Zum Autor
Ali Shaw wurde 1982 in einer Kleinstadt in der englischen Grafschaft Dorset geboren. Er studierte Englische Literatur an der Universität von Lancaster und arbeitet seitdem als Buchhändler und in der Bodleian Bibliothek der Universität Oxford. Sein Erstling "Das Mädchen mit den gläsernen Füßen" war international sehr erfolgreich.
Zum Inhalt
Nach dem Tod ihres Vaters lässt Elsa alles hinter sich und flüchtet aus ihrem bisherigen Leben an einen abgelegenen Ort. Thunderstown ist ein kleines, einsames Städtchen und hier, so sagt man, erwacht das Wetter zum Leben. Genau das glaubt Elsa zu erleben, als sie zum ersten Mal auf Finn trifft, der zurückgezogen in den Bergen lebt, die das Dorf umschließen. Finn ist kein gewöhnlicher Mann, ihn umgibt ein Geheimnis. Es ist der Grund für sein Einsiedlerleben und der Grund für sein Einsiedlerleben und der Grund, warum die Einwohner von Thunderstown ihm nicht wohlgesonnen sind.
Meine Meinung
Auf Ali Shaws zweites Buch war ich sehr gespannt und wurde abermals mit einer im doppelten Sinne zauberhaften Geschichte überrascht. Erneut gelingt es Ali Shaw, ein modernes Märchen zu erzählen, dessen Hauptfiguren vom Schicksal schwer geprüft wurden. Wieder spielen übersinnliche Elemente und der Glaube daran eine Rolle, all dies hinter einem wieder überaus gelungenen und passenden Titelbild. (Ein wenig seltsam finde ich, dass die Erzählung im Englischen von einem Mann handelt, der regnete „The Man who Rained“, im Deutschen hingegen von einem Mann, der den Regen träumt. )
Violett und ein wenig düster scheint das Titelbild zu „The Man who Rained“ (dt. Titel „Der Mann, der den Regen träumt“), passend zur Atmosphäre in dem abgelegenen Örtchen Thunderstown (dt. Donnerstadt) und den Bewohnern dort. Thunderstown wirkt wie eine sterbender Ort, Menschen, deren Familien schon seit Generationen dort leben, mit starren Ansichten, festen Strukturen und Aufgabenverteilungen, scheinbar pragmatischer Brutalität, umgeben von hohen, zerklüfteten Bergen und spektakulären Wolkenformationen. Scheinbar ohne Raum für Toleranz und Hoffnung, für Neues, für echte Veränderungen. Geprägt von karger Natur und erdrückender Hitze.
Ausgerechnet Thunderstown ist die Wahlheimat der 29-jährigen Elsa Beletti, die nach dem Tod ihres geliebten Vaters nicht länger in New York leben möchte. Ihr Vater war ein Sturmjäger und starb als er einem Tornado zu nahe kam. So wie er ist auch Elsa fasziniert von Wolken. In Thunderstown begegnen ihr uralter Aberglaube, Naturgewalten und die unterschiedlichsten Menschen. Wie schon in seinem Erstling gelingt es Ali Shaw wieder, Menschen und die sie umgebende Natur mit wenigen treffenden Worten zu malen, sie lebendig werden zu lassen auf nur wenigen Seiten. Märchenhafte Schilderungen gehen abrupt über in Szenen voller Gewalt.
Zu dem in den Bergen lebenden Einsiedler Finn Munro fühlt sich Elsa besonders hingezogen und um so mehr Finn sich zurückziehen möchte, so wenig kann er es – genauso wenig wie Elsa diesen geheimnisvollen, so besonderen Menschen vergessen kann.
Oft deutet Ali Shaw nur an, überlässt das Ausmalen der Fantasie des Lesers und oft ist es auch nicht wichtig, warum bestimmte Phänomene möglich sein könnten. Ihm geht es um zwischenmenschliche Gefühle, (Verlust-) Ängste, den Glauben an sich selbst und an das Gute in anderen, um Möglichkeiten, die gegeben, erkämpft, genutzt werden oder nutzlos verstreichen. Um Hoffnungen und Ziele, um Selbstbestimmung und Traditionen. Um Träume und Realität, denn oft verbirgt sich hinter dem Bild oder Traum etwas ganz anderes, das möglicherweise zwar anders jedoch nicht weniger gut ist.
So gut mir die Erzählung insgesamt inhaltlich und sprachlich gefiel, so sehr war ich nach einer Weile ein wenig enttäuscht von den Passagen über Elsas Leben und ihre Familie, die mir zu banal und eindimensional schienen, sowie über ihre scheinbar planlose Suche, die irgendwie im Sande zu verlaufen scheint.
Fazit
Ein wunder-volle Erzählung mit besonderen Figuren, einem außergewöhnlichen Schauplatz und oft poetischer Sprache, mit starken Kontrasten und fesselnden Szenen, in denen die Grenzen zwischen Realität und Magie verschwimmen, Donner und Herzschläge ineinander übergehen. Hoffentlich bleibt die zauberhafte Atmosphäre auch in der deutschen Übersetzung erhalten.