Eine Reise der besonderen Art
Wenn man den Titel „Das fliegende Bett“ hört oder liest, erinnert einen dies an die Märchen über fliegende Teppiche. So wie uns die Märchen über fliegende Teppiche an alte orientalische Vorstellungen anknüpfen lässt, so stammt auch die Geschichte über das fliegende Bett aus dem Orient, genauer gesagt, aus der Türkei, denn diese Geschichte für Kinder ab 3 Jahre stammt von der türkischen Autorin Aytül Akal.
Das fliegende Bett ist nicht irgendein Bett ohne Geschichte, sondern es handelt sich um einen Gegenstand, der von Generation zu Generation weitergegeben wird. Da dieses Bett nicht sonderlich groß ist, können nur kleine Kinder darin schlafen. Die Kinder glauben, dass nur sie Nacht für Nacht – außer wenn es regnet – in den Himmel schweben können, doch diese Zauberbetten gibt es in relativ großer Stückzahl, anscheinend mehr als es Sterne am Himmel gibt. Kinder lieben fliegende Betten und fürchten sich vor dem Großwerden, denn dann brauchen sie ein größeres Bett und müssen ihr heißgeliebtes Bett an die Jüngeren abtreten. Bevor ein Kind das Zauberbett abgibt, bekommen sie Besuch von einem größeren Kind, einem außerirdischen Kind, das mit einem Ufo angeflogen kommt. Dieses außerirdische Kind weist ein älter werdendes Kind in die Bedienung eines Ufos ein. Da macht Älterwerden Spaß, denn mit einem Ufo kommt man schneller und weiter in das große Universum hinein.
So wie der Titel „Das fliegende Bett“ einen an alte Märchen erinnert, so bekommt die Geschichte eine moderne Wendung, nämlich das Auftauchen eines Ufos. Natürlich kann man sich darüber streiten, ob es sinnvoll ist, dass ein Kind eine Geschichte über Ufos erzählt bekommt, vor allem weil es einen direkt an Erzählungen aus Amerika erinnert. In der jüngeren Zeit sind es immer wieder die Amerikaner, die durch angebliche Ufo-Sichtungen in die Schlagzeilen geraten und es sind Amerikaner, die daraus so etwas wie eine Religion gemacht haben. Tatsächlich sind die Erzählungen über Ufos (Unbekanntes Flug-Objekt) nichts Neues, denn schon zu Zeiten der Pharaonen wurden solche Objekte beschrieben.
Haben wir nicht auch die Märchen geliebt und lieben sie vielleicht auch heute noch, wenn es darum geht, wie Menschen durch außergewöhnliche Gegenstände sich an einen anderen Ort transportieren lassen können, wie beispielsweise im Kunstmärchen „Der kleine Muck“ von Wilhelm Hauff, der sich durch Pantoffeln woanders hinbeamen kann? Ist es letztendlich eher gleichgültig, mit welchem Gegenstand man an einen Ort kommen kann?
Auffällig in dieser Geschichte ist, dass niemand einen Eigennamen hat, denn es wird von „einem Kind“, von „einem fliegenden Bett“ und von „einem Kind mit Ufo“ erzählt. Diese Nichtverwendung von Eigennamen ist ein typisches Merkmal von Märchen. Dieser Anschein wird zusätzlich verstärkt, in dem die Geschichte mit den Worten „Es war einmal“ beginnt. Nur das Ende ist untypisch für ein Märchen, denn es endet nicht damit, dass dieses Kind glücklich bis ans Ende ihrer Tage lebt, sondern es endet mit der Fragestellung, wer dieses Zauberbett geerbt hat.
Zudem sind die Illustrationen von Saadet Ceylan für uns Westeuropäer auffällig, denn das Kind ist weder als Mädchen noch als Junge eindeutig zu identifizieren und es hat nicht blondes sondern braunes Haar. Auch die Haut hat einen typischen Touch aus dem Orient. Sehr deutlich wird dies an dem außerirdischen Kind, das eindeutig orientalische Bekleidung und Frisur trägt.
Die Bilder sind übersichtlich, da sie auf das notwendigste beschränkt sind, die Mimik der Kinder ist deutlich zu erkennen. Außerdem sind die Illustrationen farbenfroh aber nicht zu bunt. Auf der linken Seite ist das jeweilige Bild auf einer gesamten Seite und zwischen dem deutschen und türkischen Text sind teilweise weitere kleinere Bilder eingebaut, die bestimmte Details zusätzlich hervorheben.
In der deutschen Übersetzung von Pervin Tongay werden den dreijährigen durchaus längere Sätze zugemutet. Wir sind es eher gewohnt, dass bei jüngeren Kindern gerne kurze Sätze verwendet werden. Ich finde es persönlich gut, wenn auch jüngere Kinder die Vielfalt einer Sprache kennenlernen dürfen. Diese Vielfalt der Sprache wird in dieser Geschichte wunderbar angewendet, denn mal werden Aufzählungen, mal werden kurze Sätze mit Ausrufzeichen hervorgehoben. Zudem wird ein Leser oder Zuhörer durch Fragestellungen direkt angesprochen wie beispielsweise auf Seite 5 mit der Frage: „Ja, wer möchte nicht ein fliegendes Bett haben?“
Insgesamt kann man sagen, dass dieses Werk gelungen und für Kinder gut geeignet ist, denn es erfüllt mehrere pädagogische Ziele:
Nachahmung von Märchen: Durch diese Nachahmung können Kinder sich leichter mit den Protagonisten identifizieren.
Zweisprachigkeit: Dieses Buch liegt zweisprachig (deutsch – türkisch) vor und so können Kinder und Erwachsene gleichermaßen den Text in ihrer Muttersprache und in ihrer Zweitsprache kennenlernen. Damit werden Eltern motiviert, ihren Kindern diese Geschichte vorzulesen, da sie den Inhalt in ihrer Muttersprache lesen können und somit wissen, worum es geht. Zudem können sie ihren Spracherwerb in der Zeitsprache verbessern und intensivieren.
Einblick in eine andere Kultur: Deutschsprachige Kinder bekommen durch die Illustrationen ein kleinen Einblick in die Vorstellungswelt des Orients.
Spracherwerb im Allgemeinen: Durch die Anwendung verschiedener Satzkonstruktionen lernen Kinder schon früh, wie vielfältig eine Sprache sein kann und sie bekommen ein Gefühl, wie eine gute Geschichte aufgebaut ist.
Anregung der Phantasie: Diese Geschichte lädt Kinder dazu ein, zu erzählen, was sie nachts erleben und welche Vorstellungen sie haben, wie man beispielsweise die Sterne oder den Mond erreichen könnte.
Also lassen Sie sich anregen und kommen Sie und ihr Kind mit auf eine wunderbare Phantasiereise.