Die Hure Babylon - Ulf Schiewe

  • Kurzbeschreibung v. Droemer-Knaur:
    Sie sprachen vom himmlischen Frieden – und riefen zum Kreuzzug auf. Sie mahnten zu Mäßigung und Keuschheit – und führten ein Leben in Verworfenheit. Rom war die biblische Hure Babylon …
    Südfrankreich im 12. Jahrhundert: Der junge Edelmann Arnaut ist verzweifelt, denn wieder hat seine heimliche Geliebte, die Vizegräfin Ermengarda von Narbonne, ihr Kind verloren – ein Fingerzeig des Himmels? Arnaut will Buße tun und sich dem Kreuzzug ins Heilige Land anschließen. Mit dem fränkischen Heer zieht er gen Osten und muss doch bald erkennen, dass es weniger um Erlösung als um Macht und Eitelkeit der Herrschenden geht, dass im Namen Gottes Verrat und unvorstellbare Greueltaten begangen werden. Gefährliche Abenteuer warten auf ihn, Kampf, Intrigen – und so manche Versuchung …


    Meine Meinung:
    Als seine Geliebte, Ermengarda von Narbona, ihr Kind verliert, betrachtet dies der junge Edelmann Arnaut de Montalban als Strafe Gottes, für seine verbotene Liebe zu der schönen Vizegräfin. Als Abt Bernard de Clairvaux überall im Land zum Kreuzzug aufruft, beschließt Arnaut, sich diesem anzuschließen, als selbst auferlegte Buße. Er möchte Abbitte leisten, für seinen Ehebruch mit Ermengarda. Ein weiterer Beweggrund für sein Vorhaben ist sicher, dass er von seinem Großvater viel über dessen eigene Pilgerreise ins Heilige Land erfahren hat und dass sich das Grab seiner Großmutter in Outremer befindet.
    Sie trennen sich im Streit, denn Ermengarda nimmt es Arnaut übel, dass er sie alleine zurücklassen will, gerade jetzt, wo sie ihn so dringend braucht. Schon bald nach dem Aufbruch der Kreuzfahrer tut es beiden leid, dass sie ohne Abschied auseinander gegangen sind.


    Der Roman teilt sich in fünf große Abschnitte. Jedes dieser Bücher beginnt mit einem Kapitel, das aus der Sicht Ermengardas geschildert ist. Dann wechselt die Handlung jeweils zu den Ereignissen unterwegs. Mit Hilfe der Karte, welche die Innenseiten der beiden Buchdeckel ziert, kann man die Etappen der langen, beschwerlichen Reise mitverfolgen.
    Während des Lesens sind farbenprächtige, sehr lebendige Bilder vor meinem geistigen Auge entstanden. Das gewaltige Heer der Kreuzfahrer, das starke Aufgebot an Personen und die ausdrucksvollen Schilderungen entfachen ein Kopfkino in der Größenordnung eines Monumentalfilms.
    Aber ich konnte auch das Leid nachempfinden, das auf diesem Kreuzzug stetiger Begleiter war. Viele der Teilnehmer an dieser blutigen Wallfahrt hatten vorher sicher keinen blassen Schimmer davon, was sie unterwegs erwarten würde.
    Es kommen in diesem Roman auch besorgte Stimmen zu Wort, die der ganzen Aktion von Anfang an skeptisch oder ablehnend gegenüberstanden. Sowohl Sinn als auch Ablauf dieses zweiten großen Kreuzzugs gen Jerusalem wird durchaus kritisch betrachtet und dabei nichts beschönigt.
    Was die Menschen angetrieben hat, das Ausmaß der Strapazen und Entbehrungen dieser Pilgerreise, die Heftigkeit der Kämpfe, wenn man auf so genannte „Ungläubige“ traf, dies alles kommt gut zum Ausdruck. Uneinigkeit machte sich bei den Verantwortlichen breit, und für viele Teilnehmer führte dieser Pilgerzug ins Verderben. Manch einer hatte unterwegs den Eindruck, von Gott verlassen zu sein, und es kamen immer mehr Zweifel auf.
    Der Autor verlangt seinen Protagonisten alles ab, mutet ihnen Schlimmes zu, geht aber andererseits sehr achtsam und respektvoll mit ihren Gefühlen um. Seine Charaktere gewinnen durch die gut ausgearbeiteten, profunden Beschreibungen zunehmend an Tiefe.
    Es ist der dritte historische Roman des Autors. Die drei Bücher sind in gewisser Weise verbunden, sowohl durch die chronologische Reihenfolge als auch durch einige Personen, und obwohl ich die vorherigen Bände nicht kenne, ist es mir leicht gefallen, mich auf die Handlung einzulassen. Alles was man wissen muss, erfährt man durch kleine Rückblicke zur rechten Zeit. Der Schreibstil ist absolut fesselnd, und die Handlung hat mich, von der ersten Seite an, völlig gefangen genommen. Alles ist sehr gründlich und bis ins kleinste Detail korrekt recherchiert.
    Dieses großartige Epos wirkt lange in Gedanken nach, sei es, weil man noch mehr über die Kreuzzüge und die Hintergründe erfahren möchte, aber auch, um Ungesagtes in der eigenen Fantasie zu ergänzen.


    :fingerhoch :fingerhoch :fingerhoch :fingerhoch :fingerhoch

  • Anno Domini 1147, Narbonne in Südfrankreich.
    Die Vizegräfin Ermengarda herrscht über ihr kleines Reich. Sie hat zwar einen Ehemann, aber die Ehe existiert nur auf dem Papier, dafür hat sie eine innige Liebesbeziehung zu Arnaut de Montalban, einem jungen Edelmann, von dem sie nun sogar ein Kind erwartet. Eigentlich geht es ihnen gut, doch Ermengarda macht sich große Sorgen, aufgrund der Aufrufe der Priester zur Teilnahme am Kreuzzug.
    Als sie ihr Kind verliert, sieht Arnaut dies als Strafe für ihr ehebrecherisches Verhalten und will Buße tun, indem er sich dem Heer der beiden Könige Lois VII. und Konrad III. anschließt, die losziehen, um die Stadt Edessa von den Ungläubigen zu befreien.


    Zumindest wird diese Befreiung Edessas als Ziel genannt. Doch nachdem sich der unglaubliche Tross aus zigtausenden Menschen in Richtung Osten in Bewegung gesetzt hat und furchtbare, verlustreiche Schlachten geschlagen werden müssen, beginnt Arnaut nach und nach, die Motive hinter dem ganzen Unternehmen kritisch zu hinterfragen.


    Krieg im Namen der Religion ist ein leider auch heute immer noch aktuelles Thema. Dem Autor gelingt es großartig, den Wahnsinn eines derartigen Unterfangens wie der Kreuzzüge zu schildern. Bei vielen Äußerungen schüttelt man ungläubig den Kopf, nur um nach kurzem Nachdenken festzustellen, dass die Menschheit heute nicht wesentlich schlauer geworden ist.


    Durch eine hervorragende Kombination von historischen Fakten und fiktiven Schicksalen liest sich das Buch sehr spannend. Dies liegt auch an den sehr gut gezeichneten Nebenfiguren, die als Einzelschicksale die schier unfassbare Menge an Teilnehmern des Kreuzzuges spannend repräsentieren. Obwohl der Großteil des Buches Arnaut auf seiner Reise begleitet, kommt zu Beginn jedes Abschnittes auch die daheimgebliebene Ermengarda zu Wort. Eine äußerst interessante Frauengestalt, die die politischen Ereignisse ihrer Zeit mit bemerkenswerter Intelligenz durchschaut hat. Die Verknüpfung mit der fiktiven Handlung um Arnaut ist wunderbar in den historischen Rahmen der Geschichte eingepasst worden. Erst das Namensverzeichnis und die Anmerkungen des Autors am Schluss zeigen auf, welche Teile des Romans fiktiv und welche historisch belegt sind. Sehr gelungen ist meiner Meinung nach auch die Darstellung der historischen Figuren, wie zum Beispiel die von Louis Gemahlin Alienor, der späteren Eleonore von Aquitanien, oder die des Herzogs Raymond von Antiochia.


    Insgesamt eine wortgewaltige und farbenprächtige Darstellung einer äußerst finsteren Episode des Christentums!


    Die Handlung nimmt immer wieder kurz Bezug auf frühere Ereignisse, die in „Der Bastard von Tolosa“ und „Die Comtessa“ beschrieben wurden. Dennoch ist „Die Hure von Babylon“ problemlos ohne Vorkenntnisse zu lesen, die Hinweise machen höchstens neugierig auf die anderen Bücher!

  • Zum Inhalt wurde schon viel geschrieben, ich beschränke mich daher weitgehend auf meine Meinung zu diesem Buch.
    Ich hatte es gewonnen und durfte es bei den Eulen in einer autorenbegleiteten Leserunde lesen, für beides auch hier noch einmal vielen Dank.
    Es war mein erstes Buch von Ulf Schiewe. Da es in Zusammenhang mit zwei von ihm zuvor veröffentlichten steht, hatte ich Verständnisbefürchtungen, welche sich jedoch als grundlos erwiesen: Das Buch ist gut allein verständlich.
    Es ist in einzelne Bücher unterteilt, die jeweils mit einem in der Ich-Form erzählten Kapitel der weiblichen Hauptperson beginnen. Das erleichterte das Hineinfinden und gefiel mir.
    Die Geschichte ist sehr spannend und zugleich sehr informativ. Der Verfasser versteht es, in tatsächlich belegtes historisches Geschehen erdachte Schicksale glaubhaft einzuflechten, durch welche dem Leser alles noch näher erlebbar gemacht wird. Die Entwicklung des Protagonisten ist ebenso gekonnt in Szene gesetzt wie die beginnende Auseinandersetzung mit der Idee der Kreuzzüge.
    Dankenswerterweise ist dem Buch ein umfangreicher Anhang beigegeben, enthaltend Glossar, Anmerkungen und vor allem ein ausführliches Personenregister mit Kurzbiografie der historisch belegten Hauptpersonen und Kenntlichmachung der fiktiven Gestalten. Eine Karte erleichtert zudem das Verfolgen der Handlung.
    Ich vergebe 10 Eulenpunkte!

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • "Die Hure Babylon" ist der direkte Nachfolger von "Die Comtessa". Man trifft also die bereits liebgewonnenen Hauptdarsteller Ermengarda und Arnaut erneut wieder. Während die Vizegräfin von Narbona mit ihrem Leben eigentlich ganz zufrieden wäre, drücken Arnaut Zweifel und Schuldgefühle über seine Beziehung zu einer verheirateten Frau. Als sich ihm die Möglichkeit bietet, entschließt er sich zu einer Teilnahme am nächsten Kreuzzug ins heilige Land, wo er hofft, Absolution für seine Sünden zu erlangen und ein bisschen auch seinen Seelenfrieden wieder zu finden.
    In diesem Kreuzzug Richtung Edessa erlebt er nicht nur die alltäglichen Greuel des Krieges sondern erfährt auch eine innere Läuterung und letztendlich die Erkenntnis, dass er Gott auf andere Weise finden kann und muss, als in einem blutigen Krieg, der aus den Menschen Mörder, Vergewaltiger und Folterer macht.


    Ulf Schiewe versteht es, den Leser sofort zu packen und mit seiner spannenden Erzählweise nicht mehr loszulassen. Die Mischung aus gut recherchiertem historischem Wissen und lebhaft präsentierter Fiktion finden sich wieder zu einem sehr lesenswerten Buch zusammen. Man lernt so einiges über diesen zweiten Heiligen Krieg, leidet mit den Helden und kommt mit ihnen ins Grübeln über den Sinn des Unterfangens. Es ist ein Buch, dass in großen Abschnitten nachdenklich macht und durch die damals geschehenen Grausamkeiten auch mal erschreckt. Aber Ermengarda und Arnaut und ihre Hoffnung auf ein Widersehen trägt den Leser weiter durch die Geschichte und erzählt auch von Liebe und dem Wunsch nach dem kleinen Glück.


    Ich muss diesen Roman mit den Vorgängern vergleichen - und den Bastard von Tolosa konnte dieses Buch ganz knapp nicht toppen. Also "nur" 9 Punkte von mir und eine unbedingte Leseempfehlung.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Ninni Schulman - Den Tod belauscht man nicht

    Hanna Caspian - Im Takt der Freiheit


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

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  • Die Hure Babylon ist der 3. Roman den ich von Ulf Schiewe gelesen habe. Darum musste ich diesen auch unbedingt lesen.


    Die Protagonisten kennt man schon aus dem Bastard von Tolosa, so lebt man mit den Hauptakteuren Ermengarda und Arnaut weiter.


    Ich durfte in diesem den 2. Kreuzzug miterleben. Ulf Schiewe hält sich gut an historische Personen und Begebenheiten, da geht es oft ganz schön grausam zu, so wie ich glaube das es wirklich passiert war. Die fiktiven Personen passten sich sehr gut ein.


    Ermengarda und Arnaut erzählen die Geschichte teilweise in Ichform, das ist gut gelungen. So erlebt man alles selber intensiv mit. Man erlebt ihre Wünsche und Ängste mit und auch ihre Überlegungen.


    Das Ende kam mir erst etwas plötzlich, aber wenn man darüber nachdenkt, gerade richtig.
    Im Epilog wird dann noch einiges erklärt und man ist zufrieden.


    Das Lesen des Romans ist empfehlenswert, die Geschichte wird uns gut nahegebracht.
    Ich war wieder rundum gut unterhalten.

  • Zitat

    Original von Deichgräfin
    Ermengarda und Arnaut erzählen die Geschichte in Ichform, das ist gut gelungen. So erlebt man alles selber intensiv mit. Man erlebt ihre Wünsche und Ängste mit und auch ihre Überlegungen.


    Jedem Abschnitt ist ein Kapitel vorangestellt, in dem Ermengarda uns in der Ich-Form über ihre Gefühlsentwicklungen und die Geschehnisse in der Heimat auf dem Laufenden hält.
    Arnauts Abenteuer hingegen sind nicht in der Ich-Form erzählt! :knuddel1 :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Die Comtessa hatte ich erst vor kurzer Zeit beendet und durfte nun das Nachfolgebuch im Rahmen der Leserunde mit Autorenbegleitung lesen.


    Über den Inhalt wurde schon alles berichtet, deshalb von mir nur meine abschließende Meinung.


    Ulf Schiewe hat es verstanden, den Leser von Beginn an zu fesseln und ihn mitzunehmen auf den zweiten Kreuzzug, indem wir vor allem Arnaut und seine Freunde begleiteten. Dies wurde sehr anschaulich beschrieben, der Leser konnte sich gut hineinfinden und auch mit den Figuren mitleiden und auch deren Gedankengänge nachvollziehen. Für mich persönlich war es sehr interessant Arnauts Gedanken zu verfolgen, angefangen von seiner Begeisterung für den Kreuzzug hin zu den Zweifeln. Durch das Einbringen von vielen historisch belegten Persönlichkeiten hat es viel Authentizität erhalten.


    Ermengarda hat in der Ich-Form zu Beginn eines jeden großen Kapitels ihre Zeit zu Hause und vor allem ihre Gefühle für Arnaut geschildert. Mit einem aufschlussreichen Epilog wird dieses Buch beendet.


    Und nun zur Aufmachung des Buches. Das Cover passt exakt zum Vorgängerband. Eine Karte, ein Anhang mit Glossar und ein sehr aufschlussreiches Personenregister sowie ein Lesebändchen, alles war sich der Leser wünscht wurde hier umgesetzt.


    Eine Empfehlung für Leser, die gerne gut recherchierte historische Romane lesen.


    Auf den 1. Band „Der Bastard von Tolosa“ wurde ich durch die Andeutungen in dem vorliegenden Band so angefixt, daß ich ihn gleich kaufen musste.

  • Die Zeit der Heiligen Kreuzzüge hat tiefe Spuren in nahen Osten hinterlassen die bis heute nicht überwunden sind. Rund 50 Jahre nach dem ersten Kreuzzug, Anno Domini 1145 rief Papst Eugen III zu einem Zweiten auf um die an die "ungläubigen Teufel" verlorene Grafschaft Edessa zurückzuerobern. Die päpstliche Bulle und der Aufruf fand keine grosse Unterstützung bis schliesslich der der angesehene Abt Bernard de Clairvaux durch halb Europa zog und Begeisterung für diesen Kriegszug schürte. Bernard war ein begnadeter Redner und seine öffentlichen Auftritte und Predigten sorgten für wahre Begeisterungsstürme beim Adel und einfachen Volk und das obwohl sie aus heutiger Sicht reine Kriegshetze waren.


    Die eindringlichen Worte des zungenfertigen Abtes Bernard de Clairvaux, für Gott grausam zu sein sei das Höchste der Seligkeit, zeigten Wirkung. Die Erde müsse von dieser Heidenbrut gereinigt werden, wenn nötig sogar durch das vergiessen des eigenen Blutes. Für die miles christi in den Kampf zu ziehen, als Krieger des Herrn für etwas Höheres zu streiten hatte etwas Erhabenes, etwas Sinngebendes und brachte Ehre und Anerkennung für die Familie. Zudem lockte des Abenteuer und die Reinigung aller Sünden um sich einen Platz im Himmelreich zu sichern und dem ewigen Fegefeuer der Verdammnis zu entgehen. Doch der Krieg mutierte zu etwas was die Meisten so nicht erwartet hatten. Es wurde geraubt und gemordet und tagtäglich wurden Gottes Gebote gebrochen. Was mit Begeisterung und hehren Zielen begonnen hatte wurde zu einem gewaltigen Widerspruch und zu einem reinen Überlebenskampf.


    Der Autor verschont uns Leser leider nicht von dem unbeschreiblichen Grauen des Krieges. Er erzählt von kopflosen Leichen und abgetrennten Gliedern auf dem blutigen Schlachtfeld, immer wieder und unerbittlich. Der unbarmherzige Sensenmann sorgt auf dem Todesacker für den schnellen Tod tapferer Frauen und Männer und für manche Überlebende bedeutet es langes Siechtum als Krüppel. Hoffnungen werden zerstört, Seelen werden verletzt und Stolz wird gedemütigt. Das jüngste Gericht am Ende aller Tage könnte nicht schlimmer aussehen!


    Ulf Schiewe erzählt wie es mit den bekannten Figuren aus "Die Comtessa" weitergeht. Um dieses Buch zu verstehen braucht man den Vorgänger aber nicht gelesen zu haben, für diejenigen die es kennen ist es trotzdem eine spannende Weiterführung der Lebenswege bekannter Personen. Der Klappentext und meine obenstehende Einführung erklärt um was in diesem Historischen Roman geht. Der zweite grosse Kreuzzug im Jahre 1147, der zugleich eine Pilgerreise ist, wird eindringlich und recht detailliert aus der Sicht von Arnaut und seinen Gefolgsmännern und -frauen aus Tolosa geschildert. Zahlreiche kriegerische Scharmützel und Schlachten werden ausführlich dargestellt und sie setzen dem schwerfällig geworden Menschenstrom in Kleinasien arg zu. Die hässliche Fratze des Krieges tritt zutage und beutelt die Gemeinschaft schwer. Es ist kein vergnügliches Buch aber der Autor hält sich an die Historischen Tatsachen und da gibts nichts zu beschönigen, absolut rein gar nichts.


    Der Schreibstil gefällt mir und als Gegenstück zu all dem Leid begleiten wir Leser/-innen Arnaut und die Tolosaner die sich die Menschlichkeit in der Not bewahren. Für uns Leser gefühlt ein schönen Gegenpart zu all dem Kummer und Elend, aber mir kommen sie insgesamt viel zu gut weg. Wo sich allerorts Auflösungserscheinungen zeigen marodiert oder benimmt sich von diesen Personen keiner daneben. Fürs Gemüt ein schöner und vielleicht auch dringend benötigter Kontrapunkt aber ich hätte mir hier etwas weniger "Glanzpolitur" gewünscht. Die Hauptfigur Arnaut entwickelt bedauerlicherweise erst im letzten Drittels so etwas wie Tiefgang und das war mir doch zu spät. Zu Beginn eines jeden Buches/Kapitels kommt Gräfin Ermengarda zu Wort und gibt den Daheim gebliebenen in Narbonne eine Stimme. Auch sie sind vom immer sich weiter entfernenden Kreuzzug betroffen. Eine sehr schöne und bemerkenswert gut umgesetzte Idee!


    Der Autor Ulf Schiewe schreibt hervorragende Bücher im Genre der Historischen Romane. Er hat sich etabliert und ist sogar zu einer festen Grösse in diesem Bereich geworden. Nach längerem Nachdenken vergebe ich für dieses Buch 8 Eulenpunkte und hoffe auf weitere Geschichten aus seiner Feder!

  • Arnaut de Montalban schließt sich dem Kreuzzug an um zu büßen. Alle haben ihm davon abgeraten doch er hat sich nicht belehren lassen. Auch die Erzählungen seines Großvaters konnten ihn nicht davon abhalten .
    Zu Beginn der Reise ist er noch guten Mutes, das alles was passiert zum Wohle der Kirche geschieht.
    Doch je weiter die Reise voranschreitet und je tiefer man in das Land Anatolien eindringt, bekommen es die Ritter und Pilger mit der Gegenwehr der Einheimischen Kämpfer zu tun.
    Mehr als eine Schlacht wird gekämpft und es gibt Verluste auf beiden Seiten.
    Arnaut beginnt langsam an diesem Kreuzzug zu zweifeln, doch er bleibt bei der Truppe und hält weiter zu ihnen, auch wenn er weiß das nicht alles gut ist was sie tun.
    Doch auch zuhause in Frankreich brodelt langsam der Widerstand gegen diese Kreuzzüge, die nichts anderes wie Krieg bedeuten, egal wie die Kirche sie nennen will.
    Der Kirche gelingt es aber noch den Widerspruch zu Unterbinden bevor er zu laut werden kann und sich die Leute nicht mehr anwerben lassen.


    Dieses Buch nimmt einen mit in das 12. Jahrhundert als die Kirche versucht hat auch den Orient zu bekehren und alles in ihre Hand zu nehmen.
    Gelungen ist es ihnen immer wieder dafür Ritter und Pilger anzuwerben, die dann gen Jerusalem gezogen sind.
    Das Buch hat mich zwar angesprochen doch war ich auch entsetzt mit welcher Vehemenz die Kirche diese Kreuzzüge verherrlicht hat. Wo es ihnen einzig und allein darum ging ihren Machtbereich weiter auszuweiten.
    Arnaut ist zwar nur eine fiktive Person, doch mit ihm hat man diesen Kreuzzug erlebt und auch seine Zweifel an einigen Stellen des Buches mit ihm geteilt.
    Gerne habe ich das Buch gelesne, auch wenn es Schade war, das man von Ermengarda im Laufe des Buches nicht mehr viel erfahren hat.
    Um die ganze Geschichte um Arnaut und seine Familie sowie auch Ermengardas Geschichte zu erfahren, werde ich bei Gelegenheit die anderen beiden Bücher des Autoren lesen.
    Alles in allem ein Empfehlenswertes Buch, für jeden der sich für das Mittelalter und die Kreuzzüge interessiert.

  • Die Rezension zu Ulf Schiewes neustem Roman fällt mir nicht so leicht wie zur Comtessa, an die dieses Buch zeitlich gesehen nahtlos anschließt. Nach wie vor bin ich hingerissen von der unglaublich kraftvollen und intensiven Erzählweise des Autors, der hier den Leser mit auf den zweiten Krezug nimmt, für den der Zisterzienser-Abt Bernhard von Clairvaux im Auftrag Papst Eugen III. Im Jahr 1146 predigend und werbend durch die Lande zog. Arnaut, der mit der inoffiziellen Beziehung zu Ermengada nicht glücklich ist, und den zusammen mit ihr erlittenen Schicksalsschlag als eine Strafe Gottes sieht, schließt sich nach einem verlorenen Zweikampf den Kreuzrittern an, um zusammen mit ihnen die Stadt Edessa von den Ungläubigen zu befreien. Begleitet wird er dabei von einer Handvoll Freunden und Bediensteten, mit denen er auf dem beschwerlichen Weg nach Edessa viele Schlachten, Überfälle und Intrigen bewältigen muss.


    Diese Buch hat mich zwiegespalten zurückgelassen. Auch diesmal bin ich von der fantastischen Erzählweise Ulf Schiewes hingerissen gewesen. Es gelingt ihm mühelos, den Spannungsbogen über den ganzen langen Weg dieses zweiten Kreuzzuges zu halten, peitscht den Leser auf diesem gnadenlosen Weg durch das rasante Erzähltempo und die dichte Handlung immer weiter voran. Dass man kaum Luft holen kann während des Lesens liegt aber - und das war etwas, womit ich mich schwer getan habe - an immer neuen Schlachten und Scharmützeln, in die die Figuren hineingeraten. Irgendwann dachte ich nur noch: bitte nicht noch eine Schlacht, ich hätte gerne mal eine Szene mit ein paar friedlichen Tagen. Zumal Ulf Schiewe seine Leser auch nicht schont und jede Schlacht so grausam und fürchterlich schildert, wie sie überliefert ist. Nicht nur die Figuren, sondern man selbst als Leser hat nach zwei Dritteln des Buches das Gefühl, knietief im Blut zu stehen.
    Für diese gnadenlose und nichts beschönigende Darstellung hat der Autor meinen vollen Respekt, denn er hält sich hier an Tatsachen und nicht an Wünsche oder Erwartungshaltungen des Lesers und hebt sein Buch damit aus der Menge der auf dem Markt befindlichen historischen Unterhaltungsromane deutlich hervor.


    Wie man sich denken kann, kehren auch die Hauptfiguren der Geschichte nicht unbeschädigt aus diesem zweiten Kreuzzug zurück. Ich hätte mir allerdings gewünscht, das manche Ereignisse nicht so gebündelt im letzten Teil bzw. in den letzten Kapiteln dieses Buches geschehen. Das erweckte bei mir den Eindruck, als hätte auf der Zielgeraden dieser Geschichte unbedingt noch "einer draufgesetzt" werden müssen.


    Ich glaube, dass mit diesem dritten Buch die Leser glücklich werden, denen auch der Bastard von Tolosa gefallen hat. Vom Erzählduktus ist die "Hure Babylon" dem "Bastard von Tolosa" defintiv näher als "die Comtessa". Ich mag nicht so weit gehen, es als Männerbuch zu bezeichnen, ich denke aber, das Leser mit den ganzen Schlachten-Szenarien weniger Probleme haben dürften als Leserinnen.


    Ulf Schiewe ist ein großartiger Geschichtenerzähler, der mit "Die Hure Babylon" wieder ein überdurchschnittliches gutes Buch vorgelegt hat, das auch nach der Lektüre noch lange im Gedächtnis bleibt.

  • „Die Hure Babylon“ ist der 3. Teil der Montalban-Reihe, die mit „Der Bastard von Tolosa“ begann und schließt zeitlich direkt an seinen unmittelbaren Vorgänger „Die Comtessa“ an. Allerdings können alle Romane von einander losgelöst gelesen werden, Ulf Schiewe versteht es ganz hervorragend, Inhalte aus den vorherigen Romanen in diesem zu wiederholen, ohne den Leser, dem diese bereits bekannt sind, zu langweilen.
    Wie bereits von mir erwartet, ist auch „Die Hure Babylon“ erzählerisch äußerst eindrucksvoll geschrieben. Besonders die Erkenntnis Arnauts, dass es bei den Kreuzzügen nicht vorrangig um die Verbreitung des Glaubens sondern um Macht und Territoriengewinn geht, war blendend beschrieben. Der Autor schildert das Gemetzel in den Schlachten intensiv und hält sich dabei eng an die zurzeit zur Verfügung stehenden historischen Quellen. Dadurch wirkt der Roman sehr authentisch, verlangt dem Leser aber einiges ab. Nichts wird geschönt, es wird gemordet, abgeschlachtet, vergewaltigt. Der Kreuzzug wird geschildert als das, was er war, ein grausamer, brutaler Krieg unter dem Deckmantel des Glaubens.


    Der Roman ist in fünf Teile gegliedert. Jeder einzelne beginnt mit einem Kapitel, das aus der Sicht Ermengardas in der Ich-Form geschrieben wurde. Dadurch behält der Leser auch die Geschehnisse in Narbona im Auge.
    Die Personen in diesem Roman sind, wie in allen des Autors, sehr gekonnt charakterisiert. Sie erscheinen wirklichkeitsnah und lebensecht, man hat das Gefühl, der Autor berichtet von guten Bekannten, die Stärken und auch Schwächen haben. Man kann mit ihnen mitfiebern, mitleiden und sich an ihnen reiben. Allesamt sind sie Kinder ihrer Zeit.


    Besonders beeindruckt haben mich die Passagen mit den tiefen, fast schon philosophischen Gedanken zum Thema Krieg. Sie gaben diesem im 12. Jahrhundert angesiedelten Roman eine ungemeine Aktualität.
    Dem Buch ist ein umfangreiches Glossar beigefügt, das die im Roman verwendeten unbekannten und fremdsprachigen Begriffe sehr gut erklärt. Neben einem Personenverzeichnis, das die urkundlich erwähnten Personen benennt rundet eine Landkarte das Buch ab.


    Wer gern gut recherchierte, schlüssig geschriebene, unterhaltsame Romane liest, sich von den Gräueln des Kreuzzuges nicht abschrecken lässt, wird in „Die Hure Babylon“ einen wunderbar opulenten, bild- und sprachgewaltigen historischen Roman finden, mit dem man in die Vergangenheit förmlich eintauchen und seine Geschichtskenntnisse auffrischen kann. Für mich hat dieser Roman alles, was ein wirklich gutes Buch benötigt.

  • Dieser Thread ist für Rezensionen reserviert und ich möchte ihn nicht unbedingt mit meinen Kommentaren zumüllen. Auf einzelne Rezensionen will ich auch nicht eingehen, denn sie sind ja eine jeweils persönliche Beurteilung, die ich respektiere.


    Aber ich möchte mich doch bei allen bedanken, die an dieser Runde beteiligt waren und ihre Eindrücke geschildert haben. Die Rezensionen gefallen mir gut, sie sind ernsthaft, gut formuliert und besonders für mich sehr interessant zu lesen.


    Ich freue mich, dass das Buch ein so positives Echo gefunden hat, denn es ist wahrlich kein einfaches Buch, nicht, was man gemeinhin unter einem historischen Unterhaltungsroman erwartet. Es ist eben ein Anti-Kriegsbuch. Und man kann ein solches Buch nicht schreiben, indem man beschönigt. Deshalb nehme ich den Leser mit in den Dreck, den Hunger und in die Schlachten, die Tausenden das Leben gekostet haben.


    Es ist auch ein Buch gegen die Manipulation der Menschen unter dem Begriff "Sünde", überhaupt gegen Demagogie und Massenwahn. Das Thema ist alt und doch auch so modern. Arnaut kann sich am Ende wenigstens im Geist davon befreien, sich auf sich selbst und sein Menschsein besinnen. Deshalb war für mich an diesem Punkt Schluss. Mehr war nicht zu sagen.


    Doch über den reinen Verlauf des Kreuzzugs hinaus habe ich versucht, die Epoche darzustellen. Den wachsenden Widerstand im Süden Frankreichs gegen das katholische Rom, die Politik der Kirche und der Fürsten, die Intrigen und Machtkämpfe, bei denen das eigentliche Ziel des Unternehmens aus dem Blick geriet.


    Aber auch die Kameradschaft spielt eine Rolle, das Zusammenstehen in einer feindlichen Welt. Und nicht zuletzt die bangende Familie zu Hause und natürlich die Liebe. Wie ging es jenen, die zurück blieben, die auf ein Wort, eine Nachricht des Geliebten hofften, vielleicht langsam die Hoffnung aufgaben, weil es nach Jahren immer noch keine Kunde gab. Ich glaube, es ist mir gelungen, das alles in eine spannende Geschichte zu packen, ohne den Leser zu langweilen.


    Nochmals herzlichen Dank


    Ulf

    Der Bastard von Tolosa, Die Comtessa, Die Hure Babylon, Das Schwert des Normannen, Die Rache des Normannen, Der Schwur des Normannen, Der Sturm der Normannen, Bucht der Schmuggler, Thors Hammer, Odins Blutraben, Die letzte Schlacht, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters
    www.ulfschiewe.de

  • Wir haben zu danken, Ulf, zum Einen fuer dieses Leseerlebnis, das ich leider oder gluecklicherweise noch nicht beendet habe, zum anderen fuer die Begleitung der Leserunde. Nachdem Du meine bisherigen Leseeindruecke so treffend beschrieben hast, werde ich mich bei der Rezi ganz schoen anstrengen muessen... :grin

  • Zitat

    Original von Pelican
    Wir haben zu danken, Ulf, zum Einen fuer dieses Leseerlebnis, das ich leider oder gluecklicherweise noch nicht beendet habe, zum anderen fuer die Begleitung der Leserunde. Nachdem Du meine bisherigen Leseeindruecke so treffend beschrieben hast, werde ich mich bei der Rezi ganz schoen anstrengen muessen... :grin

    :write :anbet :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zu viel der Ehre! :-) Ich freu mich nur, dass ich euch spannende und interessante Stunden schenken durfte.

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    www.ulfschiewe.de

  • Oh, hier bei den Eulen gab es also auch eine Leserunde zu diesem Buch...? Ich wette, die hat der Autor wieder großartig begleitet! Hier nun meine Rezension. Ich bin nicht ganz so begeistert, zolle dem Buch (und dem Autor!) aber meinen Respekt.


    ***


    Ich möchte vorab klarstellen, dass meine Bewertung im mittleren Bereich ein Geschmacks- und kein (!) Werturteil darstellt. Ulf Schiewe schreibt historische Romane auf seine ganz eigene Art und Weise, die nicht unbedingt mit dem übereinstimmte, was ich gewohnt war. Er weicht ab von dem, was im historischen Genre "gängig" ist - für mich weniger leicht verdaulich, aber durchaus nicht "schlecht"!


    Bei den meisten Autoren von historischen Romanen stehen ganz klar die Figuren und ihre dramatischen "Irrungen" im Vordergrund - also beispielsweise die verstoßene Hure, der naive Idealist, oder das einsame Findelkind. Im Grunde sind es Geschichten, die so auch heute spielen könnten - die aber, aufgrund einer Vorliebe des jeweiligen Autors, in die Vergangenheit versetzt wurden. Ohne das negativ zu bewerten, stelle ich fest, dass in solchen Büchern die Historie eben ein "Rahmen" ist, der das Ganze ein wenig exotischer machen soll. Ganz anders bei Ulf Schiewe!


    Bei Ulf Schiewe ist die Vergangenheit selbst der eigentliche "Held" des Buches; in diesem Falle ist es der zweite Kreuzzug. Er geht also genau andersherum vor: er hat sich in eine ferne Zeit "verbissen", und sucht nun nach Figuren, die dort hinein passen könnten. Sein Hauptaugenmerk liegt also auf einer realistischen Darstellungsweise, auf viel Hintergrundwissen, und dessen möglichst getreuer Übermittlung. Sicher liegen ihm auch seine Figuren am Herzen, aber sie treten doch über weite Strecken in den Hintergrund. Ich habe sie vielmehr als "Schachfiguren" empfunden, nicht als Personen, ohne die die Geschichte so nicht hätte funktionieren können. (Wie gesagt - kein (!) Werturteil!)


    Was nun dieses spezielle Buch betrifft, hatte die Technik des Autors zur Folge, dass wesentlich mehr Schlachten, taktische Manöver, und blutige Einzelheiten vorkamen, als ich das erwartet hatte. Wenn man das mag - kein Problem! Ich sage ja auch nicht, dass das Buch "unspannend" gewesen wäre. Man hat sich gut in diese Zeit versetzen können. Aber es war halt viel weniger "Roman", weniger Liebesgeschichte, als man laut Klappentext hätte denken können.


    Arnaut und Ermengarda heißen die beiden Hauptfiguren des Romans - sie eine provenzalische Fürstin, er ihr Geliebter. Sie erleidet zwei Fehlgeburten, und dies reicht aus, Arnaut an der Rechtmäßigkeit ihrer Liebe zweifeln zu lassen, zumal Ermengarda ja offiziell mit einem Anderen (aus politischen Gründen) verheiratet ist. Er schließt sich dem Kreuzzug an, um "Buße zu tun". Ermengarda ist dagegen, es kommt zum Streit, und zu einem Zerwürfnis.


    Doch wer nun erwartet, den beiden (sich immer noch) Liebenden durch das ganze Buch zu folgen, und ihre persönliche Geschichte mitzuerleben - der liegt nicht ganz richtig. Das Buch ist wiederum in 5 "Bücher" unterteilt. Das jeweils erste Kapitel berichtet von Ermengarda in der Ich-Perspektive, alle weiteren begleiten den Kreuzzug, und zwar "en detail". Arnaut kommt dabei nicht immer vor - immer nur gut dosiert dort, wo er eine Rolle in einer Schlacht spielt. Schade, das war schon der erste Negativpunkt für mich. Ich hätte gerne mehr von Ermengarda erfahren, das "ich" im historischen Roman fand ich sehr erfrischend.


    Was ich dem Autor allerdings zugute halten muss, ist seine exemplarische Recherche. Das Buch platzt beinahe vor realistischen und treffsicher ausgesuchten Details. Da geht es allerdings auch schon mal um taktische Entscheidungen, um Angriffsmanöver, die sich mir nicht immer erschlossen haben - und eben auch um Gemetzel und Foltermethoden. Und es geht darum, was für ein Irrsinn der Kreuzzug eigentlich war - sowohl aus menschlicher, als auch aus politischer Sicht. Man lernt viel über die damalige Kriegsführung, und die Verbissenheit aller Beteiligten.


    Der Autor versteht es, dramatische Konflikte zu schildern, das will ich nicht bestreiten. Mehr als einmal gibt es brenzlige Situationen, die nur haarscharf gut ausgehen. Es gibt einige Stellen, wo es "menschelt", wo Beziehungen unter den Teilnehmern des Kreuzzuges entstehen. Und wo auch Konflikte ausgetragen werden. Zart dosiert gibt es auch Liebschaften, ja sogar Hochzeiten - doch leider sehr spärlich. Das Hauptaugenmerk liegt, wie schon gesagt, auf dem Verlauf des Kreuzzuges. Das war mir oft zu trocken, zu militärisch.


    Der Autor hat in der Leserunde zudem verraten, dass das halb offene und ein wenig pessimistische Ende von vornherein feststand. Im Interesse dieses so gewollten Endes hat er auch hin und wieder mal gekürzt, gerafft, und umgeschrieben. Wenn man genau "hinliest", kann man das spüren. Ein weiterer Punkt, der nicht jedem gefallen muss.


    Ich möchte abschließend bemerken, dass dieses Buch für mich durchaus eine Erfahrung war. Es ist sicherlich gut geeignet für Hardcore- Historien-Fans, die die ewige "Verklärung" des Mittelalters ein wenig leid sind. Für Leser, die bereit sind, sich in eine andere Zeit versetzen zu lassen, und zwar mit allen Konsequenzen. Weniger geeignet ist es nur für Leser wie mich, die eigentlich zarter besaitet sind, und ihre "Geschichte", ihren Plot, ihre Romantik wollen.

  • Aufgrund der Rezis hier hatte ich mich schon auf das Buch gefreut, jetzt nachdem ich das gelesen habe, bin ich nicht ganz so überzeugt davon.


    Vor allem das der Kreuzzug im Vordergrund steht mit alle seinen Schrecken, das reizte mich, aber irgendwann muss ich sagen, fing es dann doch an mich zu langweilen. Vielleicht stehen in anderen Romanen die Personen mehr im Rampenlicht, die Details erfährt man aber trotzdem, nur anders, spannender verpackt. Das die Kreuzzüge ein dämliches Unterfangen waren und eher Macht und Politik als Glauben als Heerführer hatten war mir vorher schon klar.


    Da ich Arnaut zu Beginn nicht als den glühensten Christen gesehen habe, finde ich seine Gründe für die Entscheidung das Kreuz zu nehmen, eher dünn. Es sieht im Grunde auch eher wie Weglaufen oder Dickköpfigkeit aus. Mit Ermengada werde ich auch nicht so recht warm und ich empfand das auch alles eher wie Beiwerk, vor allem die späteren Rückblicke. Da wäre es vielleicht sinniger gewesen, auf die Lage der Menschen einzugehen, die nun plötzlich auf die Männer verzichten mussten. Denn die Arbeit mußte ja trotzdem verrichtet werden. Aber während bei Arnauts Handlungsstrick, das Elend der Armee im Vordergrund steht, ist es in Narbona Ermengard.


    Was wirklich gut aus dem Buch hervorgeht, ist die Unsinnigkeit dieses Unterfangens, egak in welcher Hinsicht. Die Uneinigkeit, die Planung, die Gründe einiger. Da soviel Zeit auf den Marsch gelegt wurde, erschien das letzte Buch leider etwas komprimiert und irgendwie als Anhängsel das auch noch erzählt werden möchte. Sicherlich ist auch das wichtiger Teil der Geschichte, aber da sie so knapp gehalten wurde, eher nervig.


    Letztlich hab ich häufig den Kopf geschüttelt über soviel Naivität der Menschen, sich auf sowas einzulassen. Und auch über diese Planung. Das kann nicht Gottes Wille gewesen sein und ich gestehe, ich stand doch eher auf Seldschukischer Seite.


    Von mir nur 7 Punkte