Geradezu tröstlich sei seine Vorstellung eines Himmels, in dem der Delinquent auf fünf Personen trifft, die ihn Lektionen erteilen, Aufgaben und Fragen mitgeben, damit er durch Selbsterkenntnis, Buße und Gebet den Seelenfrieden findet, so erläuterten mehrere Rezensenten des 2003 erschienen Romans. Seelenfrieden, Gebet und Reue, Ruhe und Stille, Frieden nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit seiner Vergangenheit, seiner Familie, mit Gott. Der Protagonist Eddie, 83-jährig bei einem Unfall verstorben, hat eine bewegte Vergangenheit - Kriegsheimkehrer, Probleme mit dem Status gegenüber dem Vater und dem eigenen Bruder, Ehemann einer später todkranken Frau. Wiedergutmachung will er leisten in seinem Leben, und so arbeitet er in der Position, in der auch schon sein Vater gearbeitet hat. Was er sich gewünscht hätte?
Nicht in dem Vergnügungspark arbeiten zu müssen, in dem sein Vater gearbeitet hat. Einen Sohn. Keine Vergangenheit wie die seine zu haben. Und doch scheint das die Lektion zu sein, die er im Himmel lernen soll, dirigiert durch fünf Personen, mit deren Leben er unweigerlich verbunden ist. Kennen muss er diese Personen nicht, eine Verknüpfung besteht dennoch mit ihnen. Warum? Der Autor formuliert es so: Nur im Kollektiv ist der Mensch ein überlebensfähiges, glückliches Wesen. Ergo, nur in der Gemeinschaft anderer Menschen fühlen wir uns geborgen und glücklich. Unsere Entscheidungen, egal ob alleine getroffen oder in der Gruppe, sind der Grundstein für Entscheidungen der kommenden Generationen. So schließt sich der (Teufels-)Kreis.
Dieser Gedanke soll tröstlich wirken und doch... bleibt es eine Frage der Ideologie, der eigenen Werte und Ideale das Albom'sche Bild des Himmels anzuerkennen. Opferbereitschaft, Selbstlosigkeit und gemeinsames Gebet, gemeinsamer Glaube sind die Schlagworte, an die der Autor als Werte einer Gemeinschaft appelliert. Vielleicht zu unchristlich, vielleicht aber auch zu egoistisch schätze ich mich ein dieses Bild anzuerkennen. Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit fordert der Autor für ein höheres Ziel - nur welches soll das sein? Ist es ein Ideal wert alles aufzugeben? Ist es eine Gemeinschaft wert den eigenen Individualismus aufzugeben, eigene Wünsche und Ideen abzulegen, wenn sie nicht mit den Leitideen einer Gruppe kombinierbar sind? Was geschieht mit Menschen, die nicht bereit sind Opfer zu bringen?
Das Buch wirkt wie ein beliebiger Ratgeber oder aber ein Katechismus - Finde eine Aufgabe im Leben, damit du zur Gesellschaft etwas beiträgst! Du musst vergeben können, um Frieden zu finden! Es gibt nur zwei passende Arten der Liebe auf Erden, und dass ist die Liebe zu einer Frau und zu Gott!
Was ist mit Menschen, die an ihnen begangenes Leid (Misshandlung, Missbrauch, psychische Gewalt) nicht vergeben können? Was ist mit Menschen, die keine Aufgabe im Leben finden oder vielleicht eine haben, die nicht als solche von der Gesellschaft anerkannt ist? Was ist mit Menschen, die nicht glauben können oder wollen?
Ein ganzer Fragenkatalog hat sich für mich bei der Lektüre ergeben und vor allem die Frage nach dem Sinn einer Belehrung nach dem Tod? Welchen Erfolg bringt es dem bereits verstorbenen Protagonisten die wahren Hintergründe zu kennen? Zu verstehen, warum "sein Gestern" so und nicht anders verlaufen ist? Er hat kaum eine Chance der Veränderung, es sei denn der geneigte Leser glaubt an die Reinkarnation. Und von daher hat für mich dieser Himmel nicht etwas tröstliches, sondern eher hoffnungsloses. Ich kann das Geschehene nicht verändern, werde aber noch einmal mit den vielleicht besten Situationen meines Lebens konfrontiert, die ich so nicht mehr verändern, verbessern oder neu konzeptionieren kann. Dieser Lernprozess der Wahrheit mag zwar hilfreich für das eigene Seelenheil mancher Menschen sein, für mich hat er etwas sehr Grausames, sehr Hartes, sehr Boshaftes.
Allerdings habe ich nicht nur ein ideologisches Problem mit diesem Roman, sondern auch ein stilistisches. Beim Einstieg dachte ich, der Autor bzw. der Protagonist redet mit einem Kind, dem er die Welt erklären will. Der Ton wirkt geradezu belehrend, schulmeisterlich und man fühlt sich permanent Gedanken ausgesetzt, die weder vom Protagonisten noch vom Leser hinterfragt noch beschrieben werden wollen bzw. dürfen bzw. können. Die Atmosphäre ist geradezu starr und dicht; wenige Beschreibungen finden sich in der Geschichte. Wir befinden uns auf fremden Terrain und werden vom Autor eigentlich eiskalt stehen gelassen - ein paar Farbspiele, ein paar kurze Umschreibungen und mehr wird hier nicht geboten, was noch einmal den Eindruck verstärkt, dass hier eine Ideenlehre vertreten werden soll, bei der die Geschichte um Eddie nur den dürftigen Rahmen geben soll.
Der Roman wirkt auf mich sehr hart, sehr belehrend, der Protagonist dazu geradezu blutleer und kalt, so als wären die Figuren an sich nur Spielfiguren, um die Ideologie um Glauben und Selbsterkenntnis zur Findung des Seelenheils des Autoren zu verdeutlichen. Hat sich zwar flüssig und schnell lesen lassen, allerdings wirken die Ideen zum einen fragwürdig, zum anderen ist die schriftstellerische Aufbereitung insgesamt wenig überzeugend. Bei Phrasendrescherei ist es geblieben.