'Die Insel der Orchideen' - Seiten 355 - 461

  • Ooops, ich glaube ich bin zu schnell :wow


    Es passiert wieder so viel, und ich will ja keine Inhaltszusammenfassung schreiben. :grin


    Die Person, die in diesem Abschnitt wieder herausragt, ist Johanna. Ich hatte anfangs gedacht, dass Leah auf Grund ihrer Widerborstigkeit und ihres Drangs nach Freiheit mehr Raum in der Handlung einnehmen würde, aber die Person, die eigentlich überrascht, ist ihre Schwester. Johanna tritt nun endgültig aus dem Schutz und Schirm, den ihr Mann und seine Stellung ihr geboten hat, heraus. Dass sie sich um die Ärmsten und die kranken Prostituierten kümmert und mit Hilfe von Boon Lee eine Klinik gründet, ist sehr mutig und ungewöhnlich für eine Frau ihrer Zeit. Sie hat sich total gewandelt, hat auch wieder Kontakt mit Leahs ehemaligem Vertrauten, dem Märchenerzähler, feiert mit ihren Bediensteten Hochzeit - entweder ich habe die allmähliche Wandlung nicht mitbekommen oder nicht aufgepasst, jedenfalls geschah das irgendwie plötzlich für mich. Hatte es etwas mit Johannas Isolation zu tun, nachdem sie sich innerlich von Friedrich distanziert? :gruebel


    Dass nach Leahs "Besuch" immernoch alles unklar und ungeklärt ist zwischen den Schwestern und über Lilys Herkunft, ist irgendwie das typische Verwirrspiel. Wäre ja sonst auch zu einfach und der Roman zu Ende. Trotzdem, man möchte sie schütteln und mit der Nase darauf stoßen. :rolleyes


    So, und nun auf zum Finale! :lesend

  • Huhu Clare, du bist wirklich unfassbar schnell. Vielleicht (hoffentlich) liegt es daran, dass dir die Wandlung von Johanna zu plötzlich kam. Ich hatte immer im Hinterkopf, dass sie eine enorme innewohnende Stäke hat, auf die sie letztendlich zurückgreift. Johanna ist ja von Anfang an eine altruistische Person, hat sich sogar schon in Hamburg um kranke Nachbarn gekümmert. Die Krankenpflege liegt ihr, aber wirklich wachgerüttelt und zum aktiven Handeln angetrieben hat sie letztendlich Friedrichs Verhalten der Prostituierten gegenüber. Es brauchte mMn diesen starken Impuls, um aus der passiven Unglücksverwalterin eine aktiv handelnde Frau zu machen.

    Ship me somewhere's east of Suez,
    where the best is like the worst,
    where there aren't no ten commandments
    an' a man can raise a thirst


    Kipling

  • Zitat

    Original von SteffiB
    Huhu Clare, du bist wirklich unfassbar schnell. Vielleicht (hoffentlich) liegt es daran, dass dir die Wandlung von Johanna zu plötzlich kam. Ich hatte immer im Hinterkopf, dass sie eine enorme innewohnende Stäke hat, auf die sie letztendlich zurückgreift. Johanna ist ja von Anfang an eine altruistische Person, hat sich sogar schon in Hamburg um kranke Nachbarn gekümmert. Die Krankenpflege liegt ihr, aber wirklich wachgerüttelt und zum aktiven Handeln angetrieben hat sie letztendlich Friedrichs Verhalten der Prostituierten gegenüber. Es brauchte mMn diesen starken Impuls, um aus der passiven Unglücksverwalterin eine aktiv handelnde Frau zu machen.


    Dieser Auslöser hat mir gefehlt. Natürlich habe ich die Episode gelesen, und die Erschütterung Johannas kam auch rüber. Vielleicht habe ich auch wirklich zu schnell gelesen. :wow
    Für mich stand aber zu dem Zeitpunkt immer noch im Vordergrund Johannas Ablehnung des Fremden, die sie da, glaube ich, auch noch hatte.
    Ihre Öffnung nicht nur dem Land sondern auch den Menschen gegenüber war ein schleichender, schwieriger Prozess. Ihr fehlt Leahs Leichtigkeit und Unbedarftheit.

  • Oh, das ist interessant. Hast du es tatsächlich so empfunden, dass sie das Fremde ablehnt? Ich habe es immer so gesehen, dass sie zwar Interesse hat, aber gar nicht auf die Idee kommt, sich in Gefahr zu begeben so wie Leah. Dafür hat sie von Anfang an ein respektvolles Verhältnis zu ihren Dienern, das sich im Falle von Ping sogar zu einer Freundschaft entwickelt – unheard off im British Empire, very shocking, dear. Es war alles andere als normal, wie man an Mercy sieht, die sich nur langsam aus den gängigen Verhaltensmustern löst und beginnt, in den Dienern Menschen zu sehen.
    Ich habe Johanna ein humanistisches Weltverständnis angedichtet, und das lässt Arroganz oder Ablehnung eigentlich nicht zu. :gruebel
    Ich bin jetzt sehr gespannt, wie die anderen es sehen.

    Ship me somewhere's east of Suez,
    where the best is like the worst,
    where there aren't no ten commandments
    an' a man can raise a thirst


    Kipling

  • Also ich finde nicht das sich Johanna komplett wandeln musste. Joahnna steht dem Fremden/Unbekannten nicht ablehnend gegenüber, sie ist einfach nicht so temperamentvoll und wahrt meist die Contenance. Sie besitzt ein Gefühl, ein Bedürfnis und einen Tatendrang das/der Still latent vor sich hinschlummert aber jederzeit vorhanden ist und es tritt durch ein einschneidendes Ereignis hervor. Sie entstammen ja der gleichen Familie aber Johanna konnte ihre Gefühle und Neigungen im Gegensatz zu Leah jederzeit bändigen und unter Kontrolle halten.


    Ein schöner Leseabschnitt. Gefällt mir gut. :-]

  • Zitat

    Original von SteffiB
    Oh, das ist interessant. Hast du es tatsächlich so empfunden, dass sie das Fremde ablehnt? Ich habe es immer so gesehen, dass sie zwar Interesse hat, aber gar nicht auf die Idee kommt, sich in Gefahr zu begeben so wie Leah. Dafür hat sie von Anfang an ein respektvolles Verhältnis zu ihren Dienern, das sich im Falle von Ping sogar zu einer Freundschaft entwickelt – unheard off im British Empire, very shocking, dear. Es war alles andere als normal, wie man an Mercy sieht, die sich nur langsam aus den gängigen Verhaltensmustern löst und beginnt, in den Dienern Menschen zu sehen.
    Ich habe Johanna ein humanistisches Weltverständnis angedichtet, und das lässt Arroganz oder Ablehnung eigentlich nicht zu. :gruebel
    Ich bin jetzt sehr gespannt, wie die anderen es sehen.


    Nun, vielleicht nicht direkt ablehnt, aber wirklich in diese Welt, also in die direkte Umgebung der Menschen, will sie sich auch nicht begeben. Sie ist fasziniert von der Welt, offen für die Menschen, lehnt sie auch nicht ab, aber direkt zu tun haben wollte sie über lange Jahre nicht wirklich mit ihnen. Dass sie den Dienern gegenüber respektvoll auftritt und den Menschen in ihnen sieht, hat mit ihrer weltoffenen Erziehung in ihrem christlichen Elternhaus speziell durch den Vater zu tun.
    Vielleicht projiziere ich aber auch nur eine Ablehnung in Johanna, die vielleicht eher eine Angst ist, eine Angst aus den gesellschaftlichen Normen herauszutreten, sozusagen aus der eigenen Rolle zu fallen. Arroganz habe ich bei Johanna zu keiner Zeit gesehen.

  • Ich glaube, das trifft es: Angst, aus den gesellschaftlichen Normen herauszutreten. Eigentlich nicht einmal Angst. Man tut es nicht, also hält Johanna sich daran. Sie ist ja nicht so getrieben wie Leah, sondern ein vernünftiger Mensch, zumal sie zu Hause genug Ärger an der Backe hat. Und als sie dann in die "andere" Welt geht, verhält sie sich ebenfalls anders als Leah, die ja mehr Chronistin ist und nicht wertet, die die ärmlichen Umstände einfach als gegeben hinnimmt und sich einpasst. Während Johanna, als sie das ganze Ausmaß der Armut und des Elends erfasst, aktiv wird, etwas dagegen tut. Und in dieser Beziehung ist sie sicher mehr die Tochter, die der Vater mit seiner Erziehung formen wollte, als Leah.

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    Kipling

  • Johanna als Figur ist mir in vielem viel näher gekommen als die ungestüme Leah, die die Welt einreißen wollte und sich selbst verwirklichte, ohne Rücksicht auf Verluste und Verletzungen der Anderen.
    Leah hat Schlimmes mitgemacht auf ihrer Reise zu sich selbst, aber es war ihre Entscheidung.


    An einer Stelle sagt das auch jemand (war es Onkel Koh Kok) ungefähr so: Zu gehen ist mutig, aber manchmal ist es mutiger zu bleiben!
    So wie Johanna! Sich dem Alltag zu stellen, nicht vor den Problemen davonzulaufen, die Familie zusammenzuhalten, eben auch so einen Ehemann zu ertragen in der Hoffnung, dass er es noch schafft, sich seinen Traumata zu stellen...

  • Liebe Clare, ganz genauso habe ich es beim Schreiben auch gesehen. In Wahrheit ist nämlich Johanna die stärkere, während Leah oft schlicht egoistisch ist.

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    Kipling

  • Ich mußte natürlich heute Nacht vor dem Schlafen noch weiterlesen und es war also keine Totgeburt, was mich sehr gefreut aber nicht überrascht hat.


    Ansonsten ist es für mich der bis jetzt emotionalste Abschnitt und es passiert ungeheuer viel, weder die Figuren noch ich kamen zum Schnaufen.


    Vielleicht hat der Tod der Mutter für Johanna auch eine gewisse Befreiung gebracht. Sie sucht Koh Kok und das chinesische Viertel, integriert sich damit endgültig in der neuen Heimat und sie steckt ihre Energie vor allem in das Krankenhausprojekt.


    Den Satz "es ist oft mutiger zu bleiben ....." fand ich sehr gut und trifft den Punkt. Das ist für mich der Unterschied zu Leah.

  • Zitat

    Original von Richie
    Vielleicht hat der Tod der Mutter für Johanna auch eine gewisse Befreiung gebracht.


    So traurig es für sie auch war, aber eine Befreiung war's definitiv, da hast du Recht.

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    Kipling

  • So den Abschnitt habe ich auch gelesen. Es hat sich viel ereignet. Baroness Leah zofft mit ihrer Schwiegermutter. Wozu sind Schwiegermütter ansonsten auch da, zum Zoffen :lache


    Aber die Schwestern haben sich doch versöhnt. Leah verzeiht Johanna.


    Die Kinder müssen darunter leiden, dass die Mutter Gutes tut? :yikes Oder hat nicht Friedrichs Lebenswandel damit zu tun?


    Bei der Hochzeitsfeier brennt die Klinik ab :yikes Aber Lily bekniet ihren Vater, Geld für einen Neubau zu geben. Und diesmal im Chinesischen Viertel.


    Bei der Hochzeitsfeier verrät die Autorin ihre Lieblingsgerichte :grin Allerdings hätte sie auch die Rezepte im Glossar aufnehmen können. :gruebel Also Kommissar Dühnfort (Krimiserie von Inge Löhnig) erzählt da schon näher, was er gerade kocht. :chen

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Zitat

    Original von Lesebiene
    Die Kinder müssen darunter leiden, dass die Mutter Gutes tut? :yikes Oder hat nicht Friedrichs Lebenswandel damit zu tun?


    Schon eher mit Friedrichs Lebenswandel. Aber natürlich hat Johanna jetzt nicht mehr so viel Zeit für sie. Aber auch hier müssen wir die damalige Zeit in Betracht ziehen. Tatsächlich kümmern sich sowohl Johanna als auch Mercy erstaunlich viel um ihre Kinder. Damals hatten Kinder den Mund zu halten, immer schön brav und still und unsichtbar zu sein, um die migränegeplagte Mama nicht zu echauffieren. Wozu gab es schließlich die Pings und Sitis?


    Aus diesem Blickwinkel betrachtet erscheint es völlig normal, dass Johanna sich jetzt wieder verstärkt um eigene Angelegenheiten kümmert.

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  • Für mich verändert Johanna sich nicht, sondern entwickelt sich logisch weiter. All die Züge, die jetzt bei ihr zum Vorschein kommen, waren bereits in ihr angelegt. Ich habe sie schon vorher in ihrem Herzen als gar nicht so anders als Leah empfunden, sie war lediglich die Bedächtigere der beiden, die durchaus die Konsequenzen bedacht hat, bevor sie gehandelt hat, was man von Leah nicht behaupten kann. Leah mag ich in ihrer ungestümen, unkonventionellen Art, man muss sie einfach mögen, empfinde sie aber auch als sehr egozentrisch.


    Und natürlich haben sich die Vermutungen bezüglich ihrer Tochter und der Rolle Alwines in dem Drama bestätigt. Lily ist ein wunderbarer Charakter und gibt gleich die Möglichkeit auf eine Vielzahl von Problemen hinzuweisen - die Stellung der Eurasier in Asien als auch in Europa und die Schwierigkeiten, denen sich Frauen gegneübersahen, wenn sie studieren wollten.


    Eine meiner Lieblingsszenen ist die zwischen Bowie und Johanna beim Tanz gleich zu Beginn dieses Abschnitts, als er zu ihr sagt: "Zusammen wären wir unschlagbar gewesen." Denke ich auch.

  • In diesem Abschnitt wurde das Geschehen mal besser und er ließ sich ruhiger lesen. Alwine (die Krankheit mit dem Namen Krebs gab es sogar schon) und auch Henrys Sohn sterben zwar, doch Leah hat ihr Glück in Ehemann und Sohn gefunden und erkennt dies auch. Sicher, es ist bitter in welcher Situation sie die Existenz ihrer Tochter entdeckt – etwas weniger Dramatik an dieser Stelle- würde dem guten Buch nicht schaden. Doch wahrscheinlich auch wieder fünf Seien mehr Geschichte. Gut, dass Alwine noch Gelegenheit hatte, reinen Tisch zu machen.


    Johanna und Friedrich führen kein gemeinsames Leben mehr, sind verheiratet, doch Johanna hat sich befreit. Friedrich wird keine Kehrtwendung mehr machen, vermutlich hat er auch keine Freude und Freunde mehr und wird nicht mehr stark am Leben hängen. Ich denke, da passiert bald eine Befreiung.


    Mich freut, wie Johanna eine Aufgabe für sich gefunden hat und gerade auch die Art der Beschäftigung. Verzeihend und vermittelnd zwischen den Kulturen, dem Denken voneinander. Boon Lee unterstützt sie, in Onkel Koh hat sie einen wichtigen Vertrauten gefunden, der ihr auf der chinesischen Seite der Stadt zur Seite steht und für sie da ist. Mir gefiel die Beschreibung der Hochzeitsfeierlichkeiten der neuen Apotheker, früheren Diener in Johannas Haushalt.


    Wird jetzt alles gut? Es wird bestimmt erneut einige dramatische Ereignisse auf den nächsten 100 Seiten geben und temporeich die nächsten 20 Jahre beschrieben werden. Und doch hoffe ich auf ein versöhnliches Ende. Und wenn nur die beiden Schwestern wieder Kontakt bekommen und auch Lily zu Leah.


    Zu gehen ist mutig, aber manchmal ist es mutiger zu bleiben! Ein guter Ausspruch!

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Liebe Gucci, ich musste auch recherchieren, weil ich mir sehr unsicher war: Der Begriff "Krebs" für Tumore ist schon über 2.000 Jahre alt, und man kannte lange vor Alwines Zeit auch schon Brustamputationen – die natürlich überaus risikobehaftet waren, wie man sich unschwer vorstellen kann.


    Was die dramatische Erkennensszene anbelangt: Wenn Leah und Johanna ruhig miteinander ins Gespräch gekommen wären, wäre die Geschichte hier zuende gewesen. Und das will doch auch keiner (behauptet Steffi-Tessa und horcht nervös in die Runde ;-))

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    Kipling

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  • Zitat

    Original von AlexBerg
    Für mich verändert Johanna sich nicht, sondern entwickelt sich logisch weiter. All die Züge, die jetzt bei ihr zum Vorschein kommen, waren bereits in ihr angelegt. Ich habe sie schon vorher in ihrem Herzen als gar nicht so anders als Leah empfunden, sie war lediglich die Bedächtigere der beiden, die durchaus die Konsequenzen bedacht hat, bevor sie gehandelt hat, was man von Leah nicht behaupten kann. Leah mag ich in ihrer ungestümen, unkonventionellen Art, man muss sie einfach mögen, empfinde sie aber auch als sehr egozentrisch.


    Ja, so hatte ich Johannas Figur geplant ... und Leah ist egozentrisch.

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    Kipling

  • Zitat

    Original von SteffiB
    Was die dramatische Erkennensszene anbelangt: Wenn Leah und Johanna ruhig miteinander ins Gespräch gekommen wären, wäre die Geschichte hier zuende gewesen. Und das will doch auch keiner (behauptet Steffi-Tessa und horcht nervös in die Runde ;-))


    Das Drama in der Szene war nötig, wenn man sich überlegt, was zwischen den beiden vorgefallen ist, welche Vorwürfe seitens Leah gegen ihre Schwester im Raum stehen und vor allem wie impulsiv und unbedacht Leah immer handelt. Es wäre unglaubwürdig gewesen, wenn sie hier ruhig und sachlich ihre Probleme aufgearbeitet hätten - und schade, wenn das Buch hier schon geendet hätte ;-)