Warten auf „Cloud Atlas“

  • So, ich habe mir den Film endlich letzte Woche auch ansehen können und bin begeistert. Ich hatte ja so meine Zweifel, da das Buch ein 10-Eulenpunkte-Buch für mich ist und ich dachte: na, ob man das verfilmen kann? Man kann.
    Besonders (angenehm) überrascht hat mich, dass wirklich Vieles (Schauplätze wie auch Personen) ziemlich genau dem entsprach, wie ich mir das beim Lesen vorgestellt hatte.
    Sobald die DVD erscheint, werde ich mir den Film sofort noch einmal ansehen, denn der ist Film ist trotz gekonnter Umsetzung der Romanvorlage auch sehr eigenständig was den Aufbau angeht und ich denke, dass mir beim einmaligen Anschauen da sicherlich viel entgangen ist. Direkt nach Filmende habe ich mich gefragt, ob er mir nicht noch besser gefallen hätte, wenn man die Erzählweise des Romans beibehalten hätte (eine Geschichte, die dann mittendrin endet, nach der anderen, Höhepunkt in der Zachary-Geschichte und dann rückwärts die Geschichten beenden.) Ich glaube, mir persönlich hätte das noch besser gefallen, aber das Hin-und-herzappen zwischen den unterschiedlichen Handlungssträngen war sicher eine kluge Entscheidung - das Buch wurde ja leider schon von vielen Leuten abgebrochen, wenn die Geschichten mittendrin abrupt enden und man den Zusammenhang erst später erkennt. Im Kino wären die Leute vermutlich erst recht in Scharen geflohen? Außerdem war irgendwie schön anzuschauen, wie gerade bei Parallelen in der Handlung auf den verschiedenen Zeiteben dies durch den Schnitt deutlich gezeigt wurde.


    Langer Rede kurzer Sinn: Ein toller Film, der all jenen, die das Buch nicht kennen (oder abgebrochen haben wegen des abrupten Endes der ersten Geschichte: dies ist im Film anders!) und Freude haben an Filmen, über die man noch Tage später nachdenkt, bestimmt gefallen dürfte. Und auch Liebhaber des Buches werden den Film mögen, wenn man ihn als eigenständiges (Kunst)Werk ansieht und nicht eine 1:1-Umsetzung erwartet.


    Edit fällt noch ein: wenn der Film nicht den Oscar für die beste Maske (oder wie auch immer das sich nennt) erhält, fress ich n Besen. Ich hatte mir eingebildet, erkannt zu haben, welcher Schauspieler welche Rollen hatte, doch der Abspann hielt für mich einige Überraschungen bereit. Und auch die Schauspielerleistungen waren durch die Bank klasse, besonders wenn man bedenkt, auf was für unterschiedliche Rollen sie sich einstellen mussten in kurzer Zeit.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

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  • Gestern habe ich den Film gesehen. Ein Monster von einem Film. Episode über Episode, Bombast über Bombast, Augenschmalz über Augenschmalz, Schauspieleraufgebot über Schauspieleraufgebot, der Soundtrack eine einzige einlullende Blase, der man sich leider nicht entziehen kann, sonst bekommt man nix mehr vom Text mit.


    Der Film geht mit aufgeblähter Spieldauer konträr zur mehr als dürftigen, platten Handlung, die auch in 90 Minuten locker hätte erzählt werden können. Natürlich wäre da weniger Spielraum für Pathetisches gewesen, das hätte dem Regisseur Tom Tykwer anscheinend echte Schmerzen bereitet. Also schön reingreifen in die Große- Augen- Herzschmerz- Sex- Action- Maskenkiste, ordentlich Schminke drüber, sozialkritische Ansätze a la "Soylent Green" einbauen, ein bisschen Atommüll drüberstreuen, sich kräftig bei "Matrix" und "Herr der Ringe" bedienen und fertig ist die pseudointelligente Kinosoße, vor der aller Welt der Atem stockt, weil... KUNST! :wow Edit: und "Bladerunner". Diese Verfolgungsszene in der Kanalisation. Eins zu Eins!


    Das einzige Ratespiel besteht lediglich darin, herauszubekommen, in welcher Epoche sich nun grade welcher Charakter in welchem Körper rumtreibt. Aber auch das wird so serviert, dass auch noch der letzte Hirni alles versteht. Klar, es mag herausfordernd sein, fünf bis sechs Handlungsstränge, die alle in einer anderen Zeit spielen, miteinander zu verknüpfen. Eine Szene sozusagen mittendrin zu unterbrechen und sie ganz woanders fortzusetzten. Das ist gelungen, ändert aber nichts daran, dass die Story an sich furchtbar aufgeplustert und klischeebeladen ist. Da ist überhaupt keine konstante, mitreißende Handlung. Ich empfinde es einfach als plumpe Mogelpackung.


    Und wie es möglich ist, dass jemand Suizid begeht ,indem er sich mit einer Kanone in den Mund schießt und derselbige ist dann in der nächsten Herzschmerzeinstellung aber geschlossen und die Kanone liegt in den ordentlich zusammengefalteten Händen und sämliches Hirn ist noch IM Kopf, würde ich auch gerne mal verstehen.


    Fazit:
    Ich habe schon schlechtere Filme gesehen, "Avatar" oder "2012" beispielsweise. Dieser hier besticht ja schon alleine durch sein fulminantes Staraufgebot. Was er aber auch braucht, sonst wäre er die komplette Grotte. Hab ich das such hinter mir. :grin Werde ich mir noch nicht mal mehr im Fernsehen ansehen. :schnellweg

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

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  • Zitat

    Original von rienchen
    und fertig ist die pseudointelligente Kinosoße, vor der aller Welt der Atem stockt, weil... KUNST! :wow


    Für mich wars einfach sehr gut gemachte UNTERHALTUNG. ;-)


    Ich habe den Film vor kurzem nochmals auf DVD gesehen und war genau so begeistert wie damals, als ich den Film im Kino gesehen habe.


    Schade, dass er dich nicht überzeugen konnte, rienchen. ( Dann sind die 3 Stunden natürlich echt lang. :grin ).
    Alle deine aufgeführten negativen Punkte sind so gar nicht bei mir angekommen - worüber ich mich freue. :-)
    Aber es ist immer wieder interessant, andere Meinungen zu diesem Film zu hören/lesen. :wave

  • Na klar doch, Rosenstolz. :knuddel1 Über Geschmack lässt sich ja nicht streiten.


    was meinst Du, wie ich mich mit Herrn riechen schon wieder in der Wolle hatte, der fand den Film ganz "Ok" und nicht "sooo schlimm". Pöh! :lache

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Wertes rienchen,
    ist das 'rienchen-Logik?


    Über Geschmack könne man nicht streiten, schreibst du souverän und doch kriegst du dich mit deinem Allerliebst in Geschmacksfragen in die Wolle?


    Davon abgesehen hat mir deine Kritik gut gefallen, obwohl ich sie nicht teile.

  • Zitat

    Original von beisswenger
    Wertes rienchen,
    ist das 'rienchen-Logik?


    Über Geschmack könne man nicht streiten, schreibst du souverän und doch kriegst du dich mit deinem Allerliebst in Geschmacksfragen in die Wolle?


    Davon abgesehen hat mir deine Kritik gut gefallen, obwohl ich sie nicht teile.


    Lieber Kollege Beisswenger,


    Deine Kritiken gefallen mir auch immer gut, auch wenn ich sie oft nicht teile. :-) "In die Wolle" ist augenzwinkernd gemeint. Ist es nicht schön,leidenschaftlich zu diskutieren und sich aufzuziehen mit dem blöden Geschmack des Anderen? :lache Bei uns (Herr rienchen und mir) ist das zumindest so. Als ich festgestellt habe, dass manche Ereignisse idiotensicher dargestellt werden, sagt herr rienchen trocken: "Hat ja auch funktioniert". :lache


    Was wäre das Leben ohne liebevolle Zankereien. Langweilig. :grin

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Ich hab den Film gestern gesehen und fand ihn kurzweilig und unterhaltsam. Der Handlungsstrang mit dem weiblichen asiatischen Klon hat mich allerdings sehr an das Buch Biokrieg von Paolo Bacigalupi erinnert, bei dem eine ähnliche Problematik, um eine Klonfrau thematisiert wurde. Ist das noch jemanden aufgefallen?

  • Gestern lief der Film auf 3sat, ich bin total zufällig drübergestolpert und so bin ich auch in den Genuß gekommen. :-]


    Mir hat er gut gefallen! Auch wenn ich die Hälfte nicht so wirklich verstanden habe, vor allem wo die Berührungspunkte zwischen den Sequenzen sind (kann aber auch daran liegen, dass in in der ersten Hälfte meinen Bügelberg abarbeiten musste). Und ja, die einzelnen Geschichten sind nicht weltbewegend und so richtig "vertiefen" konnte man sich durch die ständigen Wechsel auch nicht.


    Trotzdem, diese ganz andere Machart hat mir gut gefallen! Und zeigt, dass auch heutzutage Filme noch kreativ sein können. Es ist eine ganz ungewöhnliche Idee, die in meinen Augen super umgesetzt wurde.


    Auch die gleichen Schaupsieler, die immer wieder mit komplett anderen Gesichtern auftauchen, fand ich toll. Gut gemacht!


    Ich werde ihn mir sicher nochmal anschauen (ohne Bügeln :-]), vielleicht aber totzdem erst das Buch dazu lesen. Das liegt immer hin seit Jahren auf dem SUB.

    „Wer nur Menschen um sich herum haben will, die einem in allen gleichen, lebt bald schon in einer verdammt kleinen Welt.“ Nicole Wellemin, Das Echo der Moore, Piper 2025

  • Zitat

    Original von Lese-rina
    Gestern lief der Film auf 3sat, ich bin total zufällig drübergestolpert und so bin ich auch in den Genuß gekommen. :-]


    Witzig, dadurch bin ich auch wieder an den Film erinnert worden und habe ihn mir, allerdings von DVD, zum zweiten Mal angesehen. Streckenweise ungeheuer gut geschnitten, so daß die verschiedenen Handlungsstränge zu einem verschmolzen.


    Er hat mir so gut wie beim ersten Mal gefallen und jetzt ist es wirklich an der Zeit, daß ich mir endlich das Buch besorge.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")