Alexandra Fuller: Unter dem Baum des Vergessens
Goldmann Verlag Juni 2012. 288 Seiten
ISBN 978-3442312870. 19,99€
Originaltitel: Cocktail under the Tree of Forgetfullness
Übersetzer: Walter Ahlers
Verlagstext
Die beeindruckende Geschichte einer mutigen Frau, die mit ihrer Familie in Afrika das Glück sucht
Nach „Unter afrikanischer Sonne“ kehrt Alexandra Fuller in das Afrika ihrer Kindheit zurück und erzählt die ebenso bewegte wie bewegende Geschichte ihrer Eltern. Nicola und Tim Fuller wandern anfang der Siebzigerjahre nach Afrika aus, verheißungsvoll liegt der Kontinent vor ihnen. Doch schon nach kurzer Zeit ereignen sich Unfälle und Tragödien innerhalb der Familie, politische Unruhen und Bürgerkriege erschüttern den Kontinent. Im Zentrum von Alexandra Fullers neuem Buch steht ihre Mutter, die es auf unnachahmliche Weise immer wieder schafft, den Widrigkeiten des Lebens mit Mut und Entschlossenheit zu begegnen, um dann, die Uzi unter den Arm geklemmt, zur nächsten Kostümparty zu fahren. Eine ganz besondere Hommage an eine ganz besondere Frau – und an ein Afrika, das unter die Haut geht.
Die Autorin
Alexandra Fuller wurde 1969 in England geboren. Als sie zwei Jahre alt war, wanderte ihre Familie nach Rhodesien, dem heutigen Simbabwe, aus. Auf der Flucht vor den Bürgerkriegsunruhen verschlug es die Fullers 1981 zunächst nach Malawi, dann nach Sambia. 1994 verließ Alexandra Fuller Afrika, um in Kanada und Schottland zu studieren. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Wyoming, USA. Ihr erstes Buch, »Unter afrikanischer Sonne«, löste eine euphorische Presseresonanz aus und wird als ein neuer Klassiker autobiographischer Literatur gefeiert.
Inhalt
Spätestens seit Die Krallen des Löwen: Meine Zeit mit einem afrikanischen Krieger hat sich Alexandra Fuller als Autorin ernster Töne etabliert. Auch wenn ihr deutscher Verlag mit der Abbildung imponierender Bäume vor romantischem Himmel noch immer Afrikaklischees bedient, geht es in Fullers Biografie völlig kitschfrei um die reale Angst ihrer Familie im Krieg um die Unabhängikeit des Nachbarlands Mozambik (1977-1992) und die Bedrohung ihrer Existenz als Farmer durch die politische Situation im südöstlichen Afrika. Fullers Buch entsteht vor den Augen des Lesers im Gespräch mit ihren Eltern; es umfasst das Leben ihrer Mutter Nicola (geboren 1944 auf der schottischen Insel Skye) und das Familienleben vor Alexandra Fullers Geburt, die das dritte von fünf Kindern ist. Nur zwei Kinder der Fullers überleben. Eine Frau muss als Nachkomme der MacDonalds vom Clan der Reynolds wohl 1 Million Prozent schottisches Blut haben wie Nicola Fuller, um mit zwanzig Jahren als Au-Pair-Mädchen "in die Kolonien" nach Kenia zu gehen und schließlich auf einer Bananenfarm bei Umtali (jetzt Mutare) dicht an der Grenze zu Mozambik zu landen. Ein Teil der geschilderten Ereignisse liegt zeitlich vor Fullers Kindheitserinnerungen Unter afrikanischer Sonne: Meine Kindheit in Simbabwe.
Fazit
Mutter Nicola und Tochter Alexandra gehören zwei gegensätzlichen Generationen an. Die Mutter, die einmal darüber lästert, die Fullers wären die Blixens Zambias, wurde noch zu Zeiten britischer Kolonien geboren, die Tochter mitten in die Unabhängigkeitskriege dieser Staaten hinein. Eine der Schlüsselszenen des Buches war für mich die gemeinsame Heimfahrt der Familie aus dem Krankenhaus nach der Geburt der dritten Tochter Olivia. Vater Tim fährt den Jeep, die Mutter Nicola hält die Uzi vor sich, die Töchter sollen das Baby mit ihren Körpern beschützen, während Alexandra Fuller betet: "Bitte nicht Tim, bitte nicht das Baby". Das farbige, chaotische Leben der Fullers ist natürlich auch von Hunden, Pferden und den Gerüchen tropischer Pflanzen geprägt. Warum in Afrika aufgewachsene Weiße sich kein Leben außerhalb ihrer eigenen Farm vorstellen können, wird durch das Hinundherziehen der Fullers nach England und wieder zurück nach Afrika sehr deutlich. "Unter dem Baum des Vergessens" ist die gemeinsame Erinnerung einer Familie, in der die Gewalt eines Bürgerkriegs und der tragische Verlust von drei Kindern der Fullers eine entscheidende Rolle spielen. Mutter Nicola Fuller, die bereit war, ihre Familie mit der Waffe gegen bewaffnete RENAMO-Rebellen zu verteidigen, prägt in ihrer unerschrockenen Art den Ton des Buches.
9 von 10 Punkten