Die Blindgänger - Lisa Nienhaus

  • Über den Autor
    Lisa Nienhaus, Jahrgang 1979, studierte Volkswirtschaft und Politik in Köln und Stockholm und besuchte parallel dazu die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft. Sie ist Wirtschaftsredakteurin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Im Jahr 2005 wurde sie mit dem Ludwig-Erhard-Förderpreis für Wirtschaftspublizistik ausgezeichnet.


    Kurzbeschreibung
    Warum haben unsere Star-Ökonomen die Krise nicht gesehen? Warum lagen sie mit ihren Prognosen so haarsträubend daneben? Und warum machen sie trotz ihres offenkundigen Versagens munter weiter wie bisher? Dieses Buch beleuchtet kritisch eine Zunft, der wir allzu gern blind vertrauen, deren Vorhersagen Politik bestimmen und die nicht gerade von Bescheidenheit geprägt ist. Es erklärt die Gründe für das Versagen der Ökonomen und zeigt, was sich ändern muss, damit wir in Zukunft verlässlichere Aussagen über die Wirtschaft erhalten - Aussagen, die wir dringend benötigen.


    Meinung
    Zuerst aufgefallen ist mir die gutaussehende Journalistin beim morgendlichen Studium der weltbesten Sonntagszeitung (FAS). Auch der letzte Sonntagmorgen fing mit einem brillanten Artikel gut an: „Der Traum vom Schuldenerlass“. Die Frau weiß, wovon sie schreibt – nicht nur in der Zeitung. Ihr Sachbuch „Die Blindgänger“ gibt die richtigen Erklärungen, warum die meisten Ökonomen die ersten Anzeichen der derzeitigen Dauerkrise missachtet haben. Auch wenn das Buch bereits 2009 veröffentlicht wurde, gelten ihre klugen Analysen auch heute noch.

    Nur wenige Ökonomen interessierten sich für Finanzmärkte und schon gar nicht für deren Regulierung; viele meinten, die Zeit der Krisen sei endgültig vorbei, mit der richtigen Geld- und Fiskalpolitik ließe sich alles regeln. Hinzu kam der klassische Herdentrieb, kein Volkswirtschaftsprofi wollte mit Ausreißer-Prognosen sich ins Abseits stellen. Und die selbstverliebten Mathematiker der Ökonomen-Zunft rechneten mit „Homo Oeconomicus-Konstanten“ an der komplexen Realität vorbei. Viele Forschungsinstitute hatten auch Angst vor „sich selbst erfüllende Prophezeiungen“, schließlich werden sie überwiegend vom Staat finanziert, dem allzu viel Skepsis nicht ins Konzept passt. Die Analyse ist umfassend und so gut geschrieben, dass sie auch von Lesern verstanden wird, die von VWL so viel verstehen wie die Kuh vom Berliner backen.


    Abschließend gibt sie neun Empfehlungen, wie Ökonomen besser werden könnten. Man solle den unmenschlichen „Homo Oeconomicus“ in die Mottenkiste packen, die mathematische Fixierung der Hochschulen reduzieren und endlich die volkswirtschaftliche Realität in den Forschungsmittelpunkt stellen. Dazu zählen auch Forschungen auf den neuen Feldern der Neuro- und Verhaltensökonomie sowie das Ernten der alten Äcker, wie das Studium der Wirtschafts- und Dogmengeschichte, um das tatsächliche Menschenbild herauszuarbeiten. Den Volkswirten gehe es zu oft um die Theorie und nicht um die Wirklichkeit. Sie empfiehlt mehr Bescheidenheit unter den Lautsprecher-Star-Ökonomen. Sie sollen häufiger Bücher veröffentlichen, um Zugang zur Komplexität zu erlangen, anstatt die Fachwelt mit „Papers“ zu fluten.


    Ja, wir brauchen den Paradigmenwechsel in der VWL, der sich langsam anschleicht, aber noch das Tempo einer Revolte erreichen muss. Es ist ein Stoff, der uns alle angeht und ein viel zu wichtiges Thema, um es den dilettantischen Ökonomen allein zu überlassen.


    Ein Klassebuch – 10 Punkte!