Rich Merritt/Spiritual Probation

  • Inhalt:
    Nate O'Connor ist Student im letzten Jahr an der erzfundamentalistisch-baptistischen Bob Johnson University. Er ist bereits im Begriff, vieles, was er über die Bewegung bislang als wahr und selbstverständlich hingenommen hat, in Zweifel zu ziehen. Als er eines Tages mit seinen Freunden bei einem Regelverstoß erwischt wird, diszipliniert man sie, indem man sie unter „Spiritual Probation“ stellt. Durch eine Tragödie schließlich erkennt er, wer und was die Menschen sind, denen er Zeit seines jungen Lebens geglaubt und vertraut hat.


    Autor:
    Rich Merritt, geboren 1967, ein ehemaliger Marine, ist heute Autor („Secrets of a Gay Marine Porn Star“ & „Code of Conduct“), Anwalt und Blogger. Speziell liegen ihm Themen wie LGBT-Rechte und der Kampf gegen den Fundamentalismus am Herzen. Merritt selbst hat die Bob Jones University vor dem Abschluss verlassen - unter „Spiritual Probation“ stehend.
    Das vorliegende Buch ist zwar ein Roman, lehnt sich aber sehr stark an Merritts eigenen Erfahrungen an der kaum getarnten BJU an, sowie der wahren Tragödie eines jungen Mannes, dem in etwa wiederfahren ist, was Merritt hier romanhaft verarbeitet. Auch dies durch den Namen so wenig getarnt, dass der Name des realen jungen Mannes,


    tatsächlich ein Spoiler ist.


    Meinung:
    Ein sehr schwerer Fall. Ich kenne Merritt von seinem Roman und seiner Autobiographie und habe ihn vor allem in zweiterer sehr ins Herz geschlossen. Von daher hätte ich dieses Buch so gern so viel mehr gemocht. Das Problem scheint sich mir im Nachwort zu zeigen, wo er von der wahren Geschichte spricht, die ihn hierzu inspiriert hat, und erklärt, dass er sich trotzdem für einen Roman entschieden hat. Vielleicht war das ein Fehler. Er wollte u.a. auch aufzeigen, was es mit erzfundamentalistischen religiösen Gruppierungen in den USA auf sich hat und welche Gefahren sie in sich bergen, was mir nur teilweise gelungen erscheint.


    Die Gefahren sieht man, aber nicht die Ursachen. Wir erfahren eigentlich nie, warum Nate und noch viel mehr seine spitzzüngigen, rebellischen Freunde so lange in dieser Welt bleiben. Sie scheinen hineingeboren zu sein. Doch was ist der Grund, dass sie sich das antun, als sie längst massive Zweifel haben und vor allem sehr unter der Diktatur leiden, die diese Universität mehr wie ein Gefängnis erscheinen lässt? Angst davor, die Familie zu verlieren? Angst davor, keinen anderen Collegeplatz zu bekommen? Trägheit? Angst vor der eigenen Courage? Oder doch mit Restglauben Angst vor dem Verlust der Liebe Gottes? Wir können vermuten, aber wir erfahren es nicht wirklich.
    Genauso wenig erfahren wir, wann und warum die Zweifel eingesetzt haben, denn Nate ist bereits auf der „schiefen Bahn“, als wir ihn treffen.


    Den Rest gibt ihm hier die Begegnung mit zwei Frauen, Angela, in die er sich verliebt und Eva, eine patente alte Dame, mit der er faszinierende Diskussionen führt. Die beiden Damen haben für mich leider auch überhaupt nicht funktioniert. Im Prinzip waren sie nur lebendige (oder, eben leider nicht) Sparringspartner für den Ideenaustausch. Aber Angela war einfach zu perfekt, zu glatt und Eva habe ich kaum registriert.


    Wo Merritt allerdings durchaus punkten konnte, war bei Nate selber und seinen anderen Beziehungen, speziell zu seinen Freunden. Hier kam wieder wunderschön das zum Vorschein, was ich bereits in seinen anderen beiden Büchern als gemeinsamen Nenner erkennen konnte, dass Liebe unendlich viele Gesichter haben kann, hier speziell zwischen Nate und seinem besten Freund Danny.


    Dieses Buch war Merritt sichtlich sehr wichtig. Vielleicht hätte er sich dafür ein bisschen mehr Zeit und Raum geben sollen. So wirkt es leider ein wenig oberflächlich. Was schade ist, denn schreiben kann er eigentlich und das Thema ist ein brandaktuelles, wenn man an die aktuellen Entwicklungen in den USA (Mitt Romney, Tea Party, etc.) denkt.
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  • Zitat

    Original von Delphin
    Ich glaube, sie hat meine Rezi geklaut. Anders kann ich mir nicht erklären, dass wir einer Meinung sind.


    Wer sind Sie und was haben Sie mit meiner Delphin gemacht?! :wow


    Neinneinnein, das geht so nicht. Ich bin ja schon höchst unzufrieden, weil ich das da oben für unzureichend halte, da muss mehr kommen, von Dir. Hopp!


    :grin


  • Man sagte mir, ich solle meine Rezi noch ausbessern. Ich fand eigentlich, ich hätte alles gesagt. :wow


    Ich fand das Buch ganz nett, der Autor hat auch - wie immer - einige liebenswerte Figuren erfunden, aber ich fand es nicht gut durchdacht und etwas unausgegoren.


    Ob es nun um Homosexualität, Evolution, Sex vor der Ehe, Abtreibung oder Young Earth Creationism geht, alle üblichen verdächtigen Themen, denen man in Diskussionen mit evangelikalen Christen begegnet, werden angerissen, aber nicht wirklich durch die Figuren diskutiert. Nate wird dargestellt als jemand, der eine Wandlung durch macht und der den Grundfesten seines Glaubens erschüttert wird. So wird es gesagt, aber man merkt davon nichts. Als wir ihn kennen lernen, bricht er mit seinem Freund Danny eh schon alle Regeln und hat sich längst von vielen Ansichten "Dr. Bobs" distanziert. Man erfährt im Grunde nicht von Zweifeln oder inneren Kämpfen.


    Angela, die Super-Atheistin, bringt ein ausgelutschtes Argument, und schon ist er überzeugt. Da hätte man doch ein bisschen Schlagabtausch zwischen den beiden manchen können. Und Eva, die ihn zum eigenen Denken anregen möchte, drückt ihm am Ende eigentlich auch nur ihre eigene Philosophie auf und dass sie ihm


    Als Nate herausfindet, dass [...] homosexuell ist, da erfährt man gar nicht, was er nun dazu denkt. Er hat plötzlich das Aha-Erlebnis, dass er doch jemanden kennt, der homosexuell ist, aber an der Stelle hört es dann auch schon auf. Man erfährt, dass er zu Dingen seine Meinung ändert, aber man sieht im Grunde nicht, wie er dahin kommt.


    Vieles fand ich widersprüchlich. Da werden neue Studenten wegen kleiner Dinge in der ersten Woche vom College geworfen, aber Nate und Danny können sich ganz so ziemlich alles erlauben. Da wird erzählt, wie streng und furchtbar die "spiritual probation" ist und dann gibt es doch wieder x Schlupflöcher...


    Was mich gewundert hat ist, dass er die Universität Bob Johnson Universität genannt hat, also ziemlich dicht an der echten Bob Jones Universität dran. Ich hätte da, was die Namen angeht, ja eher etwas genommen, das ein bisschen weniger nahe dran ist. Oder gleich ein Sachbuch draus gemacht.


    So ist das irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes.

  • Zitat

    Original von Delphin
    Man sagte mir, ich solle meine Rezi noch ausbessern. Ich fand eigentlich, ich hätte alles gesagt. :wow


    :grin


    Zitat

    Ob es nun um Homosexualität, Evolution, Sex vor der Ehe, Abtreibung oder Young Earth Creationism geht, alle üblichen verdächtigen Themen, denen man in Diskussionen mit evangelikalen Christen begegnet, werden angerissen, aber nicht wirklich durch die Figuren diskutiert. ... Man erfährt im Grunde nicht von Zweifeln oder inneren Kämpfen.


    Danke sehr! Das waren genau die Punkte, die mir in meiner Rezension gefehlt haben. Du hast das sehr viel treffender ausgedrückt.


    Zitat

    Da wird erzählt, wie streng und furchtbar die "spiritual probation" ist und dann gibt es doch wieder x Schlupflöcher...


    Ja, das fand ich auch etwas merkwürdig. Ich hatte gedacht, dass das viel traumatischer ist, aber außer der Demütigung bei der Predigt war das doch nun wirklich kein großes Ding. Kein in der Ecke stehen mit fiesem Hut.


    Der Buchtitel ist ja wohl auch allgemeiner zu verstehen, dass wir alle grundsätzlich immer unter Spiritual Probation sind?


    Zitat

    Was mich gewundert hat ist, dass er die Universität Bob Johnson Universität genannt hat, also ziemlich dicht an der echten Bob Jones Universität dran. Ich hätte da, was die Namen angeht, ja eher etwas genommen, das ein bisschen weniger nahe dran ist. Oder gleich ein Sachbuch draus gemacht.


    Ich finde es ja auch erstaunlich, dass der Name des Todesopfers auch sehr ähnlich ist. Ob das in Hinblick auf dessen Familie so eine gute Idee war ... Aber gut, die werden das wohl ohnehin nicht lesen.


    Sachbuch hat er sich wohl nicht getraut, um nicht verklagt zu werden.