Der Cop - Ryan David Jahn

  • Originaltitel: The Dispatcher (2011)
    Heyne Verlag, 2012, 335 S. (Heyne Hardcore)


    Über den Inhalt:
    Ian Hunt hat noch eine knappe Stunde bis Schichtende, als seine Tochter anruft. Es ist über sieben Jahre her, dass er ihre Stimme zuletzt gehört hat. Vor vier Monaten wurde sie für tot erklärt. Plötzlich wird der Anruf von einem Mann unterbrochen. Es ist der Mann, der Maggie vor sieben Jahren aus dem Kinderzimmer entführt hat. Maggie kann noch vage Angaben zu ihrem Entführer machen, dann bricht die Verbindung ab. Eine gnadenlose Jagd quer durch Amerika nimmt ihren Lauf.


    Über den Autor:
    Ryan David Jahn wuchs in Arizona, Texas und Kalifornien auf. Mit sechzehn Jahren verließ er die Schule, um in einem Plattenladen zu arbeiten. Seit 2004 arbeitet er als Drehbuchautor für Film und Fernsehen. Für seinen ersten Roman Ein Akt der Gewalt wurde er mit dem renommierten Debut Dagger Award ausgezeichnet.


    Meine Meinung:
    Die Entführung der 7-jährigen Maggie hat das Leben vieler Menschen dramatisch verändert. Ihre inzwischen geschiedenen Eltern haben sie vor kurzem für tot erklären lassen, da meldet sich die mittlerweile 14-jährige telefonisch bei der Polizei. Sie konnte ihrem Entführer für kurze Zeit entkommen, nur nicht lange genug, um aus seinen Fängen gerettet zu werden. Den Notruf nimmt ausgerechnet ihr Vater Ian Hunt entgegen, ein Polizist, dessen Karriere mit Maggies Verschwinden den Bach hinunter ging und der heute den Telefondienst macht. Das Lebenszeichen seiner Tochter weckt ihn aus seiner Lethargie und er setzt alles daran, um sie ausfindig zu machen und kein zweites Mal zu verlieren.


    Im Präsens und mit knappen Worten erzählt Ryan David Jahn die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven, wobei oftmals die gleiche Situation jeweils aus der Sicht der beteiligten Personen geschildert wird. Die Geschichte hat viel Tempo, überraschende Wendungen sucht man jedoch vergeblich. Auf 335 Seiten ist kein Platz für ausschmückende Beschreibungen oder Nebensächlichkeiten.
    Es geht nicht um die Frage, wer Maggie entführt hat und was das Motiv hinter der Tat war. Das erfährt man gleich im ersten Teil des Buches, in dem es immer wieder Rückblicke auf die sieben Jahre zurückliegenden Ereignisse gibt. Seine Spannung zieht der Roman aus der Frage, ob und wie Maggie gerettet wird, wie weit der Einzelne gehen wird und wer am Ende überlebt. Nachdem alle Positionen abgesteckt sind und der Leser sich ein gutes Bild von den Umständen, in denen Täter, Opfer und die Menschen in ihrem Umfeld leben, machen konnte, legt die Geschichte schlagartig an Dramatik zu und entwickelt sich zu einem typisch amerikanischen Roadmovie, bei dem auch der große Showdown am Ende nicht fehlen darf.


    Sympathie und Mitgefühl für Maggie zu entwickeln fällt leicht, bei den anderen Personen ist es nicht so einfach. Die neutrale Erzählperspektive und die Perspektivwechsel ermöglichen einen unverstellten Blick auf die Charaktere. Die Ausweglosigkeit ihres Daseins bestimmt und erklärt ihre Handlungen. Dem Autor gelingt eine erschreckende Momentaufnahme der Abgründe der menschlichen Seele, die das Verschwimmen von Grenzen und Zuordnungen in Gut oder Böse nachvollziehbar macht.
    So viel Gewalt und Brutalität, so viel Irrsinn - es ging mir an die Nieren, über Maggies Gefangenschaft zu lesen und die Gewalt und den Wahnsinn, der im Hause ihrer Entführer herrscht.


    Ein eindrucksvoller Roman, den ich mir auch als Drehbuch zum Film gut vorstellen kann. Wegen seiner heftigen brutalen Szenen nicht leicht zu verdauen. Vor allem, wer über Gewalt gegen Kinder nichts lesen mag, sollte die Finger von diesem Buch lassen.

  • So ganz uneingeschränkt kann ich mich da nicht anschließen.
    Der Cop ist eine klassischer Roadmovie querstrich Lonesome-Cowboy-Geballer Geschichte, die jedoch ihren ganz eigenen Reiz hat.
    Die Story ist überschaubar gehalten und leicht wegzulesen, jedoch würde ich Zartbesaiteten diesen Thriller nicht empfehlen.
    Der Hinweis auf ein Drehbuch ist genau richtig von Jane, denn ich habe bereits nach den ersten Seiten im Kopf Besetzungsmöglichkeiten unter Tarantino durchgespielt :grin


    Aber alles in allem ist das für mich kein Titel, den ich mir im HC kaufen würde.



    Winkegrüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Den Anfang des Buchs fand ich sehr stark, gerade weil man wusste, wer der Täter ist und man beobachten konnte, wie sich Menschen in eine eher weniger besiedelte Gesellschaft einfügen und man den Leuten eben sprichwörtlich nur vor den Kopf schauen kann. Die Abgründe, die dahinter lagen, waren erschreckend.


    Als es dann zum Roadmovie wurde, fieberte ich nur noch auf den Showdown hin, obwohl ich bei manchen Gewaltschilderungen zwischendrin (und auch beim Showdown) beinahe leichte Übelkeit verspürt habe, weil alles wörtlich niedergelegt wird.


    Ich finde auch, dass man die Situation von Maggie sehr gut greifen konnte, aber mich wirklich in die Charaktere hineinversetzen, konnte ich nicht. Es blieb für mich eher wie - na wie das Drehbuch zu einem Film.


    Mit einer Punktwertung tue ich mich sehr schwer, weil insgesamt betrachtet, kommt man ja nicht darum herum, dann auch die Teilkapitel aus Sicht der Entführer mit einzubeziehen und das, was dort geschildert wurde, war teilweise sehr abstoßend, aber damit ist das Buch für mich nicht schlecht/er geworden. Ich kann es nur nicht als Zahl ausdrücken.

  • Der Vergleich mit einem Drehbuch drängt sich beim Lesen förmlich auf, der Autor spielt auch ganz bewusst damit, immer wieder gibt es Szenen, deren Beschreibung dem Ranzoomen einer Kamera gleich kommt (einmal "spult" der Autor sogar zurück :chen inklusive rückwärts fliegendem Geier). Das gibt der Geschichte ein ziemliches Tempo, welches der Spannung unglaublich zuträglich ist, mir die Personen aber nicht sonderlich nah bringt. Maggies Erlebnisse haben mich ziemlich kalt gelassen (owohl einiges recht ausführlich beschrieben wird) und ich habe nur weiter gelesen, weil ich wissen wollte, wer am Ende überlebt.


    Fazit: Schnell, gradlinig und blutig - genauso schnell gelesen wie wieder vergessen. Nett für Zwischendurch. 6 Eulenpunkte.

  • Diesen Thriller habe ich ratzfatz weggelesen, allerdings nicht zwingend vor purer Begeisterung.


    Ermöglicht wurde das zum Teil durch die relativ schlichte Sprache und geradlinige Erzählweise, man muss sich nicht übermäßig konzentrieren um dem Geschehen folgen zu können. Zum anderen habe ich die Szenen mit den grauseligen, blutigen Details nur überflogen, so was brauch ich gar nicht, kann es aber auch recht gut an den Rand meines "Lese-Bewusstseins" schieben, falls nötig und trotzdem das Buch mit Interesse zu Ende lesen.


    Auch wenn ich es jetzt nicht übermäßig mochte, Roadmovies mit gewaltbereiten, durchgeknallten Unterschicht-Amis, deren allzeit präsente Waffen mich immer wieder erstaunen und entsetzen, zählen nicht zu mein bevorzugten Genres, richtig schlecht fand ich es nicht. Die Sprache war zwar zeitweise recht drastisch und prollig, amerikanische Unterschichte eben, hatte aber auch die ein oder andere fast poetische Beschreibung zu bieten.


    Spannend war es - und Maggie eine coole Protagonistin, für die man sich die ganze Zeit über ein gutes Ende gewünscht hat.