Hallo liebe Eulen,
ja, der Thread-Titel ist ein bisschen polemisch, um zur Diskussion einzuladen, aber hier kann ich ja gleich differenzieren. Mir liegt etwas auf der Seele und mich würde interessieren, ob's hier sonst noch wem so geht.
Ich bin seit Jahr und Tag begeisterter Fantasy-Leser (allerdings nicht nur - ich schaue auch gern über den Tellerrand). Seit einiger Zeit enden meine Buchladen-Besuche vor dem Fantasy-Regal aber meistens im Frust. Schön ist, dass Fantasy inzwischen nicht mehr peinlich im letzten Regal vor dem Klo versteckt wird, sondern mittlerweile prominent mit eigenem Stapeltisch und breiten Bücherfronten präsentiert wird. Die eine Hälfte davon ist klassische Fantasy, die andere Vampir-, Engels- und Meerjungfrauen-Romantasy mit mal mehr, mal weniger Erotik, zwischen die sich ganz selten auch mal ein paar Bände echter UrbanFantasy a la Harry Dresden oder Jill Kismet verirren. Vor allem der Verlag Egmont LYX schmeißt ja geradezu inflationär mit den nackte-tätowierte-Athletenkörper-vor-mystischem-Vampir-Hintergrund-Büchern um sich. Irgendwie sehen die inzwischen alle gleich aus.
Und wenn man in den Anfang, oder die Mitte, oder den Klappentext reinliest, steht da irgendwie auch überall das gleiche drin. Mit wenigen Ausnahmen. Irgendwann ist das dann so neu und aufregend wie ein alter, durchgeschwitzter Turnschuh.
Aber halt, zum Glück gibts ja noch die andere Seite, die klassische Fantasy. Diese Seite vom Tisch ist zu neunzig Prozent zugebaut mit den Serienklopper-Evergreens von George R.R.Martin und ein paar deutschen Autoren mit Rollenspiel-Wurzeln, wie Markus Heitz und Konsorten (von denen aber nur Band 6 oder Band 8 oder alles ab Band 5 aufwärts, von Serien, die mich schon mit Band 3 vor vier Jahren nicht hinterm Ofen vorgelockt haben, weil die Flut an Elfen, Zwergen und Halblingen auf großer Rollenspiel-Weltrettungs-Fahrt damals schon meine Sättigungsgrenze überdehnt hat).
Ach so ja, und nicht zu vergessen die zur Zeit mal wieder gefühlten zehntausend Aufgüsse des kleinen Hobbits, flankiert vom Herrn der Ringe in der achtundneunzigsten, mit kleinen Glasdiamanten bestickten Sonderausgabe mit Elfenschrift auf dem Seitenschnitt. Mit etwas Glück findet man dann noch die (zugegebenermaßen wirklich tollen) Bücher von Brent Weeks und - weil die Spiele sich so gut verkaufen - die unsäglich grauenhaften Groschroman-Spiele-Nacherzählungen aus der Assassins Creed Serie.
Und dazwischen findet man dann ganz verschämt hier und da mal eine Neuerscheinung, die wahlweise so anfängt:
- ein junger Halbling muss eine schreckliche Bedrohung abwenden
- ein Söldner ist des Kämpfens müde, aber muss seine Gruppe getreuer Freunde trotzdem aus der Stadt finden
- ein Ex-Söldner begibt sich auf die Suche nach *hier magischen Gegenstand zur Weltrettung einfügen*
oder Derivate davon.
Die gucke ich mir an, drehe sie unschlüssig hin und her, schleiche traurig wieder fort und klicke mich bei Amazon durch die Liste meiner Lieblingsautoren, auf der Suche nach den Erscheinungs-Daten ihrer nächsten Bücher, damit ich sie vorbestellen kann. Nein halt, inzwischen ist meine letzte Hoffnung die Jugendbuch-Ecke, vor allem das Regal mit den Hardcovern. Denn zwischen den üblichen Vampirjunge-liebt-Werwolfmädchen-Schmonzetten ab 14 finden sich immer mal wieder tolle Bücher mit eigenständigen Geschichten und schöner Sprache.
Kurz gesagt, habe ich aber das Gefühl, dass inzwischen in den Läden zwar an vier mal so vielen Regalen wie früher Fantasy draufsteht, aber das sich das immergleiche Zeug drin stapelt. Die immergleichen Serien, und die paar Neuerscheinungen dazwischen kauen auch immergleiche Themen durch. Gestern dachte ich im Buchgeschäft, wenn mir noch ein weiteres Buch mit Halblingen in die Hände fällt, das offensichtlich dreist auf den kommenden Hobbit-Zug aufspringen will, muss ich gewalttätig werden.
Nun ist es ja nicht so, dass es keine innovativen, tollen, aufregenden, neuen Fantasy-Titel gibt. Ich habe ein paar Autoren, die ich verfolge, und die alle Jubeljahre mal einen neuen Titel rausbringen. Und ab und an fällt mir ein echtes Juwel in die Hände - aber in den seltensten Fällen im Laden. Meist über Rezensionen oder durch Stöbern bei Amazon.
Gehts anderen auch so?
Oder habe ich vielleicht den Effekt, dass man nach zwanzig Jahren Fantasy-Lektüre zu anspruchsvoll wird? Oder bilde ich mir das ein?