Theresa Rath: Die Ketten, die uns halten
Periplaneta
ISBN-13: 978-3940767905
Belletristik
1. Auflage, 08/2012
Softcover
[D] 13,90€
Klappentext:
In ihren Kurzgeschichten entwirft Theresa Rath feinsinnige Szenarien und offenbart so manch bittere Wahrheit über die Spezies Mensch. Angetrieben vom Wunsch nach Erfolg, Liebe, Anerkennung, nach dem perfekten Körper und dem perfekten Leben sind ihre Helden gefangen in gesellschaftlichen Zwängen und Abhängigkeiten. Die meisten haben es sich in einer zweifelhaften Sicherheit bequem eingerichtet und nur wenige sind gewillt, die Ketten, die sie (zurück)halten, zu sprengen.
Meine Meinung:
Die gefühlte Diskrepanz zwischen zu erfüllender sozialer Rolle und Selbstbild wird als Entfremdung bezeichnet. Ein Gefühl, das sich in der Regel vor allem im fortgeschrittenen Alter mit verfestigten Lebensumständen einstellt. Mit der Kurzgeschichtensammlung „Die Ketten, die uns halten“ beweist die Berliner Jungautorin Theresa Rath jedoch eindrucksvoll, dass man auch in jungen Jahren der Entfremdung literarisch auf die Spur kommen kann. Der dichte Eingangstext „Home Run“ umreißt das Terrain, auf dem sich die folgenden Geschichten und Gedichte bewegen: Das dichte Netz aus Erwartungen, Beziehungen und Sachzwängen wird immer wieder mit der Hoffnung der Protagonisten nach Entschleunigung und Authentizität konfrontiert. Dabei gelingt es Theresa Rath, nüchtern Wünsche und Hoffnungen zu protokollieren und offen zu lassen, inwiefern ein Ausbruch überhaupt möglich ist. So wird etwa auch im Text „Frauenkunde“ die soziale Rolle mit den eigenen Bedürfnissen abgeglichen und schließlich der Wunsch nach einem Ausbruch formuliert – aber eben nur formuliert. Denn die Ketten halten: Eine soziale Rolle bringt nun mal auch Anerkennung und Akzeptanz und auf die lässt sich ebenso schwer verzichten, wie sich Routinen überwinden lassen. Und so beobachtet der Leser das Geschehen mit zunehmendem Unbehagen, weiß er sich doch hinter ähnlichen Gittern. Die Ketten, die uns halten, sind immer auch ein Teil von uns. Da fällt das Kappen schwer, manchmal ist es auch nicht möglich, und manchmal wird – wie in „Der Fremde“ – sogar ihr Fehlen betrauert.
Mit „Die Ketten, die uns halten“ ist Theresa Rath ein lebenskluges Buch über Zwänge und Pflichten gelungen, das die leisen Töne auch da nicht scheut, wo es eigentlich nur noch zum Schreien ist.