Befruchtung – Rachid Boudjedra

  • Verlag: Donata Kinzelbach, Mainz
    1991
    Übersetzung aus dem Arabischen von Issam Beydoun
    Herausgegeben und bearbeitet von Donata Kinzelbach


    Kurzbeschreibung:
    ... offene, aggressive, provokante - aber auch: einfühlsame erotische Gedichte.
    ... Gedichte vom Kampf gegen islamische Orthodoxie, gegen geistige und gesellschaftliche Borniertheit und Starrheit


    Über den Autor:
    Rachid Boudjedra, geboren 1941 in Aïn-Beida/Ostalgerien, studiert nach aktiver Teilnahme am Befreiungskrieg Mathematik und Philosophie in Algier und Paris. Es folgen Lehraufträge an verschiedenen Universitäten der arabischen Welt, Europas und Amerikas. Heute lebt Boudjedra als freier Schriftsteller in Algier. Er schreibt und publiziert seit Beginn der Achtziger Jahre ausschließlich in arabischer Sprache; zählt zu den bedeutendsten Autoren des modernen Maghreb.


    Mein Eindruck:
    Im Original ist das Buch in arabischer Sprache 1983 erschienen, 1991 in Deutsch.


    Es enthält anspruchsvolle Lyrik des algerischen Schriftstellers, die keineswegs einfach zu verstehen ist. Stilistisch ist es rasant. Es werde viele brisante Themen angerissen, letztlich ist die Provokation auch ein literarisches Mittel. Boudjedra legt den Finger in die Wunde. Das ist alles andere als schwülstige Orient-Romantik.


    Das Buch Befruchtung hat viele Überschneidungen mit dem später erschienen „Bars von Algier“, doch abgesehen von dem Titelgedicht wurden da alle langen Gedichte weggelassen. Dabei haben gerade diese bei aller Komplexität viel zu bieten, auch wenn sie schwer zu verstehen sind.
    Zum Beispiel:
    Das 10seitige „Die heisere Stimme“ thematisiert Tod und Begräbnis des Dichters Jean Senac, der 1973 ermordet wurde. Senac war in Algerien geboren, doch französischer Herkunft, er war schwul und äußerte sich furchtlos zu Politik. Er schrieb auf Französisch und war eine legendäre Gestalt der algerischen Literatur. Für die islamistischen Fundamentalisten war er wohl ein rotes Tuch. Vermutlich war Senac ein frühes Opfer des Terrors.
    Da auch Boudjedra schon oft bedroht wurde, ist dieser Text, der erfreulich unpathetisch bleibt, bewegend.


    Stilistisch sehr auffällig ist das gesellschaftskritische Gedicht „Improvisation über die Kunst des Kaffeetrinkens“, das 14 Seiten umfasst. Sätze aus wenigen Worten wechseln sich ab mit prosa-artigem Fliesstext.


    Gewalt wird öfter thematisiert, z.B. in „Und immer noch unterschreibt das Volk mit dem Daumen“


    Auch die kürzeren, wortgewaltigen Gedichte haben große Qualität. Beispielsweise wird in „Sommer“ die Hitze Algeriens fast körperlich spürbar. Auch zu empfehlen: Häfen, Bilder, Jenseits von Blau.


    Dieses Buch beweist, das manche Literatur die Jahrzehnte überdauert.