Finkenmoor - Myriane Angelowski

  • Ein anderer Blickwinkel


    Im Regionalkrimi "Finkenmoor" von Myriane Angelowski wird die Geschichte allein aus dem Blickwinkel der Beteiligten, seien es nun Täter oder Opfer, geschildert. Ermittler gibt es hier nicht.
    Diese Sicht- und Erzählweise nimmt einen als Leser gefangen, da es der Autorin gelungen ist, alle Personen und ihre Erlebnisse, Gefühle, Denkweisen absolut authentisch darzustellen. Dies ist für mich der grösste Pluspunkt dieses Krimis.
    Zudem bietet die Story Raum für sehr viele Überlegungen zum Thema Selbstjustiz.
    Es werden Menschen am Rande der Verzweiflung geschildert, auch die Zeit heilt bei solchen Verbrechen keine Wunden und bei mancher Person kann nur eine umgesetzte Selbstjustiz "Erlösung" bringen. Die Situationen erscheinen ziemlich ausweglos, wirkliche Hilfe gibt es für so gut wie keinen. Von daher eigentlich ein deprimierender Krimi. Aber vielleicht auch gerade wegen seiner schonungslosen Offenheit packend und fesselnd.
    Hier gibt es keine Zugeständnisse an den Leser - und das muss erst mal verkraftet werden.


    Ein wirklich lesenswertes Buch dem ich 9 von 10 Punkten gebe.

  • Endlich mal wieder ein Buch nach meinem Geschmack. Obwohl ich nicht ganz das bekam, was ich anhand der Kurzbeschreibung erwartet habe. Allerdings war ich auch froh darüber. ;) Eine psychologische Analyse des Täters wird der Leser hier nicht finden, ebenso keine Jagd auf den unbekannten Täter. Denn dieser ist von Anfang an bekannt.


    Eine Warnung muss ich dennoch aussprechen: an alle, die sehr sensibel auf das Thema Gewalt an hilflosen Personen und/oder Tieren reagieren. Dieses Buch funktioniert allerdings in diesem Bereich, ohne das die Autorin alles in Einzelheiten beschreiben muss. Das Kopfkino wird hier so aktiv angekurbelt, dass die Phantasie wahrscheinlich nicht weniger schlimm ist als die ‚Realität‘.
    Die Autorin lässt mehreres im Buch offen, legt sich nicht fest. Über Hintergründe mag der Leser selbst spekulieren.. Aber das alles in einem wohldosierten Rahmen.


    Ich habe das Buch nach dem Lesen zugeklappt und tief durch geschnaubt. Die Meinungen zum Inhalt, zur Aussage des Buches werden sicherlich geteilt sein. Aber das ist in Ordnung so und gibt Diskussionsstoff.


    Alles in allem hat mir das Buch sehr gut gefallen und ich werde meiner Liste der guten Autoren einen weiteren Namen zufügen.
    Gut gefiel mir auch die Begleitung der Leserunde durch die Autorin. Sie hat doch einiges über die Hintergründe erklärt. Ihre Gedanken zu einzelnen Handlungsabschnitten waren sehr interessant.
    Von mir gibt es fast die volle Punktzahl. Der minimale Abzug erklärt sich in meinem Beitrag in der Leserunde.

  • Im Finkenmoor geschieht das Unfassbare: Kinder verschwinden: Ein Kind kann gerettet werden, das andere nicht.


    Nun mag man erwarten, dass nach einem Täter gesucht wird, Ermittlungen beginnen, aber in dieser Geschichte ist das völlig anders. Der Täter ist bekannt, er wird verhaftet und noch immer steht der Leser am Anfang der Geschichte. Die Autorin Myriane Angelowski schreibt hier eine vollkommen andere Geschichte und hat mich damit erschüttert. Wir blicken nach der Tat auf den Täter, lernen ihn kennen. Wir erfahren wie er tickt und wie wenig er seine Tat als Schuld ansieht. Wir blicken hinein in das Leben der Eltern, der Großeltern, der Angehörigen und Freunde der Opfer. Wir erfahren, wie schwer es ist, mit dem Leid und den Konsequenzen der Tat umzugehen. Und vielleicht lernen wir, wie schnell es möglich ist in einer solchen Ausnahmesituation selbst Grenzen zu überschreiten. Die Angehörigen jedenfalls überschreiten diese. In ihnen wächst der Gedanke nach Rache, denn was der Täter angerichtet hat, kann nicht mehr gut gemacht werden.


    Dieser Kriminalroman ist Krimi im Krimi, ist Straftat aus der Straftat heraus geboren. Ich habe selten so mit Charakteren gelitten, eine solche Abscheu gegenüber einem Täter empfunden und das, obwohl ich nicht selbst Betroffene war. Das stimmt mich sehr nachdenklich und ich bin sicher, dass die Autorin genau das mit ihrer Geschichte erreichen wollte.


    Dieses Buch ist realistisch. Es bietet neben der eigentlichen Handlung auch außergewöhnliche Details, die ich so hier nicht erwartet hätte. Die eigentlichen Taten werden nicht bis ins kleinste, blutige Detail geschildert, sind aber auch ohne genaue Beschreibung aufgrund ihrer späteren Auswirkungen schon grausam genug. Leser, die nicht gerne über die Tötung oder den Missbrauch von Kindern lesen, sollten hier vorsichtig sein. Allen anderen Lesern kann ich diesen Kriminalroman nur sehr empfehlen. Er ist einfach anders. Er ist wahnsinnig gut.

  • Dieser Regionalkrimi ist kein traditioneller Whodunit, der Taeter ist dem Leser von Anfang an bekannt. Es ist vielmehr ein Whydunit, es geht um das Warum, um die Gedanken und Gefuehle des Taeters und insbesondere darum, wie das Verbrechen das Leben der Opfer bzw. deren Hinterbliebenen grundlegend veraendert. Verlust- und Schuldgefuehle aber auch Rachegedanken werden sehr genau ausgeleuchtet.


    Die Autorin schafft es gut dem Leser die Gedankenwelten der so unterschiedlichen Protagonisten mit viel Spannung nahe zu bringen.


    Einfach zu lesen ist es dabei allerdings nicht. Und das liegt vor allem an der doch sehr deprimierenden Thematik. Es sind letztlich endlos traurige Schicksale, Humor waere hier vollkommen fehl am Platz. Und auf ein Happy End braucht man auch nicht zu hoffen. Wobei das Ende auch durchaus etwas offenbleibt. Das passt dazu, dass dem Leser hier keine fertigen Meinungen und Urteile zu den doch sehr schwierigen emotionalen und moralischen Fragen praesentiert werden. Das Buch soll zum Nachdenken anregen.


    Fazit: Ein sehr deprimierendes und nachdenklich stimmendes Buch, das schwierige Fragen stellt und keine eindeutigen Antworten geben wird.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Ein Krimi, der ohne Polizei auskommt. Man weiß die ganze Zeit, wer der Verbrecher ist, aber über die Motivation und teilweise Identität der anderen Beteiligten ist man im Unklaren. Es gibt einige Wendungen und Entdeckungen, mit denen ich nicht gerechnet hätte. Die Spannung ergibt sich aus dem psychologischen Element, dem Perspektivwechsel und der eindringlichen Schilderung, bei der man das Gefühl bekommt, jedem direkt in den Kopf und ins Herz schauen zu können. Und oft genug gefällt einem nicht, was man da sieht, es lässt einen nicht los und nimmt einen mit.


    Der Täter ist die ganze Zeit uneinsichtig, ohne Mitleid, nicht in ein soziales Gefüge zu integrieren und man bekommt ein gewisses Verständnis dafür, dass sich Gedanken an Selbstjustiz einstellen. Doch auch wenn man nicht anders kann und sich über das gefühlt zu milde Urteil hinweg setzen möchte, um selbst zu bestrafen, ist daran nichts Gerechtes, es bleibt schmutzig und widerlich.


    Das Buch fesselt einen beim Lesen und beschäftigt einen sicher auch noch eine ganze Weile danach. Trotz der „nur“ 252 Seiten wahrlich keine leichte Lektüre, die mich beeindruckt hat.

  • Finkenmoor, oder Friedhof der Kuscheltiere, wie es der psychopathische Ronny nennt wird zum Synonym des Grauens.
    Nach diesem äußerst ungewöhnlichen aber nichtsdestotrotz beklemmenden Krimi, der den Leser sehr nachdenklich und ja, ausgelaugt zurücklässt, mag man erst Mal kein andres Buch beginnen. Zu schrecklich sind die menschlichen Abgründe in die uns die Autorin blicken lässt.


    Ich kann nicht anders, das Buch verdient 10 Punkte



    Danke Richie :knuddel1 die Leserunde hab ich verpasst aber glücklicherweise gabs das Frankentreffen :-) sonst wäre ich nicht darauf aufmerksam geworden oder zumindest nicht so schnell.

    "Leute die Bücher lesen, sind einfach unberechenbar." Spruch aus "Wilsberg "
    smilie_winke_039.gif

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Findus ()