Die Frau, die vom Himmel fiel - Simon Mawer

  • Simon Mawer: Die Frau, die vom Himmel fiel


    Deutsche Verlags-Anstalt
    Originaltitel: The girl who fell from the sky
    Aus dem Englischen übersetzt von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel
    ISBN 13: 9783421045652
    ISBN 10: 3421045658
    1. Auflage 11/2012
    Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 384 Seiten
    [D] 19,99 €


    Verlagsseite
    Autorenseite (englisch)


    Mit dem von DVA herausgegebenen Titel Die Frau, die vom Himmel fiel von Simon Mawer kommt dessen erster ins Deutsche übersetzter Roman auf den hiesigen Buchmarkt. Mawer wurde 1948 in England geboren, wuchs in Zypern und Malta auf und lebt heute in Italien. Seit 1989 erschienen acht seiner Romane, die in über zwölf Sprachen übersetzt wurden. Es handelt sich um Chimera, A place in Italy, The bitter cross, A jealous god, The gospel of Judas, The Fall, Swimming to Ithaca, Gregor Mendel: Planting the seeds of genetics, und The girl who fell from the sky, der in seiner deutschen Übersetzung gerade vor mir liegt. Darüber hinaus gab es noch Mendel’s Dwarf und The Glass Room. Beide wurden für den Booker-Preis nominiert. Mawer schreibt, wie man bereits den Titeln entnehmen kann, also keine Liebeskomödien.


    In Die Frau, die vom Himmel fiel geht er auf ein Thema ein, das vielen eher unbekannt sein dürfte. Darauf, dass im Zweiten Weltkrieg in England junge Frauen zur Spionage ausgebildet wurden. Etwa fünfzig von ihnen wurden mit Fallschirmen über besetztem Gebiet abgesetzt, damit sie dort ihrer Tätigkeit nachgehen konnten. Benannt wurden diese SOE-Frauen nach ihrer nachrichtendienstlichen Spezialeinheit (Special Operations Executive). Fünfzig Jahre nach Entsendung des ersten SOE-Agenten wurde von der französischen Regierung das Vaelençay-SOE-Mahnmal enthüllt, welches einundneunzig Männer und dreizehn Frauen ehrt, die im Rahmen ihrer Spionagetätigkeit ihr Leben verloren. Zwölf dieser Frauen fielen den Deutschen zum Opfer, eine starb an einer Hirnhautentzündung.


    Marian Sutro ist einer dieser Frauen. Sie entstand in Erinnerung an Colette, der Mawer seine Geschichte widmet. Marian Sutro, alias Alice Thurrock, alias Anne-Marie Laroche. Als sie angeworben wird, ist sie schnell bereit zu tun, was man von ihr erwartet. Was ihr etwas Probleme bereitet ist, dass sie nicht in alles eingeweiht wird und das auch weiß. Sie muss blind vertrauen lernen. Nicht nur ihren Vorgesetzten und anderen Agenten, mehr noch sich selbst. Denn im Grunde darf sie gleichzeitig niemandem mehr trauen. Ihr Bauchgefühl, ihr Verstand, ihr inneres Radar muss funktionieren, wenn sie unentdeckt bleiben will. Sie muss ihre Vergangenheit als Tochter eines britischen Diplomaten und einer französischen Mutter vergessen, ihren Bruder. Eigentlich sollte sie auch Clément vergessen, den sie vor dem Krieg kannte, doch der rückt mit ihrer Mission plötzlich wieder zum Greifen nah, da er wie ihr Bruder Physiker ist. Sie muss von heute auf morgen eine Lüge leben, einfach weil sie die Fähigkeit besitzt, Französisch wie ihre Muttersprache zu sprechen. Sie wird im Töten ausgebildet, lernt Fallschirmspringen, zu morsen, sich zu verstellen. Das alles während des Krieges, also quasi im Schnelldurchgang.


    Speziell zu lernen, niemandem mehr zu trauen, ist überaus schwierig. Was man sein Leben lang gemacht hat, prägt schließlich das momentane Handeln. Situationsgebundene paranoide Denkweisen entstellen das Weltbild, das man für gewöhnlich hat. Als Marian gerade neunzehnjährig in Frankreich in ein Netzwerk von Spionen und ihren Helfern eintaucht, wird ihr bewusst, dass es keinen Plan B gibt. Dass im Notfall höchstens die Zyankali-Kapsel auf sie wartet, die ihr kurz vor Verlassen Englands überreicht wird. Da hilft es auch nichts, dass sie im Rahmen ihrer Ausbildung Benoit kennenlernt und eine Affaire mit ihm beginnt. In Frankreich ist sie auf sich allein gestellt. Der Großteil ihrer Tätigkeit ist Beobachten, Ausharren, auf den richtigen Moment warten. Doch sie wird auch als Kurier benutzt oder an der Ausschleusung relevanter Personen beteiligt. Clément ist als Physiker und im Wettlauf um die Bombe von überaus großem Interesse für die Engländer.


    Und genau wie andere Agenten muss sie bitter erfahren, dass die Deutschen ihre Augen und Ohren nicht selbst überall haben, sondern dass aus wegsehenden Zivilisten genau wie aus enttarnten Agenten Kollaborateure und Verräter werden können.


    Die Times schrieb zu Die Frau, die vom Himmel fiel: „Leidenschaft plus Gefahr – was könnte aufregender sein?“


    Mawers beginnt mit dem Kapitel Trapez. Überaus passend tituliert, denn was darin geschieht, weist eindrücklich darauf hin, dass es bei der Operation kein rettendes Netz gibt und eine einzige falsche Entscheidung zum Tod führen kann. Der Autor teilt danach seine Kapitel in die Zeit in England und Frankreich. Während die Zeit im ersten Teil im Präteritum abgefasst ist, sind die Kapitel in Frankreich im Präsens geschrieben. Diese Zeitform lese ich grundsätzlich nicht so gerne, allerdings unterstreicht sie in meinen Augen den Druck, unter dem Marian steht. Die einzelnen Kapitel sind relativ kurz und viele Details weben ein klares Bild der damaligen Zeit und Denkweisen. Marian wirkt erwachsen und abgeklärt, man sieht sie klar und doch in gewisser Weise gesichtslos vor sich. Ebenso die anderen Charaktere. Doch auch dies konveniert in meinen Augen mit ihrer Spionagetätigkeit.


    Störend wirkte auf mich die Fülle französischer Formulierungen. Nicht weil ich etwas gegen die Sprache habe. Genau genommen ginge es mir mit jeder anderen Sprache genauso. Wenn die Atmosphäre stimmt und Marian glaubwürdig keinen Unterschied zwischen ihren beiden Muttersprachen macht (beides habe ich so empfunden), stört der beständige Wechsel eher. Zumal nur einige Formulierungen zeitnah übersetzt oder erklärt werden, andere jedoch gar nicht.


    Der Autor erzählt die Geschichte aus Marians Sicht in dritter Person. Allerdings kommen auch Passagen vor, in denen man sich direkt vom Erzähler angesprochen fühlt. Speziell im Frankreichteil fiel mir dies auf. Manchmal wirkten diese fast wie Gedanken von Marian, dann wieder wie die des Erzählers. Einige wirkten jedoch auch etwas hölzern auf mich und störten meinen Lesefluss.


    Gut umgesetzt ist jedoch der Wechsel im Erzähltempo. Mehr als einmal bremst Mawer an genau der richtigen Stelle ab, um heikle Momente hervorzuheben. Mehr als einmal nimmt genau im exakten Augenblick erzähltechnisch wieder Fahrt auf.


    Obwohl ich so ziemlich alles lese, zählen Agentenromane eher zu den Büchern, die ich weniger gerne zur Hand nehme. Vielleicht weil ich durch einen Exfreund bedingt etwas Bond-geschädigt bin. Sobald das Wort Agentenroman fällt, habe ich erst einmal diesen Namen im Kopf, bevor ich mich dann an andere erinnere. Egal ob die Figuren darin fiktiv oder reflektiv dargestellt werden, er drängt sich gedanklich bei mir recht unschön in den Vordergrund. Irgendwie störte mich seine Lizenz zum Töten, der technische Schnickschnack, mit dem er gegen die Bösen kämpft. Oder die Art, wie er das alles übersteht, quasi wie Phoenix aus der Asche steigt. Warum ich das erwähne? Wegen des oben stehenden Zitats der Times. Natürlich gehen nicht alle Agentenromane in diese Richtung, doch wer angesichts der Times-Formulierung eventuell erwartet, James-Bond-ähnliche Sexszenen in Hotelzimmern, im Flugzeug oder im-am-unter-auf-dem-Wasser zu lesen, wird enttäuscht. Mawers Roman kommt auch ohne große Explosionen und technische Spielereien mit Crash-Boom-Bang-Effekt aus. Und zwar ohne, dass etwas fehlt.


    Die Figuren in Die Frau, die vom Himmel fiel sind keine unzerstörbaren Kämpfer für Gut und gegen Böse. Es sind Menschen wie wir, die in etwas hineingezogen wurden, was größer ist, als sie vielleicht jemals annahmen. Schachfigurartige Spieler in einer Realität, die sich verselbstständigt hat. In der nicht immer hundertprozentig klar ist, wer nun richtig oder falsch handelt. Die Feinde und Freunde oder zumindest wohlgesonnene Dritte nicht immer gleich auf Anhieb erkennen. Die Fehler und Schwächen haben.


    Die im Times-Zitat erwähnte Leidenschaft spiegelt sich für mich im Bezug auf die Tätigkeit der Agenten wieder. Zwar hat Marian ganz normale Bedürfnisse, doch die treten angesichts der Geschehnisse dezent in den Hintergrund. Stört das? Sicher nicht, zumal man die Gefahr, in der sie und ihre Mitstreiter schweben, gut nachvollziehen kann. Die latente, aber ständig vorhandene Angst wird greifbar.


    Fazit:


    Laut Verlaggseite handelt es sich um einen packenden Roman über eine starke junge Frau, die Mut in gefährlichen Zeiten beweist, und eine »Casablanca«-gleiche Liebesgeschichte vor der Kulisse des historischen Paris. Doch nicht nur Casablancafreunde werden sich mit Die Frau, die vom Himmel fiel unterhalten fühlen. Trotz der vorgenannten Punkte konnte ich das Buch nicht zur Seite legen, wollte wissen, wie es mit Marian weitergeht. Angesichts des historischen Kontextes blieb Mawers ja wenig Spielraum für den Ausgang der Geschichte im Bezug auf den Rest der Welt. Marians Schicksal jedoch konnte er bis zum letzten Kapitel ungewiss lassen. Im Gesamten betrachtet wirkte der Großteil der Geschichte eher abstrakt distanziert als wirklich aufwühlend auf mich. Sie macht dennoch nachdenklich und auf ganz eigene Art berührend fand ich Die Frau, die vom Himmel fiel allemal. Daher möchte ich für Mawers Roman vier von fünf Punkten dafür vergeben.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe Unterschied wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
    Mark Twain

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  • Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
    Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt (12. November 2012)
    ISBN-13: 978-3421045652
    Preis Gebundene Ausgabe: Euro 19.99 / CHF 28.50
    Preis Kindle E-Book: Euro 15.99


    Autor


    Simon Mawer wurde 1948 als Kind eines Soldaten der Royal Airforce in England geboren und wuchs u.a. in Zypern und Malta auf. Sein Werk umfasst bisher acht Romane, viele davon internationale Bestseller; zwei seiner Romane wurden für den wichtigsten Literaturpreis der englischsprachigen Welt, den Booker-Preis, nominiert. Mawer lebt heute in Italien.


    Kurzbeschreibung/Klappentext


    Marian Sutro ist kein Mädchen wie die anderen. Soeben aus der Schule ins Leben entlassen, kauert die neunzehnjährige Londonerin nun vor der geöffneten Tür eines Flugzeugs der Royal Airforce, unter ihr das besetzte Frankreich, bereit, mit dem Fallschirm ins Ungewisse zu springen. Sie soll ihre Jugendliebe Clément aufsuchen, der in Paris für die Nazis als Wissenschaftler arbeitet. Wird sie ihre Aufgabe erfüllen? Wird sie Clément finden – und was wird dann mit Benoît, ihrem neuen Liebhaber? Ein packender Roman über eine starke junge Frau, die Mut in gefährlichen Zeiten beweist, und eine »Casablanca«-gleiche Liebesgeschichte vor der Kulisse des historischen Paris.


    Meine Meinung


    Das Buch mit dem schwarzweissen Cover mit einer undurchschaubaren aber aparten Frau mit einem delphischen Blick fällt einem auf den ersten Blick ins Auge und der Klappentext klingt äusserst verheissungsvoll. Eine junge Engländerin soll zur Agentin/Spionin ausgebildet werden und während des 2. Weltkriegs über Frankreich mit Fallschrim abspringen um dort einen geheimen Auftrag in Untergrund zu erfüllen. Der Gedanke den der Autor Simon Mawer aufnimmt entspringt nicht seiner Fantasie sondern basierte auf realen Begebenheiten. Rund fünfzig SOE-Frauen, Special Operations Executive, wurden für diese lebensgefährliche Mission vom britischen Geheimdienst ausgebildet. Wer von den Deutschen verhaftet wurde dem war ein kurzes Leben beschieden, die Frauen wurden in der Regel kurzerhand hingerichtet. Manche haben in der Résitance überlebt und konnten von ihren Erfahrungen berichten andere sind bis heute unbekannt geblieben und ihr Schicksal ist ungeklärt. Gemäss Klappentext will der Autor den mutigen jungen Frauen ein Denkmal setzten. Gelungen ist ihm dies leider nur in Ansätzen weil meiner Meinung nach zu vieles in diesem Roman nur Mittelmass ist.


    Die Zeichnung der Figuren, die Rekrutierung und die Ausbildung zur Agentin nimmt zu Beginn viel Raum und Zeit ein und doch wächst mir die Hauptperson Marian Sutro nicht ans Herz. Ich beobachte durchaus interessiert was sie macht, den Lernprozess den sie in der Ausbildung durchläuft aber als Romanfigur bleibt sie mir als Leser zu verschlossen und es bleibt eine recht grosse emotionale Distanziertheit. Die Handlung an sich ist auf eine Art spannend aber auch sie vermag mich nicht in der erhofften Weise zu fesseln. Die angekündigte "Casblanca-gleiche" Liebesgeschichte wirkt auf mich eher etwas hölzern als das bei mir gefühlsaufwallende Stimmung aufkommt. Erst gegen Ende der Geschichte kommt die längst erwartete Spannung auf und vermag das Gesamtbild etwas aufzuwerten. Das Buch ist als Ganzes gesehen gewiss nicht Schlecht aber leider kann ich es aus meiner Sicht auch nicht weiterempfehlen weil es, vom Äusseren mal abgesehen, eher Dutzendware ist. Von einem Schriftsteller, von dem zwei Romane für den renommierten Booker-Preis nominiert wurden, habe ich eine ganz andere Erwartungshaltung als eine Geschichte die ziemlich durchschnittlich erzählt ist. 5 bis 6 Eulenpunkte von mir.

  • Marian Sutro lässt sich als junge Frau vom britischen Geheimdienst anwerben. Sie soll im besetzten Frankreich als Spionin agieren. Da sie zweisprachig erzogen wurde und mit ihrer Familie jahrelang in Frankreich gelebt hat, ist sie nach der Ausbildung bestmöglich vorbereitet. Doch wird das genug sein, um im Krieg zu bestehen?


    Die Hauptfigur des Buches, Marian, ist kein ganz einfacher Charakter und ihre Handlungen waren für mich als Leser nicht immer sofort nachzuvollziehen. Aber sie ist auf jeden Fall eine spannende Figur. Das Thema des Buches fand ich auch äußerst interessant, denn Ausbildung und Einsatz von weiblichen Spionen ist kein allzu häufiges Thema in Romanen, obwohl die Handlung auf historischen Tatsachen beruht.


    Ein wenig langatmig fand ich die ganzen Vorbereitungen vor dem Einsatz, die Ausbildung und Marians Handlungen, bevor es nach Frankreich geht. Dort hingegen gelingt es dem Autor dann doch endgültig, ich zu fesseln. Doch auch die Vorgeschichte ist wichtig für die spätere Entwicklung der Beziehungen unter den Figuren. Die Stimmung im besetzten Frankreich wird dann meiner Meinung nach sehr gut dargestellt, der Unterschied zwischen ländlichen Regionen und Paris spannend geschildert und die allgegenwärtige Angst vor Entdeckung oder Verrat ist nur zu gut spürbar.


    Die in der Buchbeschreibung erwähnte „Casablanca-gleiche Liebesgeschichte“ habe ich allerdings nicht so empfunden, hier sollte man sich vom Klappentext nicht in die Irre führen lassen, es handelt sich nicht um einen Liebesroman, aber insgesamt um ein durchaus interessantes Buch, das ich sehr gerne gelesen habe!

  • Die Frau, die vom Himmel fiel - Simon Mawer


    Mein Eindruck:
    In dem Buch steckt mehr, als man zuerst dachte. Es ist nicht nur ein Buch mit Herz-Schmerz und Spionen vor der Kulisse des zweiten Weltkriegs.


    Den Casablanca-Vergleich hätte sich der Verlag in seinem Klappentext besser verkniffen. Marians Pflichtbewusstsein im Krieg ist groß und überwiegt die Gefühle, die sie für gleich zwei Männer hegt. Das sind der forsche Benoit und der schon ältere Clemente, in den sie als 16jährige verliebt war.
    Marian hat einiges auf den Kasten, ist geistig flink und einfallsreich und in den entscheiden Momenten entschlossen. Als Figur übertrifft sie ihre männlichen Partner an Format Sie trägt den Roman!


    Simon Mawer, der schon für den Booker Award nominiert war, kann schreiben und es gelingt ihm, die Geschichte ausgewogen zu gestalten. Die Details der Spionagetätigkeiten inklusive der Ausbildung wirken glaubhaft.


    Hat mir das Buch komplett gefallen oder nicht? Ich schwanke, denn einige Abschnitte waren sicher sehr gelungen, andere waren unspektakulär und sprachlich war ich nicht immer angetan.