Originaltitel: Eldvittnet (2011)
Lübbe Verlag 2012, 621 S.
Der 3. Teil der Krimi-Reihe um Kommissar Joona Linna
Über den Inhalt:
In einer Einrichtung für suizidgefährdete junge Frauen wird ein Mädchen ermordet aufgefunden - aufgebahrt auf einer Liege, mit beiden Händen vor dem Gesicht. In der gleichen Nacht wird eine Erzieherin brutal erschlagen. Niemand hat etwas gesehen. Als in einem Zimmer ein blutverschmiertes Messer gefunden wird, scheint der Fall aufgeklärt. Doch Joona Linna bleibt skeptisch - und ermittelt weiter. Dabei gerät er in einen dramatischen Kampf gegen die Zeit, der anfangs mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt ...
Über die Autoren:
Lars Kepler ist das Pseudonym von Alexandra Coelho Ahndoril und Alexander Ahndoril. DER HYPNOTISEUR, ihr Krimidebüt, war sensationell erfolgreich. Es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und hat in vielen Ländern die Bestsellerlisten gestürmt. FLAMMENKINDER, der dritte Kriminalroman mit dem finnlandschwedischen Ermittler Joona Linna, setzte die Erfolgsgeschichte fort und war in Schweden das bestverkaufte Buch 2011. Das Ehepaar lebt mit seinen drei Töchtern in Stockholm.
Meine Meinung:
Im Norden Schwedens in einer Einrichtung für schwer erziehbare Jugendliche geschehen in einer Nacht zwei Morde: die 12-jährige Miranda und die betreuende Krankenschwester Elisabeth Grim werden auf schreckliche und sehr brutale Weise umgebracht.
Die Mädchen schweigen und der Leiter der Einrichtung, Daniel Grim, steht unter Schock, denn die getötete Krankenschwester war seine Ehefrau. Die Ermittlungen der Polizei konzentrieren sich schnell auf Vicky, ein weiteres Mädchen, das in der gleichen Nacht aus dem Heim verschwunden ist und in deren Zimmer die Polizei Blutspuren gefunden hat.
Zur Unterstützung der örtlichen Polizei wird Kommissar Joona Linna aus Stockholm als Berater an den Tatort geschickt. Als die Polizei schließlich glaubt, Vicky nicht mehr lebend zu finden und die Ermittlungen einstellt, ist es allein Joona, der sich weiter in den Fall verbeißt. Zu viele Ungereimtheiten sind aus seiner Sicht vorhanden, die er unbedingt klären möchte.
621 Seiten sind eine ganze Menge für einen Krimi, doch einmal eingetaucht, konnte ich das Buch nur schwer aus der Hand legen. Es gibt keine einzige Länge in diesem Roman, keine Seiten füllenden Beschreibungen und keine überflüssigen Szenen. Dagegen darf man sich über den vom Autorenduo bereits gewohnten flüssigen Schreibstil, angenehm wenig Adjektive, das hohe Tempo, die schnellen Szenenwechsel, kurze Kapitel und prägnante Dialoge freuen. Das wie bei den Vorgängern als Zeitform gewählte Präsens unterstützt das Gefühl, als Leser unmittelbar in das Geschehen eingebunden zu sein und zwar in der Position des Beobachters, der seine eigenen Schlüsse aus dem Gelesenen ziehen muss.
Kein rätselhafter Prolog zu Beginn, sondern ein vom ersten Satz an intelligent konstruierter Krimi, der sein hohes Spannungsniveau durchgängig aufrecht hält in einer komplexen Story, in der alle Handlungsstränge gekonnt zueinander finden. Auch dieses Mal zieht ein Hauch Übersinnliches durch das Buch, der aber am Ende auf verblüffende Weise zur schlüssigen und zum Glück nicht zu überzogenen Auflösung beiträgt, so dass die Glaubwürdigkeit nicht getrübt wird. Es lässt sich im Verlauf der Handlung vielleicht erahnen, wer der Täter ist, die Zusammenhänge bieten schließlich aber doch eine ordentliche Überraschung.
Die Charaktere sind stark und lebendig, bis in die Nebenfiguren hinein sorgfältig und realistisch gezeichnet. Die Beschreibungen über ihre Gedanken und seelische Verfassung sind sehr zurückhaltend, so wird dem Leser nicht schon zu früh zuviel verraten.
Mit Kriminalkommissar Joona Linna ist den Autoren ein wunderbarer Protagonist gelungen. Diesmal ist er nur als Berater zu dem Fall zugelassen, weil ein internes Ermittlungsverfahren gegen ihn im Gange ist. Wie schwer er unter dem Verlust seiner Ehefrau und Tochter leidet, lässt er sich im Job nicht anmerken. Ich hatte ihn ja von Anfang an ins Herz geschlossen, der Mann ist sympathisch auf seine gradlinige, sture und hartnäckige Art, mit der er sein Ziel verfolgt. Und trotz seiner deutlich spürbaren Einsamkeit hat er seinen Humor nicht verloren.
Als einzigen Kritikpunkt möchte ich die doch als (hoffentlich) übertrieben negativ dargestellten Ermittler erwähnen, auf die Joona im Norden Schwedens trifft und die außer ihm alle inkompetent und unkooperativ erscheinen. Das ist eigentlich unnötig, denn Joonas Stern strahlt auch so hell genug.
Der Cliffhanger am Schluss kam für mich unerwartet. Nachdem der Fall abgeschlossen ist, bringen die Autoren noch einmal Joonas Vergangenheit ins Spiel. Es liest sich fast wie eine Leseprobe zum neuen Fall und lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück. Einerseits hat es mich sehr berührt und äußerst neugierig auf die Fortsetzung gemacht, andererseits erinnert es sehr an Altbekanntes, ich sage nur Hannibal Lector. Bisher waren die Plots immer außergewöhnlich und mitreißend und ich vertraue darauf, dass das Autorenpaar sich auch für den vierten Teil der Serie etwas Besonderes einfallen lässt und nicht vom Strom des Altbewährten mitgerissen wird.
Erwähnenswert ist noch, dass Cover und Klappentext sorgfältig ausgewählt sind, auch der deutsche Titel „Flammenkinder“ passt zum Buch, wenn das auch erst gegen Ende der Geschichte deutlich wird.