Klappentext:
Inselliebe. Taldsum, eine Insel im friesischen Wattenmeer, Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Leben der Bewohner ist geprägt von der Seefahrt, dem Tod und bitterer Armut. Als ein Leuchtturm auf dem Eiland errichtet werden soll, schlagen die Wogen der Empörung hoch. Auch die junge Seemannswitwe Keike Tedsen, die wie viele Frauen von der Strandräuberei lebt, fürchtet um ihr karges Auskommen. Dann aber verliebt sie sich in den Hamburger Ingenieur Andreas Hartmann, der mit dem Leuchtturmbau beauftragt ist. Es ist eine schicksalhafte Liebe, die das Leben der beiden für immer verändern soll ...
Über die Autorin:
Dagmar Fohl, geboren 1958, absolvierte ein Studium der Romanistik und Geschichte in Hamburg und arbeitete mehrere Jahre als Kulturmanagerin. Nach Abschluss einer privaten Gesangsausbildung war sie als Sängerin, Gesangslehrerin und Chorleiterin im In- und Ausland aktiv. Dann folgte ihre Tätigkeit als Schriftstellerin. Im Juli 2009 erschien ihr erster historischer Roman.
Meine Eindrücke:
Taldsum ist eine Insel in der tosenden Nordsee, wo der Wind braust und den Sand zu Dünen bläst, wo die Menschen seit Generationen von der Strandräuberei leben und wo Geister und Zauberwesen in den Dünentälern hausen. Und Taldsum ist eine Insel der Witwen, denn die Männer, Väter und Söhne fahren zur See; viele werden vom Meer verschlungen und kommen nicht zurück. Keike ist eine der Witwen. Ihr Leben ist hart, nicht nur, weil sie kaum das Nötigste zum Leben hat und schwer dafür arbeiten muss, sich und ihre beiden Töchter durchzubriingen - Seile machen, Körbe flechten, das Dach flicken, den verrückten Schwiegervater pflegen, auf dem Feld arbeiten, Strandgut bergen und Schiffbrüchigen beim Sterben helfen - sondern auch, weil Witwen wie Tote sind. Sie müssen schwarze Kleider und unförmige Hauben tragen und den Blick gesenkt halten. Dabei ist Keike noch jung, sie liebt den Wind auf der Haut und das Salz auf den Lippen und hat die Liebe noch nicht kennengelernt, denn Harck war derjenige, den ihre Mutter für sie erwählt hatte und dessen Tod auf See sie lediglich von seiner Gegenwart befreite.
Andreas Hartmann baut Leuchttürme. Dies ist seine Bestimmung, seit er als Junge seine Eltern bei einem Schiffsunglück verlor. Seine Arbeit gibt ihm Gelegenheit, immer wieder seinen Alltag zu Hause hinter sich zu lassen, Frau und Kinder und den kleinbürgerlichen Mief zu vergessen. Er ist besessen von Leuchttürmen. Sein aktuelles Projekt führt ihn nach Taldsum.
Die Geschichte wird in zwei Strängen erzählt, die sich unaufhaltsam aufeinander zu bewegen, einer aus Keikes Sicht, einer aus Hartmanns Sicht, immer wieder unterbrochen von Untersuchungsprotokollen über ein Verbrechen, das Hartmann begangen hat. Ihm wird Wahnsinn attestiert. Seine innere Zerrissenheit, die mit dem Tod der Eltern und dem Verlassensein, dem Nichtverstandenwerden beginnt, hat ihn in den Wahnsinn getrieben. Heute würden andere Namen für seine Krankheit gefunden.
Das idyllische Bild auf dem Buchcover trügt: Sie ist düster, diese Geschichte. Immerhin gelingt Keike und Hartmann die Flucht, jedem für sich.
Sprachlich war das Buch eine Entdeckung für mich. Alles klingt, alles schmeckt, alles riecht nach Meer, Sand und Wind. Empfehlenswert für alle, die die Nordseeinseln lieben.
Zitat (S. 14): "Die Welle bedeckte sich mit einem Schaumgürtel, fiel kopfüber und brach sich hart an den Absätzen des Meeresbodens. Ein Teil der Welle löste sich in weißem Schaum auf, hoch aufspritzend, der andere Teil floss den Vorstrand hinauf. Die Woge zog sich wieder in die See zurück, riss eine Menge Sand und Steine vom Strand mit sich in das Meer hinein. Keike zählte die Abstände zwischen den größten Wogen, lauschte dem Krachen und Rauschen des Meeres, dem dumpfen Klackern der Steine in der zischenden Gischt."