'Schlafes Bruder' - Seiten 149 - Ende

  • Ich bin gestern Abend auch noch fertig geworden. Ein solches Thema muss man erst einmal "sacken" lassen. Daher habe ich mit "Harry Potter and the Prisoner of Azkaban" begonnen, eben etwas völlig anderes.


    Zum letzten Abschnitt werde ich mich aber auch noch äußern.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Ich bin durch!


    Aber was liest man nach so einem Buch als nächstes? :gruebel
    Auf jeden Fall etwas ganz anderes!


    Vielleicht irgendetwas mit der Garantie, dass es gut ausgeht, oder einen Klassiker. Aber nicht etwas in der Art von "Sturmhöhe" oder ähnlich Finsteres. An diesen Roman musste ich beim Lesen immer wieder denken, nicht weil es Parallelen in der Geschichte gibt, sondern eher wegen der Stimmung.


    Ich habe es auch fertig gelesen, und ich werde nun erstmal einen Krimi lesen.

  • Kann man sich wirklich durch Schlafentzug das Leben nehmen? Das habe ich mich schon damals beim ersten Lesen gefragt, und heute bin ich noch nicht schlauer. Letztendlich stirbt Elias an einer Atemlähmung auf Grund der vielen Tollkirschen.


    Emotionaler Höhepunkt für mich persönlich ist hier Elias musikalischer Exzess an der großen Orgel, bei dem mir wie beim ersten Lesen das Herz übergeht. In meinem Kopf entsteht sein großartiges Lautgemälde, so dass ich es hören kann. Und dann ist es auch schon vorbei, Elias' Entschluss klar: Wer liebt, schläft nicht!
    Und unaufhaltsam geht die Geschichte ihrem Ende entgegen.


    Peter braucht lange, bis er überhaupt begreift, dass Elias nicht mehr zu retten ist, nicht von ihm und auch nicht von Elsbeth oder irgendwem. An den Freund gebunden muss er ihm dabei helfen, sich systematisch zu Grunde zu richten. Und das verändert Peter, wie sollte es auch anders sein.


    Ich muss den Roman im Moment auch etwas sacken lassen, und das, obwohl es für mich nicht das erste Lesen war.
    Auf jeden Fall war mir diese LR Anstoß, auch die anderen Romane Schneiders wieder mal zu lesen.

  • Die letzten Kapitel beinhalten sowohl Elias' größten Triumph, als auch seinen entsetzlichen Selbstmord. Es ist bemerkenswert, dass der Todeswunsch erst aus diesem glücklichen Erlebnis heraus entsteht.


    Eines Tages kommt der Feldberger Domorganist nach Eschberg um die Orgel zu katalogisieren. Er erkennt das musikalische Genie von Elias und überzeugt ihn am Feldberger Orgelfest teilzunehmen. Elias zeigt kein großes Interesse, doch Peter überzeugt ihn hinzugehen.
    Während seiner Improvisation von "Kömm oh Tod, du Schlafes Bruder" erwachen seine seit der zweiten "Verwandlung" erkalteten Gefühle wieder. Die Musik berührt ihn wieder tief, er spielt über zwei Stunden. Während seines fast schon ekstatischen Spiels erwacht seine Liebe zu Elsbeth wieder. Sein ganzes Leben zieht an ihm vorbei. So erinnert er sich auch wieder an die Worte des Schaupredigers: "Wer liebt, schläft nicht." Er fasst einen hier noch nicht klar benannten Entschluss, den man als Leser aber leicht erschließen kann.


    Elias kehrt nicht mehr zu seiner Familie nach Eschberg zurück, sondern geht zum "wasserverschliffenen Stein", den Ort, von dem er glaubt, dass von dort die Seelen der Eschberger zum Himmel aufsteigen.
    Hier setzt er sein Vorhaben durch und hält sich eine Woche lang mit Hilfe von berauschenden Beeren wach. Peter muss ihm versprechen, ihm zu helfen und ihn vor allem nicht im Dorf zu verraten. So stirbt Elias schließlich nach einer Woche Schlaflosigkeit an dem Gift der Tollkirsche.


    Elias' Todeskampf ist lang und schrecklich. Der Erzähler merkt mehrmals an, dass Peter ihn für verrückt geworden hält. Doch dies ist in meinen Augen keine treffende Beschreibung. Elias weiß nun, dass ein Leben ohne Liebe zu Elsbeth für ihn nicht lebenswert ist, dass aber die unerfüllte Liebe zu ihr für ihn unerträglich ist. Also entscheidet er sich für den Tod und zollt seiner Liebe Tribut, indem er nicht mehr schläft und so die Zeit bis zu seinem Tod ganz und gar der Liebe zu ihr widmen kann.

  • Zitat

    Original von Vickie
    ...
    Elias weiß nun, dass ein Leben ohne Liebe zu Elsbeth für ihn nicht lebenswert ist, dass aber die unerfüllte Liebe zu ihr für ihn unerträglich ist. Also entscheidet er sich für den Tod und zollt seiner Liebe Tribut, indem er nicht mehr schläft und so die Zeit bis zu seinem Tod ganz und gar der Liebe zu ihr widmen kann.


    Ich habe es ein Bisschen anders verstanden.
    Nach dem Gotteserlebnis von Elias ist zu lesen, dass er erstmal fast gefühllos war. Zumindest war seine obsessive Liebe zu Elsbeth erstmal still. Elias kann sogar auf Elsbeths Hochzeit Orgel spielen und mit ihr scherzen, ohne zu zerbrechen.
    So wie ich es verstehe, kommt die Liebe erst bei seinem "Orgelerlebnis" zu ihm zurück. Da fasst er den Entschluss. Nicht den Entschluss zu sterben, denn das will er, glaube ich, gar nicht primär. Er will nur keinen Moment mehr verschwenden, in dem er seine Elsbeth nicht wahrhaft lieben könnte, z.B. während des Schlafens. Deshalb beschließt er nicht mehr zu schlafen, gar nicht mehr. Dass er daran stirbt, ist nicht von ihm beabsichtigt.

  • Ich bin jetzt durch und muss leider feststellen, dass mich das Buch auch beim zweiten, diesmal freiwilligen, Lesen nicht wirklich gepackt hat.
    Die beiden Verwandlungen des Elias waren mir zu übertrieben, ich konnte mit diesen Szenen nichts anfangen, genauso wie mit seinem Orgelspiel in Feldberg.
    Insgesamt war mir das ganze Buch zu düster, so ohne jeden Lichtblick hat diese Stimmung jedes Mitgefühl für die Figuren bei mir erstickt.

  • Zitat

    Original von Zwergin
    Ich bin jetzt durch und muss leider feststellen, dass mich das Buch auch beim zweiten, diesmal freiwilligen, Lesen nicht wirklich gepackt hat.
    Die beiden Verwandlungen des Elias waren mir zu übertrieben, ich konnte mit diesen Szenen nichts anfangen, genauso wie mit seinem Orgelspiel in Feldberg.
    Insgesamt war mir das ganze Buch zu düster, so ohne jeden Lichtblick hat diese Stimmung jedes Mitgefühl für die Figuren bei mir erstickt.


    Schade, Zwergin, aber die Geschmäcker sind eben sehr unterschiedlich. Ich mag Bücher mit so düsterer Stimmung ganz gern.
    Elias' Verwandlungen habe ich eher allegorisch gesehen.
    Elias' Orgelspiel in Feldberg allerdings hat mich auch beim zweiten Lesen noch beeindruckt und aufgewühlt. Es ist fast so, als könne man die Musik hören oder eher fühlen. Für mich jedenfalls.

  • Liebe Zwergin,


    ich kann gut nachvollziehen, was Du schreibst. Robert Schneider macht es uns mit dieser Düsternis nicht gerade leicht, den Zugang zur Geschichte zu finden.


    Ich widme mich dem letzten Abschnitt: Elsbeth kehrt mit ihren sechs Kindern zu der bedeutungsvollen Stelle am Bach zurück. Mit ihrem ältesten Sohn Cosmas war sie ja schon vor Elias' Tod schwanger. Vom Anfang des Buchs wissen wir auch, dass Cosmas später als letzter Bewohner des Dorfes ebenfalls ein hartes Schicksal nimmt.


    Dieses letzte Kapitel stellt eine inhaltliche Klammer über das Buch dar. Es greift den Anfang und die Hauptthemen der Geschichte auf.


    Es weist m.E. aber auch weit über die Geschichte hinaus:


    Auf die Frage "Was meint Liebe?" will oder kann Elsbeth ihrem Sohn keine Antwort geben. Aber wir Leser können darüber nachdenken und kommen vielleicht zu der Antwort: Liebe meint eine Hinwendung, die Elias ermöglicht hätte, seine Musikalität zu entfalten und darin Anerkennung zu finden.


    Möglicherweise wäre er dann glücklich geworden.

  • Hallo,


    ich habe das Buch jetzt auch zu Ende gelesen - etwas widerwillig, aber da ich so gut wie nie Bücher abbreche, wollte ich das auch diesmal vermeiden.


    Mir geht es im Wesentlichen wie Zwergin. Ich fand die meisten Schilderungen sehr übertrieben - auch die mit dem Kind in unserem 3. Abschnitt und den Todeskampf von Elias. Genie hin oder her konnte ich die seltsamen Denkweisen und das Verhalten Elias' nie wirklich nachvollziehen. Allein seine Begegnungen mit der Musik haben mich fasziniert. Auch die Verwandlung von Peter hat mich am Ende gepackt, da ich seine Figur eigentlich durchweg unsympathisch fand. Bezeichnend, dass es da so einer krassen Erfahrung bedurfte, damit er wieder zum Menschen wird.


    Insgesamt war das eine interessante Leseerfahrung, wie ich sie schon lange nicht mehr hatte. Ich kann mich eigentlich an keine Geschichte erinnern, die mich über weite Strecken so dermaßen abgestoßen hat.


    Im Nachwort habe ich gelesen, dass der Roman inzwischen auch Schullektüre ist und habe daher versucht mir vorzustellen, wie ich ihn als 17-18jährige gelesen hätte. Er gibt sicher genug Stoff zur Diskussion und Interpretation. Aber ich bezweifle doch, dass ich ihn im Unterricht irgendwie "lieber" gelesen hätte.


    Unsere verschiedenen Meinungen hier in der Leserunde fand ich aber sehr spannend und danke daher allen, die sich hier zu dem Buch geäußert haben. Das hat sicher mit dazu beigetragen, dass ich den Roman beendet habe. Vielleicht liest man sich ja bald mal wieder in einer etwas "optimistischeren" Leserunde ;-)


    LG,
    Babs