ausrechnen, dass sich das bei mir mit der durchschnittlichen menschlichen lebenserwartung nicht mehr ausgeht.
Und vom markt wird mir mit aller gewalt ware angepriesen und aufgedrängt, die ich mir allein lebenszeitmässig nicht mehr leisten kann. Die handvoll autoren, die mir gut genug für einen neukauf gefallen, kenne ich inzwischen, aber auch bei denen tendiere ich schon dazu, sie nach kurzem schmökern wieder weg zu legen, und mir zu sagen: kauf ich, wenn ich dafür wieder zeit hab. Meine tage als buchkäufer sind bereits gezählt, und mein vorsatz ist, nicht nur altes abzulesen, sondern auch neukäufe weitgehend einzuschränken, weil es schlicht und ergreifend für mich keinen SINN mehr macht, noch sonderlich viele neue bücher zu kaufen.
Und tut bitte anhand des hoffnungslosen überangebots nicht so, als wären bücher noch irgend etwas besonderes. Natürlich ist es lebenszeit und mühe des autors, aber es hat ihm niemand angeschafft, hauptberuflich zu schreiben / überhaupt zu schreiben; und so ein machwerk zu lesen verlangt auch lebenszeit und mühe vom leser, was umso ärgerlicher ist, wenn ein buch nicht gut ist, bzw den eigenen geschmack nicht trifft. Wenn man schon mit handelsmentalität an die ware literatur heran geht, müsste es auch eine geld zurück-garantie beim nicht-gefallen der ware geben.
Wenn man schreibt, tut man das, weil es einem ein inneres bedürfnis ist, zu schreiben - und weil man offenbar nichts besseres zu tun hat - derselbe grund, warum man auch liest.
Schreiben ist in erster linie geistige selbstbefriedigung. Ich käm nie auf den abstrusen gedanken, eines meiner geisteskinder zu verkaufen - das wäre kinderhandel der übelsten art, letztendes selbstverkauf und geistige prostitution. Wenn man sein kind auf diese art aussetzt, heisst es, dass man damit fertig ist, und es anderen als hintergrund zum weben eigener gedankenspiele zur freien verfügung überlässt. Man hat sein recht darauf - vor allem das wesentliche recht des autors: es im fall neuer ideen jederzeit zu verändern, im moment der veräusserung aufgegeben.
Sofern man jemand findet, der einem die eigene phantasterei irgendwie - erstens korrigiert, und dann - das ist das wesentliche an einer wertschöpfung: in ansprechende und haltbare form bringt, sind preise für das endprodukt einzusehen, man kauft ein gesamtkunstwerk, für das viele leute gearbeitet haben, die auch hauptberuflich nichts anderes tun, um davon satt zu werden, dass sie hirngespinste anderer leute zu vervielfältigen, damit wieder andere leute diese fremdhirngespinste ihren eigenen hirngespinsten hinzufügen können, und soweit sind kosten gerechtfertigt, weil das transportmittel 'buch' in der herstellung, lieferung, lagung, verfügbarhaltung mit einem gewissen aufwand verbunden ist. - bislang, denn:
Diese ganzen zusätzlichen kosten fallen beim e-book weg, oder sind drastisch reduziert. Diese idee vom geistigen eigentum, und dass man verteilungsrechte desselben erwerben und weiterverkaufen könnte, nützt hauptsächlich der industrie selbst, und wer sich da vorspannen lässt, dem kann man sowieso nicht mehr helfen.
Bei meinen lieblingsautoren, würd ich digital am liebsten im moment des eintippens den text aus der tastatur saugen, und ich hätt auch kein problem damit, den autor für diese gunst in seine schnipsel einzusehen, direkt zu bezahlen, aber dazu brauch ich den ganzen zwischenhandel und auch 'das buch' als solches nicht mehr. Ich abonniere gegen ein entgeld, sagen wir 'George' und krieg zugang zu seinen neuesten ideenfitzeln. - Er müssts nichtmal fertig ausformulieren, es reicht ein konzept, einige wortwechsel, beschreibungen und szenen, denn den rest kann ich mir selber vorstellen, er gibt mir ja nur die regieanleitung für einen inneren traum.
Diese ganze digitalisierung, wie sie jetzt betrieben wird, ist wegen fehlbarkeit und lebensdauer der technik, kurzlebig - und kurzsichtig. - Die Ware Buch wird damit langfristig abgeschafft, und schlimmer: öffentliche bibliotheken, und die rechte für die weitergabe von texten landet bei textvermittlungsfirmen: man kann ein ausgelesenens buch nicht mehr weiterverschenken oder antiquarisch weiterverkaufen, weil es schlicht und ergreifend kein buch mehr gibt.
- Gut, beim großteil der jährlichen neuerscheinungen wärs zumindest für die bäume besser gewesen, sie wären von vorn herein ungedruckt geblieben. Da schon der neuerscheinungs-output eines jahres nicht in einem menschenleben bewältigbar ist, stellt sich die frage, was das überhaupt soll. Wirklich jeder schreibt irgendein buch, einige besonders geistig penetrante leute schreiben sogar mehrere in einem jahr, und einige wissen obendrein nicht mehr zu sagen, ob, was sie schreiben, überhaupt veröffentlichungsreif ist (ja, Snuff hab ich letzte woche trotz des hiesigen entschiedenen abratens von Tom gekauft, weil ich die Scheibenwelt möglichst vollständig haben will, und es hieß, dass der kaufpreis eine spende an die alzheimerforschung ist, und ein schlechter Pratchett ist für mich allenthalben noch immer interessanter, als die meisten anderen bestsellerlistenplatzinhaber - und wie die stellenweise künstlich gepusht werden, ist wieder ein ganz eigenes kapitel).
Digitalisierung ist gewiss eine methode dem wust an weltweit ausformulierten gedanken irgendwie herr zu werden, aber es ist letztendlich entwertung; das ende der idee 'buch' als haltbares, generationen überdauerndes überlieferungsmittel aufzeichens- & verbreitungswürdiger gedanken und am wichtigsten: durch schlichtes unentgeltliches weiterreichen der konsumierten ware untereinander frei verbreitbares wissen und genuss.
Stimmt schon, 90% - der aktuell verbreiteten Literatur ist es eigentlich vom mangelnden philosophischen, weltanschaulichen gehalt oder der fehlenden leichtigkeit in poesie und formulierung, oder der mangelnden strahlkraft der gedankenbilder, wie auch dem defizit an mitreissender handlung her nicht wert, generationenlang überliefert zu werden - und bei fachbüchern kommt hinzu, dass sie oft binnen eines jahres, wenn nicht schon am erscheinungstag, bereits überholt sind, weil man ja selten sagen kann, woran andere forscher grad schwanger gehen, und man über deren ergebnisse selten aktuelle daten hat - weil jeder - bzw forschungsfördernde sponsoren - auf dem geistigen eigentum eiferschtig und geifernd hockt - vor allem, die firmen, die sogenannte zukunftsweisende, technische forschung bezahlen. Das ganze ist auf gewinnmaximierung ausgerichtet, und deswegen von vorn herein fragwürdig und unlauter.
Die buchpreisbindung (inclusive des hiesländigen steueraufschlags, wegen angeblichen mehrwertes, der hoffentlich bei büchern der Forschungsförderung zugute kommt) werden langfristig nicht verhindern können, dass bücher - deren druck und verbreitung - ausgerottet werden, verlage zu großen internationalen textvermittlungsfirmen verschmelzen, die dann entscheiden wer was zu lesen bekommt - und damit das recht zu lesen auf leute beschränkt wird, die zugang zu stromquellen haben, in besitz eines readers sind, und sich das herunterladen von texten leisten können, was angesichts von drohender massenarbeitslosigkeit und dumpinglohnsklaverei nicht mehr der fall sein wird.
Mangels frei verfügbarer bibliotheksbücher sinkt die lesekompetenz unter jugendlichen noch weiter, und die menschheit verblödet noch mehr, als es bisher der fall ist, und dann beschweren sich firmen, dass sie wegen ansteigendem analphabetismus und problemverständnis keine lehrlinge und facharbeiter mehr finden.
Drum reizt es mich jedesmal, wenn ich wen mit einem reader seh, ihn denselbigen übern kopf zu schlagen; und ein buchgeschäft einen reader anbieten zu sehen, erfüllt mich mit nahezu unzähmbaren zorn, dass ich es gleich boykittieren will: das ist fast so wie die bankangestellten, die einem kreditkarten und e-banking aufs aug drücken wollen: dass das heisst, dass sie sich allesamt damit selbst für überflüssig erklären, ist offenbar noch keinem geschossen. Dass damit unmassen von leuten arbeitslos werden, die keinen anderen job mehr finden werden, kann man sich auch ausrechnen - was solln die tun? Etwa alle freischaffende hauptberufliche schriftsteller werden, wenn die letzten, die lesekompetent sind, und dafür gelegentlich zeit haben, ebenfalls im system arbeiteten, ebenfalls ihren job verloren haben, und keiner mehr genug verdient, um sich eine wohnung, strom, internetzugang, einen reader, geschweige denn das herunterladen von texten zu leisten? Werden die reader dann gratis ausgegeben, und bestimmte gratis-werke werden für die lektüre der letzten lesekundigen ausgesucht? Und die einzelnen textverleiher halten sich eine handvoll haus und hofpoeten, oder unterhalten schreibzirkel als subunternehmen, die sie bezahlen, um vorgegebene, erwünschte literatur zu produzieren?
Nun, es geht mich eigentlich nichts mehr an, meine karriere als buchkäufer ist aus überfütterung und platzmangel mehr oder weniger beendigt.
Ganz davon abgesehen: telefonbücher kosten hierzuland auch geld, und sind als quellen extrem wertvoll und interessant (ich würd sagen, historisch sogar relevanter und leichter auswertbarer als die masse des jährlich verbreiteten geschreibsels), die verraten eine menge über den telefonbesitz und die telefonbesitzer einer region, und über einen längeren zeitraum hin betrachtet auch über die historische entwicklung einer region. Die auswertung von lokalen telefonbüchern der letzten 70 jahre ist sicherlich ein sehr anregendes - und vor allem lebenslanges hobby, das mich unter umständen sogar begeistern könnte, aber ich hab mit älteren, handschriftlichen archivdaten schon genug zu tun, und bürstle&kleb momentan lieber an alter keramik, und überleg mir nebenbei neue schulprojekte.
*MagMa, hoffnungslos literatur-konsum-übersättigt, und vom mangelnden großmut und der gewinn-gier ihrer mitmenschen extrem angewidert*