Stimmen - Dacia Maraini

  • OT: Voci


    Kurzbeschreibung:
    Die Rundfunkjournalistin Michela Canova ist fassungslos, ihre junge Nachbarin Angela Bari wurde mit zwanzig Messerstichen ermordet. Warum nur? Die Frage läßt Michela nicht mehr los. Sie beginnt, mit ihrem Tonbandgerät die Stimmen derer zu "sammeln", die der Toten nahestanden: die schizophrene Schwester, die resignierte Mutter, der attraktive, aber undurchsichtige Geliebte, die Prostituierte, die angibt, Angela wäre dem gleichen Gewerbe nachgegangen. Und sie sucht Kontakt zu der ermittelnden Kommissarin. Schließlich offenbart sich Michela das furchtbare Geheimnis, das die beiden Bari-Schwestern miteinander teilten.


    Über die Autorin:
    Dacia Maraini, 1936 in Florenz geboren und bis 1946 in Japan aufgwachsen, lebte danach erst in Palermo, jetzt in Rom. Nach journalistischen Anfängen erschien 1962 ihr erster Roman, und bereits 1963 "Zeit des Unbehagens" als zweiter. Für ihn erhielt sieden 'Prix Formentor'. Bis heute zieht sich das Thema Emanzipation beinahe leitmotivisch durch ihr Werk.


    Meine Meinung:
    Es ist eine ungewöhnliche Geschichte mit einer ungewöhnlichen Protagonistin, die Dacia Maraini hier erzählt. Nicht nur, dass die Hauptfigur Radiomoderatorin ist und zufällig in den Tod ihrer Nachbarin hineingezogen wird und die polizeilichen Ermittlungen eher eine Nebenrolle spielen, auch die Sprache Marainis ist ungewöhnlich, haftet ihr doch etwas Melancholisches, fast schon Poetisches an, dessen Tiefgründigkeit sich erst beim genauen Lesen offenbart. Zusammen mit der Protagonistin ist man dabei, wenn das Leben der Toten von hinten aufgerollt wird, man sie, die im Leben so unnahbare und im Tod so nahe Nachbarin, kennenlernt und Hinweise sammelt, die auf die Spur des Täters führen. Die titelgebenden Stimmen tragen zwar nicht unbedingt zur Auflösung bei, haben aber dennoch große Bedeutung, die sich durchaus in andere Situationen und den Alltag übertragen lässt. Das in der Kurzbeschreibung erwähnte "furchtbare Geheimnis" wird erst relativ spät und dann recht plötzlich, sozusagen aus dem Nichts heraus aufgedeckt, was mich etwas gestört hat. Das Ende des Romans schließlich mag nicht jedermanns Geschmack sein, mir persönlich hat es gefallen, spiegelt es doch nur allzu deutlich die Realität wider und lässt den Leser nachdenklich und mit einigen offen gebliebenen Fragen zurück, ohne seine Aussagekraft zu verlieren.


    Gute 7 Punkte von mir.