Irgendwo ist immer jemand, der dich liebt - Pierre Szalowski

  • Originaltitel: Mais qu'est-ce que tu fais là, tout seul?
    Aus dem Französischen übersetzt von Nathalie Lemmens
    C. Bertelsmann Verlag
    ISBN-13: 9783570101568
    ISBN-10: 3570101568
    Belletristik
    1. Auflage 10/2012
    Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten
    [D] 16,99 €


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    Wie bereits in seinem mit dem Grand Prix de la Relève littéraire Archambault ausgezeichneten und in 10 Sprachen übersetzten Debütroman Le froid modifie la trajectoire des poissons (deutsche Ausgabe C. Bertelsmann 2010, Bei Kälte ändern Fische ihre Bahnen) spielt auch Irgendwo ist immer jemand, der dich liebt in der Weihnachtszeit. Und wie bereits zuvor hat der in Montreal lebende als Pressefotograf, Journalist, Grafiker sowie Film- und Fernsehproduzent tätige Szalowski einen leisen Roman geschaffen.


    Ein Skandal zu viel sorgte dafür, dass der gefeierte, gleichermaßen verehrte wie gefürchtete Eishockeystar Martin Ladouceur, genannt Ladouce, jahrelang nicht in seiner Heimat war. Acht Jahre später nimmt ihn sein Verein wieder auf und er kehrt zurück. Hier setzt der Roman an.


    Ausgerechnet den Heiligen Abend sucht er sich für seine Rückkehr aus. Doch ein freudiges Willkommen sieht anders aus. Kein Empfangskomitee steht jubelnd bereit, um sich um seine Bedürfnisse zu kümmern. Das Hotel, dessen Suite er vor Jahren zerstörte, beherbergt ihn. Allerdings und in Rücksprache mit dem Verein nur mit der Auflage im Hotel nichts Alkoholisches zu trinken, niemanden einzuladen. Für eine Nacht ist er der einzige Gast, lernt auf ungewöhnliche Weise den siebenjährigen Sohn eines Zimmermädchens kennen. Und da er keine Erinnerungen an jene für ihn folgenschwere Nacht acht Jahre zuvor hat, keimt in ihm der Verdacht, dass es sich dabei vielleicht um seinen Sohn handeln könnte.


    Doch bis es so weit ist, muss der erfolgsverwöhnte Sportler feststellen, dass die Zeiten, in denen ihm alles zu Füßen lag, offenbar vorbei sind. Nur er scheint irgendwie in der Zeit stehen geblieben zu sein. Er will keine Verantwortung übernehmen, schert sich einen Dreck um die Gefühle und Gedanken anderer. Deshalb will er, um im Hotel mit seiner weihnachtlichen Notbesetzung nicht zu versauern, zu seinem alten und künftigen Teamkollegen. Doch dieser scheint handzahm geworden zu sein und unter der Fuchtel seiner Ehefrau zu stehen, obwohl er früher genau wie Ladouce zu jeder Schandtat bereit war. Er hat zunächst keine Zeit für, lässt Ladouce nicht einmal ins Haus. Überhaupt muss der Star von einst mehrmals feststellen, dass nicht automatisch jeder scharf auf seine Gesellschaft und seine Autogramme ist oder uneingeschränkt daran denkt, ihm seine Wünsche zu erfüllen. Auch ein Anruf bei seiner Mutter verläuft nicht so, wie Ladouce sich das gedacht hat.


    Neben dem Jungen geht Szalowski etwas näher auf einen einfühlsamen Taxifahrer, einen schrullig-kriecherischen bis impertinenten Portier, einen Pagen und das Zimmermädchen ein, das Ladouce ihren Jungen anvertraut, weil es selbst arbeiten muss und nicht weiß wohin mit ihm. Außerdem kann Szalowskis Leserschaft flüchtige Blicke auf mehr oder weniger treue Fans werfen, auf den alten und künftigen Teamkollegen, auf die Besitzerin eines Imbisses. Schemenhaft tauchen die Eltern Ladouces auf. Es wird erklärt, wer Ladouce zu dem gemacht hat, was er heute ist, aber auch, dass es zu einem Zerwürfnis kam, das irreparabel scheint. Der Fokus liegt jedoch auf Ladouce, aus dessen Sicht die Geschichte, jedoch nicht von ihm, erzählt wird.


    Man kann ein wenig den alten Charles Dickens durch die Zeilen schimmern sehen, wenngleich Martin Ladouce zumindest äußerlich keine Ähnlichkeit mit Ebenezer Scrooge aufweist und er auch nur im übertragenen Sinn von den Geistern der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufgesucht wird. Ansonsten erweist er sich aber eingangs als genauso rücksichtslos und kalt, selbstverliebt und abweisend wie der Hauptcharakter in Dickens so gerne erzählter Weihnachtsgeschichte. Und wie Scrooge erfährt auch Ladouce in dieser einen Nacht so einiges über sich selbst. Darf lernen, dass eine Veränderung nottut, und gewinnt gleichzeitig durch den kleinen Jungen und einen hilfreichen, sanft aufbegehrenden Einfluss Fremder wie auch früherer Bekannter die segensreiche Erkenntnis, dass diese Veränderung gar nicht so schlimm ist.


    Die Nacht scheint endlos, während Szalowskis LeserInnen erleben dürfen, dass auch in einem vergnügungssüchtigen Mistkerl ungeahnte Fähigkeiten und Wünsche schlummern können. Es beginnt damit, dass er im richtigen Moment innehält, etwa um dem Taxifahrer zuzuhören oder seinem alten Trainer. Und es endet noch lange nicht mit seiner Aktion, für den kleinen Jungen in seinem Zimmer als Weihnachtsmann aufzutreten. Überaus kreativ schreckt er dabei nicht einmal davor zurück, sich aus Daunenfedern mittels Sekundenkleber einen Bartersatz zu kreieren.


    Unaufgeregt und unprätentiös, jedoch in einer ohne Einschränkung passenden Sprache wird die Veränderung in Ladouce und die für ihn positiven Erfahrungen beschrieben. Ob der kleine Junge wirklich sein Sohn ist, will ich nicht verraten. Allerdings wartet das Schicksal noch mit einem kleinen Extrabonus für Szalowskis Hauptfigur auf.


    Fazit:
    Ein Roman mit kleinen Botschaften, die im Alltag oftmals vergessen werden. Etwa, dass Geld zwar vieles erleichtert, man damit aber die wirklich wichtigen Dinge nicht kaufen kann. Dass wahre Freunde auch in den dunkelsten Stunden für einen da sind. In sich schlüssig, teils ironisch, teils humorvoll zeigt diese Geschichte wieder einmal, dass es für Veränderungen nie zu spät ist und Liebe so einiges ändern kann. Und dass man auch mit der Umsetzung einer an sich alten Idee ein wunderbares Buch für ein paar entspannende Lesestunden schreiben kann, dem ich vier von fünf Punkten geben möchte.


    Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

    Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
    Mark Twain

  • Eine wunderbare Rezension, der ich kaum etwas hinzufügen kann. :-) Auf die Geschichte ist Ati ja schon sehr genau eingegangen, daher versuche ich das zu vermeiden.


    Am Anfang hatte ich meine Schwierigkeiten damit, die Namen der Charaktere nicht zu verwechseln, aber nach und nach habe ich mich daran gewöhnt.


    Störend fand ich zwei Dinge: Die Bindung des Buchs sah jetzt gegen Ende des ersten vorsichtigen Lesens schon beansprucht aus (ist aber noch alles gebunden) und zum zweiten die "beruhigende Wirkung eines blitzschnellen, überwältigenden, nach Möglichkeit überraschenden Angriffs" (der Satz wurde sehr oft wiederholt) nervte mich am Ende doch.


    Ansonsten war das ja mein "Weihnachtsbuch" für dieses Jahr und ich kann die schon aufgezeigten Ähnlichkeiten von Ladouce zu Scrooge nur unterschreiben.


    Ich hatte zu Beginn ein paar Probleme mit dem Charakter des kleinen Martin und fand Louise dagegen ansprechender, insbesondere in ihrem Umgang mit Labarre.


    Die eigentliche Schlüsselfigur ist aber für mich der haitianische Taxifahrer, der sich vollkommen selbstlos unserem "Scrooge" Ladouce annimmt.


    Das Ende des Buchs war in gewissen Teilen zu erwarten. In einem anderen Punkt war es allerdings für mich etwas "too much".


    8 Punkte.

  • Vor acht Jahren war Martin Ladouceur ein gefeierter Stürmer der Profi-Eishockey-Mannschaft Canadiens de Montréal. Seine Familie hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits von ihm abgewandt, aber wer braucht schon Familie, wenn man Freunde, Teamkameraden und vor allem Fans hat? Doch eine Partynacht veränderte alles. Der Präsident der Canadiens hatte endgültig die Nase voll, seinen Mittelstürmer aus dem Gefängnis zu holen, diverse Prostituierte zu bezahlen und den im Suff angerichteten Schaden wieder zu kitten. Martin Ladouceur wurde nach Amerika transferiert.


    An diesem 24. Dezember ist Ladouceur wieder zurück in Montréal. Sein ehemaliger Club gibt ihm eine zweite Chance und Ladouceur muss diese nutzen, denn mit 36 Jahren ist er schon recht alt für diesen Profisport. Er wird in einem Hotel untergebracht, dessen einziger Gast er an diesem Heiligen Abend ist. Ihm zur Seite stehen der Page Charles-David und der Portier Maxime. Dessen Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der Gast keinerlei alkoholische Getränke zu sich nimmt, keinerlei Damenbesuch bekommt und generell nichts anstellt. Doch Ladouceur, zum ersten Mal seit Jahren wieder in der Heimat, beschließt, der Bewachung des Hotels zu entfliehen und an alte Zeiten anzuknüpfen.


    Doch bei seinem Teamkollegen Georges D`Amour wird ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Dieser ist mittlerweile zum Familienmenschen mutiert und will das Fest mit seiner Frau und seinen Kindern verbringen. Unverrichteter Dinge fährt Ladouceur zurück in sein Hotel. In der Sauna des Hotels hat er plötzlich eine Erscheinung. Ein bärtiger Mann mit einer Dornenkrone sagt ihm "Irgendwo ist immer jemand, der dich liebt ...". Kann es wahr sein, gibt es auf der Welt tatsächlich einen Menschen, der Ladouceur um seiner Selbst willen liebt, nicht weil er ein Profisportler ist, ein Partylöwe? Ladouceur macht sich an diesem Abend auf, seine Vergangenheit zu erforschen, doch wirkliche Einsicht zeigt er erst, als ihm ein kleiner Junge begegnet ...



    Eine schöne Weihnachtsgeschichte - kann man an einem einzigen Tag mit sich ins Reine komme? Der Plot wurde sehr detailliert ausgearbeitet, wobei der Leser immer in kleinen Rückblenden aus der Sicht des Protagonisten erfährt, was sich vor acht Jahren, vor seinem endgültigen Absturz, abgespielt hat. Die Figuren, allen voran natürlich Protagonist Martin Ladouceur wurde sehr detailliert und tiefgründig in Szene gesetzt. Anfangs war mir Ladouceur nicht wirklich sympathisch, ein abgehalfterter Profisportler - sonst nichts, doch nach und nach stiegen meine Sympathien mit ihm, sowie er in seiner Vergangenheit seine begangenen Fehler als solche erkannte. Den Schreibstil empfand ich als sehr angenehm zu lesen, wobei bei mir leider kleiner gefühlte Längen auftauchten, dafür konnte mich der Plot mit überraschenden Wendungen überzeugen. Als Fazit kann ich sagen, dass mir dieses Buch entspannte Lesestunden beschert hat und mich so langsam aber sicher in Weihnachtsstimmung gebracht hat.

  • Gestaltung:


    Das Cover passt super zur Geschichte. Es zeigt einen einsamen Menschen, der im Schnee auf ein beleuchtetes Haus zugeht. Da das Cover hauptsächlich weiß ist, zieht es den Blick richtig an und der Titel sorgt zusätzlich dafür, dass man es einfach in die Hand nehmen muss.


    Inhalt:


    „Der Eishockeyprofi Ladouce kehrt nach einer Zwangspause zu seinem Club nach Montréal zurück. Es ist Weihnachten, und er checkt als einziger Gast in das Hotel ein, in dem Jahre zuvor die ausschweifende Party stattfand, wegen der er seine Karriere unterbrechen musste. Dort trifft er auf den sechsjährigen Sohn des Zimmermädchens Louise. Ladouce erobert die Zuneigung des Jungen und richtet ihm mit viel Fantasie ein zauberhaftes Weihnachtsfest aus. Je näher sie sich kommen, umso mehr wächst in Ladouce die Überzeugung, dass der Junge sein eigener Sohn sein könnte, Spross jener Partynacht vor sieben Jahren …
    Als dann doch alles anders kommt, erkennt Ladouce, wie wichtig Familienbande sind, besinnt sich darauf, das Verhältnis zu seinem eigenen Vater zu klären, und ist endlich bereit, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen.“
    (Quelle: http://www.randomhouse.de/Buch…rre-Szalowski/e428283.rhd)


    Martin Ladoucer ist ein berühmter Eishockeyspieler, dem sein Ruhm vor sieben Jahren etwas zu Kopf gestiegen ist und der sich ziemliche Eskapaden geleistet hat. Daraufhin wurde er „versetzt“, doch jetzt ist er zurück und hofft auf einen Neuanfang.


    Doch er muss schnell feststellen, dass er aufgrund seiner Ausschweifungen nicht mehr so beliebt ist und sich auch einstige Freunde abgewandt haben. Im Hotel trifft er auf einen siebenjährigen Jungen, der sofort sein Herz gewinnt und beginnt sich mit diesem anzufreunden. Je mehr Zeit er mit ihm verbringt, desto mehr fragt er sich, ob es nicht sein könnte, dass seine Ausschweifungen vor sieben Jahren Folgen gehabt haben. Ist es möglich, dass dieser Junge vielleicht sein Sohn ist?


    Durch diese Erkenntnis aufgerüttelt beginnt Ladouce über sein Leben nachzudenken und ist sogar bereit für diesen kleinen Jungen sein Leben von Grund auf zu verändern. Doch dann kommt alles ganz anders … .


    Charaktere:


    Martin Ladoucer gefiel mir sofort sehr gut. Anfangs ist er eher noch der verschrobene Kautz und man weiß nicht so recht, wie man ihn einschätzen soll. Als er zurück nach Montreal kommt, will er nichts, als alte Freunde treffen und in sein ruhmreiches Leben zurückkehren. Doch seine Freunde weisen ihm die Tür und er erkennt, dass er eigentlich niemanden mehr hat, der sich über seine Anwesenheit freut. Als er den Jungen kennerlernt und sich mit ihm anfreundet, sieht man, dass er im Grunde ein netter Kerl ist und je mehr Zeit er mit dem Kind verbringt, desto mehr schließt man ihn in sein Herz.


    Der kleine Martin war auch absolut authentisch dargestellt, so, wie Kinder einfach sind. Er ändert von einem Moment zum anderen seine Meinung, ihm ist langweilig und er malt Wände voll. Er ist so richtig herrlich erfrischend und bringt ganz schön Schwung in die Geschichte um den Eishockeystar.


    Sehr gut gefiel mir auch der Page Charles-David. Zuerst dachte ich ja, er wäre ein kleiner Schleimer, aber je näher man ihn kennenlernt, desto sympathischer wird er einem.


    Und dann ist da noch der Taxifahrer Pierre-Léon. Er hilft Ladouce immer wieder aus der Patsche uns steht ihm mit Rat und Tat zur Seite.


    Dieses Buch ist wirklich voll mit wundervollen und einzigartigen Charakteren, die man alle mit jeder Seite besser kennenlernt.


    Schreibstil:


    Das Buch beginnt damit, dass Martin Ladoucer im Hotel eincheckt. Durch Erinnerungen des Protagonisten erfährt man immer wieder, was in der Vergangenheit passiert ist. So wird man darüber informiert, was vor sieben Jahren passiert ist und dass der Eishockeystar keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern hat und warum. Dadurch entsteht nach und nach ein Bild von den ganzen Geschehnissen.


    Die Geschichte ist in der 3. Person geschrieben, man erfährt aber auch häufig, was Ladouce denkt, so dass man sich sehr gut in den Protagonisten hineindenken und –fühlen und ihn damit auch besser verstehen kann.


    Obwohl dieses Buch nicht die Spannung aufbaut, wie es in anderen Büchern oft der Fall ist, war ich doch von der ersten Seite an fasziniert und konnte mich nicht mehr losreißen. Es trumpft zwar nicht mit irgendwelchen Besonderheiten auf, aber vielleicht ist es ja auch gerade diese Schlichtheit, die mich in ihren Bann gezogen hat, denn in diesem Buch geht es vor allem um Gefühle und hier ist es dem Autor, Pierre Szalowski besonders gelungen diese authentisch darzustellen und den Leser damit zu packen.


    Das Ende des Buches ist wirklich noch einmal etwas Besonderes und genau der richtige Abschluss für diese schöne Geschichte.


    Fazit:


    Eine wirklich schöne Weihnachtsgeschichte, die mich sehr berührt und nicht mehr losgelassen hat. Sie überzeugt vor allem durch seine Schlichtheit, aber auch durch viel Gefühl und vielschichtige Charaktere.


    Jeder sollte dieses Buch gelesen habe.


    Von mir bekommt das Buch 5 Punkte von 5.